Corona-EinsatzIn der Krise kommt die Armee auch bei Kritikern besser an
Von Julia Käser
19.11.2020
Während der ersten Pandemie-Welle ist das Vertrauen in den Bundesrat gewachsen. Auch die Armee kommt gut weg, wie eine neue Studie zeigt – ein Militärsoziologe sagt, das liege am Assistenzdienst in der Krise.
Das Vertrauen der Bevölkerung in den Bundesrat ist durch die Corona-Krise gestiegen. Das geht aus dem neuen Sorgenbarometer der Credit Suisse hervor. Auch das Parlament und die staatliche Verwaltung schneiden gut ab. Nicht so die Armee: Trotz der grössten Mobilmachung seit dem Zweiten Weltkrieg konnte sie sich in der Krise nicht profilieren.
Dasselbe zeigt eine Befragung der Militärakademie der ETH Zürich, deren Resultate kürzlich publiziert wurden. Demnach geniesst der Bundesrat neu sogar mehr Vertrauen als die Gerichte und liegt damit hinter der Polizei auf dem zweiten Rang. Während auch dem Parlament und der Wirtschaft stärker vertraut wurde als noch im Januar, ist die Bewertung der Armee gleich geblieben wie vor der Pandemie.
Zur Studie
Die Militärakademie an der ETH Zürich führt zusammen mit dem Center for Security Studies (CSS) jährlich eine Sicherheitsstudie durch. Aufgrund der Coronapandemie hat die Militärakademie zwischen dem 6. und 25. Juli 2020 bei 1016 Schweizer Stimmbürger*innen eine Nachbefragung durchgeführt.
Was sich jedoch signifikant verändert hat, ist die Zufriedenheit mit der Armee. Diese hat sich infolge der Krise gesteigert – und zwar durchs Band, wie Militärsoziologe und Mitautor Tibor Szvircsev Tresch zu «blue News» sagt. «Die Zufriedenheit mit der Armee ist in allen Bevölkerungsschichten gewachsen und so gross wie noch nie. Auch politisch links stehende Personen zeigen sich mit der Armee zufriedener als sonst.»
Hohe Zufriedenheit dank Corona-Einsatz im Frühling
Die Zustimmung zu einer «sehr gut ausgebildeten» und einer «vollständig ausgerüsteten» Armee hat ebenfalls zugenommen. Laut Szvircsev Tresch hängt all das mit dem Assistenzeinsatz der Armee in der ersten Pandemiewelle zusammen.
Als die Kantone die Armee um Hilfe gerufen hätten, sei diese zur Stelle gewesen und habe verschiedene Aufgaben der Pandemiebekämpfung übernommen. «Das hat die Bevölkerung wahrgenommen und honoriert», so Szvircsev Tresch.
Wie der Experte erklärt, gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen Vertrauen und Zufriedenheit. «Vertrauen hat immer auch mit Legitimität zu tun. Wenn jemand die Abschaffung der Armee befürwortet, hat er automatisch wenig Vertrauen in die Institution.»
Wohlwollendes Desinteresse
Deshalb sei es für die Armee grundsätzlich schwieriger Vertrauen zu gewinnen als für eine Regierung oder die Wirtschaft. Zudem würden Fragen im Zusammenhang mit der Armee auch immer eine ideologische Ebene beinhalten. «Viele begegnen der Armee mit wohlwollendem Desinteresse. Wenn sie ihre Arbeit gut macht, sind die Leute zufrieden. Das Vertrauen wächst dadurch aber nicht», erklärt Szvircsev Tresch.
Anders als die Regierung beurteilten viele die Armee anhand von Kosten-Nutzen-Überlegungen. Das habe sich auch beim Abstimmungskampf zu den Kampfjets gezeigt, wo der finanzielle Aspekt immer wieder Thema war.
Zudem sei die Armee eine Dienstleistungsorganisation. «Die Bevölkerung zahlt ihren Beitrag an die Armee, deshalb wird auch erwartet, dass sie eine gewisse Leistung erbringt», sagt Szvircsev Tresch.
Führungsrolle der Regierung positiv wahrgenommen
Bei der Regierung sieht es anders aus. Hier muss man gemäss Szvircsev Tresch beachten, dass sowohl die Nachbefragung zur ETH-Studie als auch der Sorgenbarometer im Juli respektive August erhoben worden seien.
«Zu diesem Zeitpunkt gab es kaum noch Corona-Fälle. Man war der Ansicht, dass die Pandemie durch die Massnahmen des Bundesrats schnell in den Griff gekriegt werden konnte.» Die Führungsrolle der Regierung sei positiv wahrgenommen worden, so der Militärsoziologe.
Gut möglich, dass das Vertrauen in den Bundesrat angesichts der zweiten Welle und der hohen Fallzahlen nun wieder abgenommen habe. «Ich erwarte, dass das Vertrauen in die Regierung im Januar in etwa so gross sein wird wie vor der Pandemie.»
Die Diskrepanz aber, so Szvircsev Tresch, habe wahrscheinlich zugenommen. «Einige vertrauen dem Bundesrat aufgrund der Krise und der getroffenen Massnahmen stärker als zuvor. Bei anderen wird das Gegenteil der Fall sein, sie sind skeptischer geworden.»
Bevölkerung fühlt sich sicher – trotz Coronavirus
Dem allgemeinen Sicherheitsempfinden der Bevölkerung sowie dem Zukunftsoptimismus der Bevölkerung konnte die Pandemie schliesslich nichts anhaben. Laut der Nachbefragung verharrten diese Werte auf demselben Niveau wie vor der Krise.
Das subjektive Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum ist gar angestiegen: 87 Prozent der befragten Personen gaben an, sich im öffentlichen Raum «sehr» oder «eher» sicher zu fühlen. Gemäss den Studienautoren hängt das damit zusammen, dass die Fallzahlen in der Schweiz während der ersten Welle schnell reduziert werden konnten. «Die Schweizer Bevölkerung liess sich durch die erste Welle der Pandemie nicht verunsichern», so ihr Fazit.