Schneearme Winter häufen sich Ob Skigebiete überleben, hängt nicht nur von ihrer Lage ab

Von Gil Bieler

7.1.2023

Vier von zehn Skigebieten in der Schweiz mussten den Betrieb einstellen – und es dürften weitere folgen. Welchen Einfluss haben Klima, Schneekanonen und Finanzstärke auf die Überlebenschancen?

Von Gil Bieler

«Es war ein mega brutaler Lift», sagt Paulina Bühler. Sie und ihre Gspänli musste sich immer sehr gut festhalten, um es nach oben zu schaffen. Aber das lohnte sich: «Wenn man am Trogner Skilift fahren konnte, konnte man an jedem Lift fahren.»

Heute ist der Skilift in Trogen AR nur noch eine Erinnerung, schon 2018 kam das Aus. Er ist einer von sechs stillgelegten Skiliften, die im Alpinen Museum der Schweiz in Bern vorgestellt werden. Zeitzeug*innen wie Paulina Bühler teilen ihre Erinnerungen an den Pistenplausch im einstigen Lieblingsgebiet. Das Ziel der Ausstellung: Aufzeigen, wie sich die Zeiten für Skigebiete in der Schweiz wandeln.

Dieser Wandel ist unübersehbar: Vier von zehn Skigebieten und Talliften in der Schweiz mussten ihren Betrieb bereits einstellen. Konkret fiel ihre Zahl von einst 545 auf zuletzt 314. Das zeigt eine Auswertung eines Forscherteams der Technischen Universität Dortmund, die den hiesigen Wintersport unter die Lupe genommen hat.

Alte Lifte, keine Schneekanonen? Dann wird es knapp

Dass Skilifte dichtmachen, liegt auch am Klimawandel – aber nicht nur, wie Studienleiter Christoph Schuck kürzlich im Gespräch mit SRF erklärte. «Es gibt übergeordnete, aber auch Skigebiets-spezifische Gründe», sagte der Wissenschaftler. Der Klimawandel sei als übergeordneter Grund besonders entscheidend für das Skigebiets-Sterben. Als zweites grundlegendes Problem für die Branche nennt er ein schwindendes Interesse am Skifahren und Snowboarden. 

Hinzu kämen die spezifischen Probleme der einzelnen Skigebiete. Eine Auffälligkeit: Vor allem kleine Gebiete mussten den Betrieb einstellen. Ausserdem Gebiete ohne die Möglichkeit, künstlich zu beschneien. Und: Auch veraltete Liftanlagen gaben oftmals den Todesstoss.

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Das zeigt: Fehlen die finanziellen Mittel für moderne Anlagen und Schneekanonen, fehle auch die Überlebensgarantie. Das hänge nicht zuletzt mit der Erwartungshaltung der Kundschaft zusammen, sagt Schuck: Man verlange heute Schneegarantie von Anfang bis Ende Saison. «Wenn das nicht gegeben ist, dann bucht man keinen Winterurlaub mehr, weil man Gefahr läuft, dass irgendwann die Wiesen grün sind.»

So wie derzeit in Adelboden. Die Bilder aus dem Berner Oberland lassen viele Skifans um die Zukunft ihres Lieblingssports bangen. Ein weisser Kunstschneestreifen, mitten in der grünen Wiese – sieht so die Zukunft des Skifahrens aus?

Christoph Marty, Forscher am WSL – Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos, sagt auf Anfrage von blue News: «Die Wahrscheinlichkeit, dass wir solche Bilder wie jetzt in Adelboden häufiger sehen, nimmt zu.»

Marty blickt für seine Einschätzung bis auf die Sechzigerjahre zurück: Ein Frühwinter wie jetzt, in dem schweizweit kaum Schnee liegt, gab es so gut wie nie. Die einzige Ausnahme bildete der Winter 1989/90.

Doch in den letzten zehn Jahren änderte sich das Bild: Nach dem Januar 2016 und dem Januar 2017 ist es nun bereits der dritte extrem schneearme Frühwinter. «Es gibt jedoch ein grosses Aber: Damals kam der Schnee mit dem Dreikönigstag. Der diesjährige Winter ist also sogar noch schlechter, was die Schneesituation angeht.»

Daraus schliesst der Forscher: «Schneearme Frühwinter gab es immer schon, lokal sowieso. Schweizweit war das bisher aber eine extreme Ausnahme – doch das beginnt sich mit dem Klimawandel zu ändern.» Daraus dürfe man nicht ableiten, dass es im nächsten Jahr genau gleich kommen müsse, aber die Wahrscheinlichkeit sei stark gestiegen.

Die Schneefallgrenze kletterte von Zürich nach Einsiedeln

Der Klimawandel verschiebt auch die Nullgradgrenze – nach oben. Die Frage sei einzig, um wie viel Grad sich die Lufttemperatur erwärme, sagt Marty. Das sei auch für die Schneefallgrenze entscheidend.

Vor 60 Jahren lag die Schneefallgrenze im Durchschnitt noch zwischen 400 und 500 Metern, also auf der Höhe von Zürich. Heute liege sie ungefähr auf der Höhe von Einsiedeln, also auf 900 Meter. Bis Ende des Jahrhunderts dürfte die Schneefallgrenze gegen 1500 Meter ansteigen – «wie viel darüber oder darunter, hängt davon ab, wie unsere Gesellschaft den Klimawandel bekämpft.»

Die durchschnittliche Nullgradgrenze dürfte noch um einiges klettern.
Die durchschnittliche Nullgradgrenze dürfte noch um einiges klettern.
Grafik: MeteoSchweiz

Die steigende Nullgrad- und Schneefallgrenze haben auch einen Einfluss auf die künstliche Beschneiung: Denn bei zu hohen Temperaturen kann kein Kunstschnee hergestellt werden. «Die Folgen kann man sich ausrechnen», sagt Marty. So werde es auch künftig auf 800 Metern über Meer Tage geben, an denen es kalt genug für die Schneekanonen sei. «Doch die kalten Zeitperioden werden immer kürzer. Es bleibt also weniger Zeit, um die nötige Menge an Kunstschnee zu produzieren. Sonst wird es schwierig, eine Kunstschneepiste hinzubekommen.»

Wer wird überleben?

Aus diesen klimatischen Entwicklungen abzuleiten, welche Höhenlage ein Überleben sichere, wäre aber nicht seriös, findet der Forscher. «Viel wichtiger sind die lokalen Gegebenheiten», sagt Marty.

So könne etwa ein grosses Skigebiet wie Flims-Laax eine Talabfahrt bis auf 1100 Meter über Meer garantieren – Splügen auf 1400 Meter über Meer könne das nicht. «Es gibt zwar geografische Faktoren, wie zum Beispiel die Sonneneinwirkung. Aber viel wichtiger sind die finanziellen Ressourcen.»

Und hier schliesst sich der Kreis: Denn auch beim Skilift Trogen war es am Ende nicht der fehlende Schnee, der den Ausschlag für das Aus gab. Sondern Gründe betrieblicher Natur.

Hinweis: Die Ausstellung «Après-Lift. Skiberge im Wandel» im Alpinen Museum der Schweiz, Bern, dauert noch bis zum 28. Mai.

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