Verändertes Reiseverhalten Darum verschwindet die Ferien-Nebensaison

tgab

20.6.2024

In Venedig werden Tagesgäste während der Hauptsaison am Wochenende mit fünf Franken zur Kasse gebeten. Eine Nebensaison gibt es kaum noch.
In Venedig werden Tagesgäste während der Hauptsaison am Wochenende mit fünf Franken zur Kasse gebeten. Eine Nebensaison gibt es kaum noch.
Bild: Gaetan Bally/KEYSTONE

Die Nebensaison war immer eine gute Möglichkeit, Touristenmassen und teuren Hotel- und Flugpreisen zu entgehen. Doch Klimawandel und geändertes Reiseverhalten weichen das Saisondenken im Tourismus auf.

tgab

20.6.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Pandemie hat das Reiseverhalten verändert: Remote Work und Homeschooling liegen im Trend, die Menschen reisen zeitlich freier.
  • Und durch den Klimawandel verändern sich die Wetterverhältnisse in beliebten Urlaubsregionen.
  • Das Ergebnis: Die Reise-Nebensaison löst sich auf.

Wer in den Ferien Touristenmassen, teure Flug- und Hotelpreise und lange Schlangen vor Sehenswürdigkeiten vermeiden wollte, buchte in der Vergangenheit einfach in der Nebensaison – vorausgesetzt man hatte keine schulpflichtigen Kinder. Auch Schnäppchenjäger kamen ausserhalb der Schulferien und anderer offizieller Feiertage gern auf ihre Kosten.

Doch die Pandemie hat herkömmliches Reiseverhalten über Bord geworfen. In Zeiten von Internetzugang praktisch allerorten, von Remote Work, bei dem die Anwesenheit im Büro entfällt, und dem Trend zum Homeschooling hat es den Anschein, als reisten die Leute permanent.

Praktisch jeden Tag gibt es neue Schlagzeilen über die Bemühungen zur Bekämpfung des Overtourism, etwa neue Hotelverbote in Amsterdam, Fotoblockaden in Japan und Massenproteste auf den Kanarischen Inseln. Nach Angaben der Vereinten Nationen wird der weltweite Reiseverkehr im Jahr 2024 wieder das Niveau vor der Pandemie erreichen – und könnte noch weiter steigen.

Gibt es so etwas wie eine Nebensaison überhaupt noch?

«Das Reisen wird global betrachtet immer geschäftiger», sagt Olivier Ponti, Direktor bei ForwardKeys, einem Unternehmen für die Analyse von Reisedaten. Für Thailand zum Beispiel gebe es den Berechnungen nach keine Nebensaison mehr, sagt er dem US-amerikanischen Fernsehsender CNN.

Der Klimawandel-Effekt

Eine Umfrage der Europäischen Reisekommission aus dem Jahr 2023 ergab, dass europäische Reisende das Wetter als wichtigsten Faktor nannten, bei der Entscheidung, wo sie ihren Urlaub verbringen möchten. Viele Leute gingen davon aus, dass die Nebensaison die Zeit des Jahres ist, in der das Wetter vor Ort am schlechtesten ist, berichtet CNN. Aber der Klimawandel definiert neu, was das «schlechteste» Wetter sein könnte.

Hitzewellen in südeuropäischen Ländern wie Italien, Spanien und Griechenland sorgten im vergangenen Sommer für eine Tourismus-Krise. Und seit Anfang Juni 2024 sind in Griechenland bereits mindestens fünf Touristen wegen extremer Hitze ums Leben gekommen.

Im Jahr 2022, dem heissesten Sommer des Kontinents seit Beginn der Aufzeichnungen, gab es in Europa mehr als 62'000 hitzebedingte Todesfälle. Nach den verheerenden Schlagzeilen zeigten die Daten von ForwardKeys einen sofortigen Anstieg der Suchanfragen nach Sommerflügen zu nordeuropäischen Zielen wie Dänemark und Schweden.

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Aber auch aussereuropäische Reiseziele sind vom Klimawandel betroffen. So musste zum Beispiel Reiseveranstalter Intrepid Travel einige seiner beliebtesten Reisen aufgrund des Klimawandels absagen oder verschieben. In Nepal, sagt Kommunikationsleiter Mikey Sadowski, gebe es eine stärkere Monsunzeit. «Der Schnee schmilzt schneller, die Gletscher schmelzen schneller, das Wasser fliesst schneller und Routen, die wir früher normalerweise erreichen konnten, sind nicht mehr zugänglich. Wir müssen die Reise-Saison verkürzen, um die Monsunzeit zu vermeiden.»