Virologin zu neuer Corona-Variante«Das Virus ist noch nicht fertig mit uns»
aru/gbi
24.8.2023
Die neue Virusvariante BA.2.86 lässt aufhorchen. Die Genfer Virologin und Professorin Isabella Eckerle rechnet mit höheren Infektionszahlen für den Herbst und einer Belastung des Gesundheitssystems.
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24.08.2023, 18:41
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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Die Virologin und Professorin der Universität Genf Isabella Eckerle erklärt, ob wir gegen die neue Virusvariante BA.2.86 gerüstet sind.
Für den Herbst geht sie von einer Erhöhung der Fälle und einer Belastung des Gesundheitssystems aus.
Sie schlägt vor, die Virusvariante mit dem nächsten Buchstaben im griechischen Alphabet zu benennen: Pi.
Ihre Sommerferien am Lago Maggiore wurden durch die neue Virusvariante BA.2.86 gestört. Denn die Virologin und Professorin an der Universität Genf Isabella Eckerle twitterte beinahe jeden Tag über die neue Variante.
Normalerweise arbeite sie in den Ferien nicht, doch sie habe sich gedacht: «Na, was ist denn da los?» Im Interview mit dem «Spiegel» erklärt sie, was im Herbst auf uns zukommt.
Bezüglich der Gefährlichkeit der Virusvariante BA.2.86 lasse sich noch wenig sagen, da sie bislang nur vereinzelt habe nachgewiesen werden können, sagt die Virologin weiter. Hier ist alles, was bisher bekannt ist: «Erstaunlich ist, wie viele Mutationen diese neue Variante hat – sie unterscheidet sich genetisch ungefähr so stark von Omikron wie Omikron sich von den vorherigen Varianten.»
Die Virologin geht davon aus, dass die neue Variante eine deutliche Immunflucht aufweisen wird. Das heisst: Die Antikörper werden Schwierigkeiten haben, sie zu erkennen. «Die Frage ist nun, ob sie auch ausreichend fit, also gut übertragbar ist, und dadurch die jetzigen Varianten überholen kann.»
Das Virus schien alles ausgereizt zu haben
Eckerles Einschätzung dazu: «Ja, wir werden bald eine Zunahme sehen. Dann, finde ich, könnte man BA.2.86 mit dem nächsten Buchstaben im griechischen Alphabet benennen: Pi.»
Noch vor vier Wochen hätte Eckerle gesagt, dass wir mit den deutlich mutierten Varianten durch seien, heisst es weiter. Denn das Virus schien alles ausgereizt zu haben. Doch nun sehe man wieder mehr Fälle in der Notaufnahme und mehr Spital-Aufenthalte. Welche Variante genau dafür verantwortlich ist, lasse sich noch nicht sagen, da die Sequenzierung einen bunten Mix aus verschiedenen Varianten – auch die neue Omikron-Variante namens EG.5 – zeige.
Reiht sich das Coronavirus demnach noch lange nicht in die Gruppe von harmlosen Erkältungsviren ein? Sars-CoV-2 sei eine eigene Kategorie, so Eckerle. «Es wird weiterhin bestimmte Gruppen schwer krank machen und Komplikationen verursachen; wir verstehen immer noch nicht den Mechanismus dahinter.» Und weiter: «Ich glaube, das Virus ist noch nicht fertig mit uns.»
Für den kommenden Herbst und Winter ist Eckerle zwar optimistisch, denn wir würden nicht nochmals eine Variante bekommen, die unsere Immunität auf null setze. Und auch die Intensivstationen würden wohl nicht gefüllt. «Aber die Mischung aus Sars-CoV-2, Influenza, Atemwegvirus RSV und den saisonalen respiratorischen Viren kann sehr wohl das Gesundheitssystem belasten.»
Engpässe in Kliniken und Praxen befürchtet
Die ganz schweren Infektionen, die Anfang der Pandemie beobachtet wurden, werde es wohl nicht mehr geben, aber dafür sehr viele Infektionen bei allen Bevölkerungsgruppen. Dies führe zu Personalausfällen und Engpässen in der Klinik, in Praxen und in der Notaufnahme. Weiter werden wieder mehr Menschen Long Covid bekommen.
Die neueste Variante sei eine Omikron-Untervariante und weise im Vergleich zum Vorgänger rund 30 Mutationen im Stachelprotein auf, das das Virus für das Andocken an menschlichen Zellen benötigt. «Solch ein evolutionärer Sprung wurde seit dem ersten Auftreten von Omikron nicht mehr beobachtet», heisst es im Bericht des wissenschaftlichen Covid-Beratungsgremiums des Bundes.
Corona-Welle: Was bedeuten die aktuellen Zahlen?
Berlin, 24.08.2023:
Der internationale Corona-Gesundheitsnotstand ist seit Monaten beendet. Was haben da der Anstieg der gemeldeten Corona-Fallzahlen in Deutschland und auffällige neue Virusvarianten zu bedeuten?
Vorweg die gute Nachricht: Fachleute sehen immer noch eine sehr breite Grundimmunität aus Impfungen und Infektionen in Deutschland. Das heisst aber nicht, dass man sich nicht mehr anstecken kann. Sondern, dass man als grundsätzlich gesunder Mensch in der Regel nicht so schwer erkrankt, dass man in eine Klinik oder gar auf die Intensivstation muss.
Entscheidend ist daher die Frage, ob womöglich doch noch mal eine Variante entsteht, die unser Immunsystem wieder austricksen kann. Aber auch hier kann, Stand jetzt, Entwarnung gegeben werden. Weder das RKI noch der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, sehen hier kein Grund zur Panik.
Weitere Prognosen über den Verlauf von Grippe- und auch Corona-Wellen sind allerdings schwierig. Viren entwickeln sich weiter. Der Zeitpunkt und das Ausmass ihrer Zirkulation werden zudem von vielen verschiedenen Parametern beeinflusst, wie das RKI erklärt. Im Herbst und Winter ist aber wieder mit einem Anstieg der Fallzahlen zu rechnen.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt aber nur noch bestimmten Gruppen Auffrischimpfungen. Dazu gehören etwa Menschen ab 60, Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen, Pflege- und Gesundheitspersonal sowie Angehörige von Risikopatienten. Gesunden Erwachsenen unter 60 und Schwangeren wird dies nicht mehr empfohlen