Gelockerte SchweizWird das schöne Wochenende zum Corona-Stresstest?
Von Gil Bieler
23.4.2021
Schweizer Wetterflash
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Gelockerte Corona-Regeln und ein prächtiges Wochenende: Droht da eine Kombination aus Apéro, Unbekümmertheit und Ansteckungen? Gesundheitspolitiker appellieren an die Vorsicht der Bevölkerung.
Von Gil Bieler
23.04.2021, 18:05
23.04.2021, 18:11
Gil Bieler
Es ist die erste Woche mit neuen Freiheiten – und am Wochenende dürfte der Andrang auf die wiedereröffneten Sitzplätze der Cafés und Restaurants gross sei. Bei sonnigem Wetter und Temperaturen um die 20-Grad-Marke wollen die meisten einfach nach draussen.
Ob die Lockerungen zur Unzeit kommen, wird seit Tagen kontrovers diskutiert. In Kombination mit dem Prachtwetter ist es kein abwegiger Gedanke, dass die Achtsamkeit nachlassen könnte: Wer nimmt es nach dem zweiten Glas gespritztem Weissen mit dem Abstandhalten schon noch so genau?
Bei Gesundheitspolitikern und Polizei überwiegt dennoch die Zuversicht, wie eine Umfrage von «blue News» zeigt – wenngleich er nicht völlig entspannt auf das Wochenende blicken könne, wie Lukas Engelberger erklärt. «‹Entspannt› ist seit Februar 2020 ein Begriff, den ich sehr vorsichtig verwende», sagt der Basler Gesundheitsdirektor und Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) – «‹aufmerksam› trifft es wohl besser.»
Er habe aber den Eindruck, dass die Leute ein gutes Gespür dafür hätten, in welchem Mass sie von den Lockerungen Gebrauch machen könnten. «Der grosse Teil der Bevölkerung ist sehr diszipliniert und hat Massnahmen wie das Tragen von Masken oder das Abstandhalten ganz selbstverständlich in ihren Alltag verinnerlicht.»
Taskforce wurde nicht angehört
Mit ihrer Lockerungsstrategie hat die Schweiz einen anderen Weg gewählt als der Nachbar Deutschland. Dennoch befürchtet Engelberger nun keinen Ansturm von ennet der Grenze. «Es werden sicherlich der eine oder andere Besucher aus Deutschland in Basel anzutreffen sein, so wie dies in anderen Zeiten auch der Fall ist.»
Die wissenschaftliche Taskforce hätte von Öffnungsschritten in der jetzigen Situation abgeraten – wurde vom Bundesrat aber nicht angehört, wie ihr Präsident Martin Ackermann bei SRF sagte. «Aus wissenschaftlicher Sicht geht man mit diesen Öffnungen ein Risiko ein, nicht nur für die Gesundheit, sondern auch gesellschaftlich und wirtschaftlich», warnt der Forscher der ETH Zürich.
Der Grund: Die Öffnungen könnten zu mehr Mobilität und Kontakten führen, wodurch sich das Virus weiter ausbreiten könne. «Das ist eine Gefahr für das Gesundheitssystem. Aber es ist auch eine Gefahr, dass man wieder schliessen muss.»
«Wenn man die Leute Monat um Monat vertröstet, dann besteht das Risiko, dass die Regeln weniger gut befolgt werden», entgegnet Engelberger. «Wir öffnen vorsichtig und zeigen damit, dass wir der Bevölkerung vertrauen.» Er gibt zudem zu bedenken, dass einige Epidemiologen das Risiko von Ansteckungen im Freien als gering beurteilt hätten. «Dies würde sogar den Druck auf den öffentlichen Raum reduzieren.» Die Leute müssten mit den Lockerungen aber sehr vorsichtig umgehen.
«Der Bevölkerung eine Perspektive gegeben»
Ganz ähnlich sieht das Andreas Hauri, Vorsteher des Stadtzürcher Gesundheits- und Umweltdepartements: «Die Menschen möchten nach draussen und die Sonne und den Frühling geniessen. Das soll auch möglich sein, das tut allen gut.»
«Der Bundesrat hat der Bevölkerung eine Perspektive gegeben», sagt der GLP-Politiker. Er finde das richtig. Wichtig sei aber, «dass wir nun alle unsere Eigenverantwortung wahrnehmen und uns an die Schutzmassnahmen halten und vorsichtig sind». Und Hauri appelliert an die Bevölkerung: «Bitte testen Sie sich regelmässig.»
Optimistisch stimmen die beiden Politiker die Beobachtungen, die sie seit dem Öffnungsschritt vom Montag gemacht haben. Hauri: «Eine grosse Mehrheit hält sich an die Vorgaben, und auch die Geschäfte und Gastrobetriebe machen ihre Sache mehrheitlich sehr gut.»
GDK-Präsident Engelberger sagt, nun müsse man einige Wochen genau beobachten, welche Folgen die jüngsten Öffnungen hätten. «Die Entwicklung der Zahlen erfolgt mit einer gewissen Verzögerung und so werden wir erst im Laufe des Mais sehen, ob es Auswirkungen gibt.»
Umfrage
Kamen die Lockerungen zum richtigen Zeitpunkt?
Trotz Lockerungen: Bei den Polizeikorps wird man die Einhaltung der Corona-Massnahmen im Auge behalten. «Wie bei allen bisher erfolgten Öffnungsschritten braucht es erfahrungsgemäss eine gewisse Zeit, bis sich die Bevölkerung mit den neuen Massnahmen vertraut gemacht hat», sagt Lena Zurbuchen, Mediensprecherin der Kantonspolizei Bern.
Die Stadtpolizei Zürich erwartet, dass – wie schon an den vergangenen Wochenenden – erneut sehr viele Leute unterwegs sein werden. Und man stellt sich auf Diskussionen ein: «Generell stellen wir eine wachsende Corona-Müdigkeit fest», erklärt Mediensprecher Marc Surber. So müsse man etwa vermehrt auf die Einhaltung von Abstand und der 15-Personen-Regel hinweisen. «Von daher wird sich an diesem Wochenende für uns wohl nichts ändern.»
Dass die Vorgaben in der Gastronomie bisher gut eingehalten werden, beobachten alle angefragten Polizeikorps. Seit Montag habe die Stadtpolizei Zürich in 14 Gastrobetrieben Kontrollen durchgeführt, wobei es in fünf Fällen Mängel bei den Corona-Massnahmen zu beanstanden gab. «Das konnte aber über den Dialog geklärt werden», sagt Surber, «es kam zu keinen Verzeigungen.»
Die Kantonspolizei Thurgau sieht dem Wochenende «gelassen entgegen» und wird im gewohnten Rahmen patrouillieren. Gleich tönt es bei der Polizei Luzern, denn durch den jüngsten Öffnungsschritt hätten sich die Vorgaben für den öffentlichen Raum nicht wesentlich geändert. Man werde gleichwohl «präsent sein».
In einer besonderen Situation steckt die Kantonspolizei St. Gallen: In Jona wollten Massnahmen-Skeptiker am Samstag eigentlich eine Demonstration durchführen, die Stadt hat ihnen jedoch die Bewilligung verweigert. Gleichwohl erwartet die Polizei, dass sich Demonstranten in Rapperswil-Jona treffen. Die St. Galler Kapo kündigt bereits Personen- und Fahrzeugkontrollen an, und warnt: «Personen, die gegen die Vorschriften der Covid-Gesetzgebung verstossen, können gebüsst, verzeigt oder weggewiesen werden.»