Fund im Zagros-Gebirge Auch die Neandertaler waren Feinschmecker

toko

30.12.2022

Die Nachbildung eines älteren Neandertalers im Neanderthal-Museum in Mettmann (Deutschland).
Die Nachbildung eines älteren Neandertalers im Neanderthal-Museum in Mettmann (Deutschland).
Federico Gambarini/dpa (Archivbild)

Schon die Neandertaler bereiteten komplexe Rezepte zu. Darauf deutet ein Fund im Nordirak hin. Archäologen kochten das Gericht nach und fanden: Es schmeckt. Die Menschen heute würden aber wohl salzen.

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Kulturlos und primitiv – so ist der Homo sapiens neanderthalensis als Vertreter der Gattung Homo in der Vergangenheit beschrieben worden. Seitdem wurden zahlreiche Funde gemacht, die mitunter das Gegenteil nahelegen und das Image der Primitivlings zu bröckeln begann.

Die Neandertaler, die vor rund 40'000 Jahren endgültig ausstarben, betrieben nämlich Höhlenmalerei, stellten Werkzeuge her, begruben ihre Toten — und kochten.

Zuvor war bekannt, dass der Homo Sapiens nicht der erste kochende Mensch war, sondern wohl bereits der Homo Erectus vor rund 1,9 Millionen Jahren.

Wie ein Fund im Zagros-Gebirge durch ein Team der Universität Liverpool nun nahelegt , waren auch die Neandertaler nach ihnen offenbar Feinschmecker.

Ältestes Fladenbrot der Welt

Die Archäolog*innen wiesen somit das möglicherweise älteste Fladenbrot der Welt nach, zubereitet vor 70'000 Jahren und damit wohl auch das älteste komplexe Rezept der Welt. Darüber hinaus fanden sie weitere Belege dafür, dass Pflanzen in der Ernährung der Neandertaler eine grössere Rolle spielten als bisher angenonmen.

In den Höhlen von Shanidar fand das Team um die Archäobotanikerin Ceren Kabukcu von der Universität Liverpool wenige Krümel eines Gerichts, die durch günstige Umstände bis heute konserviert wurden und ausreichten, das Rezept zu analysieren.

Mitautor Eleni Asouti zufolge zeigen die Entdeckungen, dass «die modernen Kochtechniken eine viel tiefere und längere Vorgeschichte haben, die Tausende von Jahren vor dem Beginn der Landwirtschaft liegt.»

Nussiger Geschmack

Vermutlich aufgrund eines fortgeschrittenen Stadiums der Zersetzung konnten die exakten Pflanzenarten nicht mehr bestimmt werden. Die Forscher*innen zogen also im umliegenden Zagros-Gebirge umher, um Samen von Pflanzen zu sammeln, die ihrer Analyse der Reste am nächsten kamen. Anschliessend bereiteten sie das Gericht selbst zu.

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02.12.2022

Kabukcus Kollege Chris Hunt, der die Grabungen koordinierte, beschrieb es folgendermassen: «Es entstand eine Mischung aus einem Fladenbrot oder Pancakes, die wirklich sehr wohlschmeckend war, mit einem nussigen Geschmack.»

Die Forscher*innen fanden heraus, dass die Gruppe ihr Essen in mehreren Schritten zubereitete. Unter anderem weichten sie Körner in Wasser ein, mangels noch nicht erfundenen Schalen oder Töpfen wohl in Leder, welches entsprechend gefaltet wurde. 

Schlecht für die Zähne

Das Gericht bestand hauptsächlich aus verschiedenen Grassamen, die eingeweicht werden. Anschliessend wird die überschüssige Flüssigkeit abgegossen und das Gemisch, etwa mit einem Mörser, gemahlen. Schliesslich wird erneut Wasser hinzugefügt und der Brei zu einem Fladenbrot gebacken, etwa auf einem heissen Stein.

Wie Kabukcu schreibt, entfernte die Gruppe die Schalen der Körner nicht. Wohl ein Hinweis darauf, dass sie den bitteren Geschmack behalten wollten.

Als Würze kommen darüber hinaus etwa wilde Senfkörner infrage, nach heutigen Massstäben fehlt wohl in erster Linie Salz.

Die authentische Methode des Mahlens mit Steinen wird an dieser Stelle übrigens nicht empfohlen. Koordinator Chris Hunt zufolge hat das Team nach dem authentischen Nachkochen verstanden, warum die Zähne der Neandertaler in einem so schlechten Zustand waren. 

Die Blaue Grotte der Einhornhöhle, die als Schlüsselfundplatz für die Erforschung des Neandertalers im Norden gilt. Dort wurde ein verzierter Riesenhirsch-Knochen gefunden.
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Swen Pförtner/dpa/Archivbild