Angebliche Vergewaltigung in BaselWelche Chancen das neue Sexualstrafrecht bietet
Von Alex Rudolf
6.5.2022
Der 20-Jährige, dem vorgeworfen wurde, eine Baslerin vergewaltigt zu haben, wurde freigesprochen. In einigen Wochen diskutiert der Ständerat über das neue Sexualstrafrecht. Wäre der Mann auch dabei glimpflich davongekommen?
Von Alex Rudolf
06.05.2022, 18:10
Alex Rudolf
Im Nachgang zu einer Halloween-Party im Oktober vergangenen Jahres passierte es. Ein 20-Jähriger soll unweit des Baslers Nachtklubs Balz eine Frau, die er zuvor auf der Tanzfläche kennengelernt hatte, vergewaltigt haben. Die Frau erstattete noch in derselben Nacht Anzeige.
Am Freitag wurde der Mann nun freigesprochen. Wie der «Blick» schreibt, wurde er aus seinem vorzeitigen Strafvollzug entlassen und erhält eine Entschädigung von 36'400 Franken.
Laut Gericht würden die vorhandenen Beweise den Schluss nicht zulassen, dass das, was in der Unterführung geschah, nicht einvernehmlich gewesen sei. So habe es einige widersprüchliche Schilderungen zur Entkleidung, der genauen Position und hinsichtlich der Verletzungen gegeben.
Aufgrund dieser Widersprüche sei es zu einem Freispruch gekommen – im Zweifel für den Angeklagten. Dass irgendetwas gelaufen sei, stehe dennoch ausser Frage, stellte die Richterin fest. So wurden an der Kleidung des Opfers Spermaspuren des jungen Mannes gefunden. Die Frau sei hinsichtlich ihrer Gefühle nicht unglaubwürdig, sagte die Richterin weiter, aber ihre Aussagen seien nicht verwertbar gewesen, da sie sehr verstört gewirkt habe.
«Auch künftig gilt der Grundsatz in dubio pro reo. Der Beschuldigte muss im Zweifelsfall freigesprochen werden.»
Beat Gerber
Mediensprecher Amnesty Schweiz
Dieses Urteil fiel nur wenige Wochen, bevor sich der Ständerat in Bern mit dem neuen Sexualstrafrecht befasst. Die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung sieht vor, dass Geschlechtsverkehr ohne Zustimmung als Vergewaltigung bestraft wird. Die Rechtskommission des Ständerates und der Bundesrat bevorzugen aber die «Nein heisst Nein»-Lösung. Hier geht man davon aus, dass sexuelle Handlungen grundsätzlich im gegenseitigen Einvernehmen geschehen. Ist dies nicht der Fall, muss eine betroffene Person dies zum Ausdruck bringen.
In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts gfs.bern zeigte sich Mitte April, dass sich die Mehrheit der Schweizer*innen aber eher für die «Ja heisst Ja»-Lösung aussprechen.
Welche Auswirkungen hätte die Änderung des Sexualstrafrechts auf Fälle, wie jener von Basel, wo Aussage gegen Aussage steht? Beat Gerber, Mediensprecher von Amnesty Schweiz, sagt auf Anfrage von blue News: «Vergewaltigungen sind häufig ein Vier-Augen-Delikt, die Beweisführung wird auch in Zukunft schwierig bleiben.»
Daher müssten Richter*innen auch künftig abwägen, ob sie den Aussagen des Opfers oder des Täters mehr Glauben schenken, welche stringenter sind. «Auch künftig gilt der Grundsatz in dubio pro reo. Der Beschuldigte muss im Zweifelsfall freigesprochen werden.»
Was würde die neue Gesetzgebung konkret ändern? «Schildert ein mutmassliches Opfer den Tathergang stringent und macht glaubhaft, dass es kein Einverständnis zum Geschlechtsverkehr gegeben hat, könnten Gerichte künftig einen Täter der Vergewaltigung schuldig sprechen, wenn dieser keine Gewalt oder Zwang auf das Opfer ausgeübt, sich aber bewusst über die fehlende Zustimmung hinweggesetzt hat», so Gerber. Für die Opfer von sexualisierter Gewalt sei dies eine grosse Chance.