Corona-Überblick Kantone gehen gegen Ärzte vor und die Swiss will Einreiseverbote umfliegen

Agenturen/tafi

27.9.2020

In Frankreich fordern Mediziner «drastische Massnahmen», in Alters- und Pflegeheimen bleiben immer mehr Plätze frei, und in Madrid spitzt sich der Lockdown-Konflikt zwischen Regional- und Zentralregierung zu. Das sind die wichtigsten Ereignisse des Tages im Corona-Überblick.

Die Lufthansa und ihre Tochtergesellschaft Swiss wollen mit Corona-Schnelltests wieder öfter abheben. Ab Oktober sollen Covid-19-Tests vor dem Abflug angeboten werden, damit bei negativem Ergebnis allfällige Quarantänevorgaben für die Reisenden gelockert werden können.

Neben der Luftfahrtbranche sind auch die Alters- und Pflegeheime stark von der Pandemie betroffen. Immer mehr Plätze in den Häusern blieben leer, weil ältere Menschen angesichts der derzeitigen Lage ihren Eintritt aufschieben.

Derweil machen äussern sich Ärzte kritisch zu den Coronamassnahmen der Behörden und unterlaufen sie teilweise, indem sie etwa Dispensationen vom Maskentragen ausgestellt haben, ohne dass medizinische Gründe vorlagen. Vier Kantone haben deshalb erste Aufsichtsverfahren eingeleitet.

Die französischen Berufskollegen fordern hingegen «drastische Massnahmen», um der zweiten Welle Herr zu werden. In einem offenen Brief fordern sie die strikte Durchsetzung der Coronaregeln.

Gute Nachrichten gibt es vom anderen Ende der Welt: Der australische Bundesstaat Victoria mit der Hauptstadt Melbourne lockert nach zwei Monaten den strengen Lockdown.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Lufthansa führt ab Oktober Schnelltests auf das Coronavirus ein. Auch bei der Tochtergesellschaft Swiss hofft man, mit der Massnahme wieder mehr internationale Flüge anbieten zu können.
  • Französische Mediziner fordern «drastische Massnahmen», damit die zweite Welle nicht zur Katastrophe für das Gesundheitssystem wird. 
  • Immer mehr Ärzte äussern sich kritisch zu den Coronamassnahmen der Behörden: Vier Kantone haben deshalb Aufsichtsverfahren eingeleitet.
  • Wegen des Coronavirus bleiben immer Plätze in Alters- und Pflegeheimen leer. Die Branche kämpft mit sinkender Nachfrage.
  • In Madrid werden Ausgangsbeschränkungen verschärft.

18 Uhr: Wir beenden den heutigen Corona-Ticker.

17.30 Uhr: Deutscher Politiker fordert kostenlose Grippe-Impfung für alle

Das Coronavirus und die Grippe könnten eine gefährliche Kombination sein. Der deutsche Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach will, dass sich jeder kostenlos gegen Grippe impfen lassen kann.

«Wir wissen schon lange, Corona und Grippe sind [eine] gefährliche Mixtur», erklärte der Bundestagsabgeordnete am Sonntag auf Twitter. In der «Welt am Sonntag» sprach er von einer «sehr sinnvollen Massnahme mit geringen Kosten».

Wegen der Pandemie raten Ärzte in diesem Jahr besonders eindringlich zur Grippeimpfung – einerseits, weil sie schwere Doppelerkrankungen mit Covid-19 und Grippe fürchten, aber auch um eine Überforderung des Gesundheitssystems zu vermeiden.

Lauterbach erklärte: «Grippeschutzimpfung wäre für alle sinnvoll. (...) Sie ist medizinisch notwendig und wirtschaftlich, sollte daher komplett erstattet werden», schrieb Lauterbach auf Twitter. Dass der Impfstoff knapp werden könnte, fürchtet Lauterbach nicht.

16.54 Uhr: Proteste gegen Corona-Auflagen in Madrid

In Madrid haben am Sonntag hunderte Demonstranten gegen die Corona-Auflagen demonstriert, die über Teile der spanischen Hauptstadtregion verhängt wurden. Die Demonstranten versammelten sich vor dem Regionalparlament im südlichen Stadtbezirk Vallecas und forderten den Rücktritt der konservativen Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso. «Das sind keine Beschränkungen – das ist Aussonderung», skandierten die Demonstranten. «Den Reichen erlegen sie keine Beschränkungen auf» stand auf einem Spruchband.

In einer höchst umstrittenen Entscheidung hatte die Regionalregierung am 21. September strikte Corona-Auflagen für die rund 850'000 Bewohner von ärmeren Stadtvierteln vor allem im Süden der Hauptstadtregion verhängt. Von Montag an gelten die Auflagen für weitere 167'000 Einwohner, so dass mehr als eine Million Menschen betroffen sind.

Regionalpräsidentin Díaz Ayuso zog den Zorn der Betroffenen auf sich, weil sie deren Lebensweise für die schnelle Ausbreitung des Coronavirus in ihren Bezirken verantwortlich machte. In den abgeriegelten Vierteln wurden zuletzt täglich mehr als tausend Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner gezählt.

15.55 Uhr: 30 Corona-Fälle bei polnischem Club – auch Nationaltrainer infiziert

Beim polnischen Fussball-Erstligisten Pogon Szczecin (Stettin) sind 30 Spieler und Betreuer positiv auf das Coronavirus getestet worden. Das teilte der Ekstraklasa-Club am Sonntag mit. Unter den Betroffenen seien 21 Profis sowie zwei Mitglieder des Trainerstabes. Sie befänden sich in häuslicher Quarantäne. Die Tests waren vorgenommen worden, nachdem mehrere Spieler grippeähnliche Symptome gezeigt hatten.

Auch Polens Fussball-Nationaltrainer Jerzy Brzeczek hat sich mit dem Coronavirus angesteckt. Er befinde sich ebenfalls in Quarantäne, teilte der Fussballverband PZPN am Samstagabend mit. Für die polnische Auswahl steht als nächstes am 7. Oktober in Danzig (Gdansk) ein Freundschaftsspiel gegen Finnland auf dem Programm, am 11. Oktober trifft sie dort in der Nations League dann auf Italien.

14.55 Uhr: Corona-Lockerungen in Australien – Victorias Ausgangssperre aufgehoben

Der strenge Corona-Lockdown in Australiens Bundesstaat Victoria und dessen Hauptstadt Melbourne wird gelockert. Die seit fast zwei Monaten geltende nächtliche Ausgangssperre werde am Montag aufgehoben, teilte Victorias Premierminister Daniel Andrews am Sonntag mit. Zugleich kündigte er neue hohe Geldbussen für Verstösse gegen die Corona-Regeln in dem am stärksten von der Pandemie getroffenen Bundesstaat an.

Unerlaubte Menschenansammlungen im Freien oder in geschlossenen Räumen sollen künftig mit umgerechnet rund 3000 Franken bestraft werden. Eindringlich warnte Andrews davor, im Kampf gegen das Virus leichtsinnig zu werden. «Es wird mit Wucht zurückkommen. Wenn wir nachlässig werden und so tun, als sei es vorbei, wird es aus dem Ruder laufen.»

Zwar können nun 130'000 Menschen zurück an ihre Arbeitsplätze. Für sportliche Aktivitäten dürfen die Einwohner sich aber weiterhin nur zwei Stunden am Tag und im Umkreis von fünf Kilometern zu ihrer Wohnung bewegen. Eine Rückkehr zur völligen Bewegungsfreiheit sei frühestens am 19. Oktober denkbar.

14 Uhr: Frankreichs Mediziner fordern «drastische Massnahmen» gegen Corona

Medizinerinnen und Mediziner fordern angesichts der angespannten Corona-Lage in Frankreich «drastische Massnahmen». Ohne diese Massnahmen würde es Frankreich mit einer zweiten Welle zu tun bekommen, die für Krankenhäuser und Intensivstationen viel schwieriger zu bewältigen sein werde als die erste, hiess es in einem offenen Brief von sieben Medizinern, der am Sonntag im «Journal du Dimanche» veröffentlicht wurde.

Spanien, Israel, Grossbritannien und Italien setzten bereits seit fast zwei Wochen Massnahmen um – in einigen Ländern gebe es gar Ausgangsbeschränkungen, so die Autorinnen und Autoren. «Die Gesundheitssituation in Frankreich unterscheidet sich nicht von der in diesen Ländern.» Die Experten fordern, dass Masken immer getragen werden – nur Menschen, die in einem Haushalt leben, könnten darauf verzichten.

«Unternehmen und Bildungseinrichtungen sollten nicht geschlossen werden, aber Abstandsregeln sollten strikt durchgesetzt werden.» Auch in Restaurants müsse die Maske getragen werden – ausser beim Essen. «Wenn diese Massnahmen ab diesem Wochenende angewandt und zwei bis drei Wochen lang aufrechterhalten werden, könnten sie das Niveau der Epidemie wieder auf das Niveau vom vergangenen Juni bringen.»

Ohne «drastische Massnahmen» würde es Frankreich mit einer zweiten Welle zu tun bekommen, die für Krankenhäuser und Intensivstationen zur Katastrophe wird, warnen Mediziner in einem offenen Brief.
Ohne «drastische Massnahmen» würde es Frankreich mit einer zweiten Welle zu tun bekommen, die für Krankenhäuser und Intensivstationen zur Katastrophe wird, warnen Mediziner in einem offenen Brief.
KEYSTONE/EPA/IAN LANGSDO

13.05 Uhr: Boris Johnson mahnt gemeinsamen Kampf gegen Corona an

12.20 Uhr: Swiss will Einreiseverbote mit Schnelltests umfliegen

Die deutsche Airline Lufthansa, zu der auch die Swiss gehört, führt ab Oktober Schnelltests auf das Coronavirus ein. Der Pharmakonzern Roche bietet solche Schnelltests an. «Der Test liefert innert 15 Minuten ein Resultat und kann mit hoher Verlässlichkeit derzeit mit Covid-19 infizierte Menschen erkennen», erklärt ein Roche-Sprecher in der «NZZ am Sonntag».

Die Lufthansa bereitet ein Pilotprojekt mit den Schnelltests vor. Dessen Ergebnisse sollen auch bei der Swiss Anwendung finden.  Verbindliche negative Covid-19-Tests vor dem Abflug könnten einen Baustein darstellen, um bilaterale Ausnahmen zum Einreiseverbot zu ermöglichen.

Auch der Flughafen Zürich prüft, wie Corona-Schnelltests in den Betrieb integriert werden könnten. Ob die Vorschriften für die Quarantäne für getestete Reisende gelockert werden können, entscheidet das Bundesamt für Gesundheit.

Die Swiss will bald wieder häufiger abheben: Mit Schnelltests sollen bilaterale Ausnahmen zu Einreiseverboten möglich werden.
Die Swiss will bald wieder häufiger abheben: Mit Schnelltests sollen bilaterale Ausnahmen zu Einreiseverboten möglich werden.
KEYSTONE/Christian Merz

11.50 Uhr: Zentralregierung könnte wegen Corona in Madrid durchgreifen

Angesichts der drastisch steigenden Zahl der Corona-Infektionen im Grossraum Madrid prüft die spanische Regierung Medienberichten zufolge, die Hauptstadt auch gegen den Willen der Regionalregierung weitgehend abzuriegeln. Dies werde dann unvermeidlich, wenn die Regionalregierung nicht einlenke und die Massnahme selbst ergreife, berichteten die Zeitung «El País» und der Fernsehsender RTVE am Samstagabend unter Berufung auf Regierungskreise. Das würden die Gesetze für den Fall einer akuten Gesundheitskrise erlauben.

Ein Durchgreifen der linken Zentralregierung gegen die konservative Regionalregierung könnte allerdings den ohnehin sehr aggressiven Dauerstreit zwischen beiden Lagern noch einmal erheblich verschärfen. Eine offizielle Bestätigung der Pläne gab es zunächst nicht.

Die konservative Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso weigert sich bisher wegen der Folgen für die Wirtschaft, die Stadt weitgehend abzuriegeln. Am Freitag hatte sie deshalb entgegen des dringenden Rates der linken Zentralregierung nur acht weitere Gebiete der Stadt mit besonders hohen Corona-Werten unter eine Teilabriegelung gestellt. Bereits seit Montag galt diese Anordnung für 37 Gebiete. Gesundheitsexperten kritisieren diese bisher ergriffenen Massnahmen als unzureichend und unwirksam.

11 Uhr: Bosch tritt mit schnellem Corona-Test gegen die Konkurrenz an

Der Technologiekonzern Bosch drückt mit einem neuen Corona-Schnelltest aufs Tempo. Das Ergebnis bei dem PCR-Test von Bosch soll bereits nach 39 Minuten feststehen. Damit tritt Bosch gegen die schnelleren Antigen-Tests an.

Normalerweise brauchen PCR-Tests mehrere Stunden bis zu einem Resultat. Antigen-Tests gehen schneller, sind aber nicht so treffsicher wie PCR-Tests. Der gemeinsam mit dem Biotech-Unternehmen R-Biopharm entwickelte Test von Bosch sei nicht nur der schnellste seiner Art, sondern habe auch eine Treffgenauigkeit von 98 Prozent, teilte Bosch Ende letzter Woche mit.

Das erste Testprodukt von Bosch, das Ende März auf den Markt kam, lieferte nach zweieinhalb Stunden ein Ergebnis. Dabei handelte es sich aber um einen Test, der die Proben auf das Coronavirus und auf neun weitere Atemwegserkrankungen untersuchte.

Vor allem für Reisende und in Pflegereinrichtungen sollen schnellere Tests für Entlastung sorgen. Fluggesellschaften wie die Lufthansa und Flughafenbetreiber setzen grosse Hoffnungen in Schnelltests, um das brach liegende Reisegeschäft anzukurbeln.

10.20 Uhr: Das sind die am stärksten betroffenen Länder der Coronapandemie

9.30 Uhr: Weil sie Corona-Massnahmen unterlaufen – vier Kantone gehen gegen Ärzte vor

In der Schweiz haben vier Kantone Aufsichtsverfahren gegen Ärzte eingeleitet, die sich gegen die Corona-Massnahmen von Bund und Kantonen stellen und diese zumindest teilweise unterlaufen. Das schreibt die «NZZ am Sonntag». Bei den betroffenen Kantonen handle es sich um Luzern, St. Gallen, Graubünden und Aargau.

Den Ärzten wird unter anderem vorgeworfen, Dritten eine Dispensation vom Maskentragen ausgestellt zu haben, obwohl dafür keine medizinischen Gründe vorgelegen hätten. Auch andere Verfehlungen stehen im Raum.

Weil die Zahl von Ärztinnen und Ärzten zunimmt, die sich kritisch äussern, hat der Branchenverband FMH in einem Schreiben an seine 42'000 Mitglieder verlauten lassen, er stehe vollumfänglich hinter den Corona-Schutzmassnahmen von Bund und Kantonen.

Immer mehr Ärzte äussern sich kritisch zu den Coronamassnahmen der Behörden: Vier Kantone haben deshalb Aufsichtsverfahren eingeleitet. (Symbolbild)
Immer mehr Ärzte äussern sich kritisch zu den Coronamassnahmen der Behörden: Vier Kantone haben deshalb Aufsichtsverfahren eingeleitet. (Symbolbild)
Keystone/BELGA/Thierry Roge

9.10 Uhr: Viele Plätze in Alters- und Pflegeheimen bleiben frei

Das Coronavirus hat die Nachfrage nach Plätzen in Alters- und Pflegeheimen gedämpft. Keinen Bereich der Gesellschaft habe die erste Infektionswelle mit dem Virus härter getroffen, schreibt der «SonntagsBlick». Wer nicht zwingend in ein Alters- oder Pflegeheim wechseln müsse, tue dies derzeit nicht.

Viele bereits angemeldete Seniorinnen und Senioren seien aufgrund der Coronakrise nicht eingetreten oder hätten den Eintritt verschoben. Das wirke sich auf die Belegung der Heime aus, die im ersten Halbjahr 2020 landesweit um drei Prozent gesunken sei, wie eine Umfrage bei 400 Heimen zeige. Die Branche denke über Alternativen wie betreutes Wohnen oder individuelle Tagesangebote nach.

8.55 Uhr: Trotz Corona-Lockdown demonstrieren Tausende in Israel

Trotz verschärfter Corona-Lockdown-Massnahmen haben am Samstag nach Sonnenuntergang Tausende Menschen in verschiedenen Städten gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu demonstriert.

Seine Kritiker werfen ihm vor, er nutze den erneuten Anstieg von Coronavirus-Infektionen aus, um einen Angriff auf Israels demokratische Grundsätze, einschliesslich des Demonstrationsrechts, zu legitimieren. Die meisten Demonstranten, die sich in Jerusalem und anderen Städten kurz vor dem wichtigsten jüdischen Feiertag, dem am Sonntag beginnenden Fest Jom Kippur, versammelten, trugen Masken und hielten Abstand.

Zuvor hatte Netanjahu die Proteste als «Brutstätten» des Virus bezeichnet. Am Freitag hatte die Regierung nach Rekordzahlen von Infektionen die Lockdown-Massnahmen in dem Land für zunächst rund zwei Wochen verschärft. Nur in Ausnahmefällen dürfen sich die Menschen weiter als einen Kilometer von ihrem Zuhause wegbewegen – etwa für den Weg zu einer Arbeit. Es gelten weiter Versammlungsbeschränkungen. Streit gab es noch über mögliche Einschränkungen des Demonstrationsrechts. Netanjahu hatte versucht, die Sperrmassnahmen mit Blick auf den Gesundheitsschutz auszuweiten, um so auch die wöchentlichen Proteste zu verhindern. Er konnte neue Beschränkungen aber nicht rechtzeitig durch das israelische Parlament bringen.

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