Arbeitsrecht Wie heiss darf es im Büro sein?

tsch

30.5.2018

Ob in Zürich, Basel oder Bern: Die Schweiz schwitzt. Ein Recht auf Hitzefrei haben Arbeitnehmer nicht - wohl aber auf ein «angemessenes Raumklima». Und was heisst das im Klartext?

Spätestens, wenn die Plastikpflanze in der Büroecke zu schmelzen beginnt, sollte auch dem uneinsichtigsten Chef klar werden: Zum Arbeiten ist es hier zu heiss. «Ein ungünstiges Raumklima vermindert die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Jemand, der zu kalt oder zu warm hat, leistet weniger», stellt der Gesetzgeber in der Wegleitung zur Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz fest. «So ist zum Beispiel bei grosser Sommerhitze und Innentemperaturen um 30 Grad mit einer Leistungseinbusse von zehn Prozent oder mehr zu rechnen.» Doch ab wann gilt eine hohe Temperatur als «ungünstig»? Und welche Rechte hat der Arbeitnehmer in diesem Fall? Diese Regelungen sollten Sie kennen.

Wie viel Hitze muss man am Arbeitsplatz ertragen?

Eine allgemeingültige Regelung gibt es in dieser Frage nicht. Das Arbeitsgesetz verpflichtet Arbeitgeber lediglich dazu, «ausreichend natürlich oder künstlich zu lüften», «ein der Gesundheit nicht abträgliches und der Art der Arbeit angemessenes Raumklima» zu gewährleisten und «Arbeitnehmer vor übermässiger Sonneneinwirkung sowie vor übermässiger Wärmestrahlung, die durch Betriebseinrichtungen und Arbeitsvorgänge verursacht wird, zu schützen».

Allerdings spricht der Gesetzgeber in der entsprechenden Wegleitung eindeutige Temperaturempfehlungen aus. Wird eine schwere, körperliche Arbeit verrichet, liegt die Idealtemperatur im Arbeitsbereich bei 12 bis 17 Grad. Für Büroarbeiter, die vorwiegend im Sitzen und geistig arbeiten, ist eine Temperatur zwischen 21 und 23 Grad optimal. «Bei hohen Aussentemperaturen sind die empfohlenen Lufttemperaturen nach oben anzupassen (bis maximal 28 Grad)», heisst es weiter. Sobald das Thermometer im Büro also über 28 Grad anzeigt, muss der Arbeitgeber Massnahmen zum Schutz seiner Arbeiter ergreifen - bei schwerer körperlicher Arbeit entsprechend früher.

Wie haben diese Massnahmen auszusehen?

Am deutlichsten ist in der Wegleitung zur Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz  der Sonnenschutz für Arbeitnehmer geregelt: Wer im Freien arbeitet, muss vom Arbeitgeber ausserdem Beschattung, Sonnenschutzkleidung oder zumindest Sonnencreme gestellt bekommen. Doch auch Büroarbeiter müssen nicht im Backofen sitzen. «Einer unerwünschten Sonneneinstrahlung durch Fenster, Oberlichter etc. muss vorgebeugt werden», sagt der Gesetzgeber, und schlägt vor, etwa durch Beschattungselemente in der Fassade, Sonnenstoren, reflektierende Folien oder Sonnenschutzgläser Abhilfe zu schaffen.

Entsteht die Hitze am Arbeitsplatz nicht durch Sonneneinstrahlung, sondern beispielsweise durch Maschinen, sind diese  «grundsätzlich auf das Notwendigste zu beschränken». Ausserdem seien entsprechende Arbeitsschutzmassnahmen zu treffen. Neben baulichen Lösungen wie ein Kühlsystem sind dabei auch organisatorische Massnahmen vorgesehen, etwa die «Reduzierung der Muskelarbeit auf das unbedingt notwendige Mass». Zudem schlägt der Gesetzgeber Kühlungspausen von mindestens 10 Minuten pro Stunde vor und setzt fest, dass «der Flüssigkeitsverlust der Arbeitnehmer durch geeignete Getränke zeit- und mengengerecht auszugleichen». Frisches Wasser sollte übrigens auch Büroarbeitern immer zu Verfügung stehen.

Wer im Freien arbeitet, muss vom Arbeitgeber entsprechend vor der Sonneneinstrahlung geschützt werden. 
Wer im Freien arbeitet, muss vom Arbeitgeber entsprechend vor der Sonneneinstrahlung geschützt werden. 
Keystone

Der Kampf um die Klimaanlage

Wer in einem klimatisierten Büro arbeitet, hat es da natürlich einfacher. Doch auch dafür gibt es gesetzliche Empfehlungen: «Im Sommer sollte ein zu grosser Wärmeunterschied zwischen draussen und drinnen vermieden werden. Deshalb wird empfohlen, die Zulufttemperatur von Klimaanlagen nicht mehr als etwa 4 bis 8 Grad Celsius unterhalb der Aussenlufttemperatur zu regeln. Beispielsweise sollten bei einer Aussenlufttemperatur von 34 Grad die Innenräume nicht unter 26 Grad gekühlt werden.» Schliesslich belastet auch der Gang vom kalten Büro ins backofenwarme Freie den Kreislauf.

Müssen Kleidervorschriften auch bei grosser Hitze eingehalten werden?

Wenn es um Sicherheitskleidung geht - unbedingt! Ansonsten zählt eine Lockerung der Kleiderordnung in Firmen tatsächlich zu den Massnahmen, die das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) empfiehlt. Doch: «Ein Arbeitgeber darf vorschreiben, wie die Angestellten zur Arbeit zu erscheinen haben», weiss SRF-Rechtsexpertin Gabriela Baumgartner. «Bei tagelangen Hitzeperioden muss er aber Tenue-Erleichterungen erlauben, auch wenn sonst im Betrieb ‹Business Look› vorgeschrieben ist.»

Ein Recht auf Flip-Flops und kurze Hosen wird dem Arbeitnehmer damit aber nicht eingeräumt: «Frauen können Röcke tragen, die etwa bis zum Knie reichen, und hinten offene Schuhe. Männer sollten lange Hosen und geschlossene Schuhe tragen», erklärt Büro-Knigge-Expertin Susanne Abplanalp und empfiehlt im «Migros-Magazin»: «Die Kleidung sollte luftig und leicht sein, die Stoffe aus natürlichen Materialien wie Viskose oder Baumwolle. Wer im Sommer Jeans anzieht, ist selber schuld.»

Was, wenn der Chef seine Pflichten nicht erfüllt?

Empfinden Arbeitnehmer die Hitzeschutz-Massnahmen, die der Arbeitgeber getroffen hat, als unzureichend, können sie sich an das kantonale Arbeitsinspektorat wenden.

Was kann ich selbst gegen die Hitze am Arbeitsplatz tun?

Generell sollte man bei grosser Hitze zwischen zwei bis drei Liter am Tag trinken, ob nun am Wochenende oder an einem Arbeitstag. Statt grosser, schwere Mahlzeiten sind kleinere leichte mit etwas höherem Salzanteil vorzuziehen. Ausserdem empfiehlt es sich, in den jeweiligen Pausen gezielt Schatten oder kühle Räume aufzusuchen - und dort vielleicht ein erfrischendes Fussbad zu nehmen.

Bilder aus der Schweiz
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