AbstimmungDarum ist Palmöl der Zündstoff im Freihandelsvertrag
Von Gil Bieler
10.2.2021
Das Freihandelsabkommen mit Indonesien enthält eine strittige Zutat: Palmöl. Der Bund setzt auf Nachhaltigkeitskriterien, doch Kritikern sind diese zu schwammig. Die Abstimmungsvorlage vom 7. März im Überblick.
Warum stimmen wir überhaupt ab?
Die Schweiz hat zusammen mit den anderen Efta-Staaten – Norwegen, Island und Liechtenstein – 2018 ein Freihandelsabkommen mit Indonesien ausgehandelt. Das Parlament in Bern gab diesem in der Wintersession 2019 seinen Segen, doch ein Komitee rund um den Genfer Biobauer Willy Cretigny ergriff das Referendum dagegen. Dem Komitee gehören auch die Bauernorganisation Uniterre, mehrere NGOs und Parteien sowie die Klimastreik-Bewegung an.
Was steht im Abkommen?
Kern des Abkommens ist der Abbau von Handelszöllen. Die Schweiz sieht in Indonesien einen wichtigen Absatzmarkt: Mit 270 Millionen Einwohnern ist es das viertgrösste Land der Welt und zugleich die grösste Volkswirtschaft Südostasiens. Dank des Abkommens könnte die Schweizer Wirtschaft 98 Prozent ihrer Güter zollfrei nach Indonesien exportieren. Im Gegenzug kann auch Indonesien zollfrei in die Schweiz exportieren. Dies gilt aber nicht für landwirtschaftliche Erzeugnisse: Für diese sollen die Zölle lediglich gesenkt werden. Das hat seinen Grund.
Warum gibt es überhaupt Streit?
Wegen des Palmöls. Für dessen Anbau in Indonesien wird auch Regenwald gerodet, was Umweltschützer*innen schon seit Längerem kritisieren. Doch auch in der Schweizer Landwirtschaft wurden Befürchtungen laut, dass eine erleichterte Einfuhr von Palmöl der hiesigen Produktion von Raps- oder Sonnenblumenöl schaden könnte. Schliesslich ist Indonesien der grösste Palmöl-Produzent der Welt. Zwischen 2012 und 2019 importierte die Schweiz im Schnitt 32’000 Tonnen Palmöl aus dem Ausland, wovon 2,5 Prozent aus Indonesien stammten.
Ist Palmöl denn so wichtig?
Kann man sagen. Palmöl wird aus den Früchten der Ölpalme gewonnen und ist die Boom-Pflanze der vergangenen Jahrzehnte: Laut dem UNO-Umweltprogramm Unep war es in den 1960er-Jahren noch «praktisch nicht existent», Mitte der 2010er-Jahre dann bereits der viertgrösste Agrarrohstoff weltweit. Der grosse Vorteil: Palmöl ist sehr ertragreich, auf derselben Fläche kann also mehr Öl gewonnen werden als bei anderen Sorten. Mit Raps etwa braucht es laut WWF eine dreimal so grosse Fläche, um gleich viel Öl zu gewinnen. In der Schweiz begegnet uns Palmöl in Kosmetika, Waschmitteln, Seifen und Lebensmitteln.
Was sieht das Abkommen zu Palmöl vor?
Weil Palmöl ein umstrittenes Produkt ist, wird es im Freihandelsabkommen gesondert behandelt. Die Schweiz will ihre Zölle nur um 20 bis 40 Prozent senken, und dies auch nur für ein Kontingent von 10'000 Tonnen, das über fünf Jahre auf 12'500 Tonnen erhöht werden soll. Und: Die Zollerleichterungen gelten nur für Palmöl, wenn beim Anbau in Indonesien gewisse Nachhaltigkeitskriterien erfüllt werden. Das müssen die Produzenten mit Zertifikaten nachweisen.
Sind die Kritiker damit besänftigt?
Nein. Ihnen sind die Nachhaltigkeitskriterien zu wenig konkret, ausserdem glauben sie nicht, dass Indonesien sich ausreichend für einen nachhaltigen Palmöl-Anbau einsetzt. Kritisiert wird auch, dass im Abkommen griffige Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten fehlen. Juso-Präsidentin Ronja Jansen sagte dazu der SRF-«Tagesschau»: «Wenn Nachhaltigkeitskriterien nicht kontrolliert werden, dann bringen sie am Ende herzlich wenig.»
Vermisst werden ausserdem Garantien, dass kein Regenwald gerodet, keine hochgiftigen Pestizide eingesetzt und die Menschenrechte eingehalten werden. Zusätzlich bemängelt das Referendumskomitee, dass wegen Palmöl-Plantagen von Grosskonzernen indonesische Kleinbauern und indigene Gemeinschaften verdrängt würden.
Nicht zuletzt bedrohe die verbilligte Einfuhr von Palmöl die hiesige Produktion von Raps- und Sonnenblumenöl: «Während wir in Europa alle Pflanzenöle haben, die wir brauchen, zerstören wir Tausende von Hektar Primärwälder und vernichten die lokale Fauna wie die Orang-Utans», sagt der Biowinzer Willy Cretegny.
Die Befürworter betonen, dass das Abkommen mit Indonesien für die Schweizer Wirtschaft eine grosse Chance in einem wichtigen Wachstumsmarkt darstelle. Schweizer Unternehmen würden jährlich rund 25 Millionen Franken an Zöllen erspart. Und weil die EU derzeit ebenfalls über einen Freihandelsvertrag mit Indonesien verhandle, drohe der Schweiz ein Wettbewerbsnachteil, sollte das Referendum angenommen werden.
Beim Streitpunkt Palmöl verweist Bundespräsident Guy Parmelin, der dem eidgenössischen Wirtschaftsdepartement vorsteht, darauf, dass sich Indonesien erstmals überhaupt zu Nachhaltigkeitskriterien verpflichtet habe. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hält fest, Indonesien habe sich dazu verpflichtet, «die Gesetze zum Schutz von Urwäldern und anderen Ökosystemen effektiv umzusetzen, die Abholzung, die Entwässerung von Torfmooren, sowie Brandrodungen zu stoppen und die Rechte der indigenen Bevölkerung und der Arbeitnehmenden zu respektieren».
Den Befürchtungen um die hiesige Raps- und Sonnenblumenöl-Produktion hält der Bundesrat entgegen, dass Palmöl auch weiterhin zollpflichtig bleibe. Es gebe nur eine Verminderung der Zölle, und dies auch nur für ein bestimmtes Kontingent und unter Nachhaltigkeitskriterien.
Wer sagt Ja, wer sagt Nein?
Von den Parteien sagen SVP, FDP und Grünliberale Ja zum Freihandelsabkommen. Nein sagen Grüne und EVP. Noch keine Parole gefasst haben SP und Die Mitte. Der Bauernverband sagt Ja, die Wirtschaftsverbände Economiesuisse und Gewerbeverband ebenso. Bei den NGOs herrscht Uneinigkeit: Greenpeace und Pro Natura sagen Nein zum Abkommen, der WWF dagegen empfiehlt ein «zurückhaltendes Ja». Das globalisierungskritische Public Eye gibt keine Parole ab. Der Bundesrat empfiehlt ein Ja am 7. März.