Auffrischung für besseren Schutz Wann kommt die Booster-Impfung in der Schweiz?

Von Lukas Meyer und Gil Bieler

18.10.2021

Ein Student bekommt in Jerusalem seine Auffrischungsimpfung: In Israel ist diese bereits für alle ab 12 Jahren zugänglich.
Ein Student bekommt in Jerusalem seine Auffrischungsimpfung: In Israel ist diese bereits für alle ab 12 Jahren zugänglich.
KEYSTONE

Bald könnte die Zulassung für die Auffrischungs-Impfung in der Schweiz kommen. Andere Länder haben diesen Prozess schon lange angestossen. Warum dauert das  in der Schweiz so lange?

Von Lukas Meyer und Gil Bieler

Israel ist erneut der Vorreiter: Seit Ende August können sich alle Personen über 12 Jahren ein drittes Mal gegen das Coronavirus impfen lassen. Personen über 60 erhalten bereits seit Juli eine Auffrischung. Einen Impfpass bekommt mittlerweile nur noch, wer die dritte Impfung erhalten hat oder wenn die zweite Impfung weniger als sechs Monate zurückliegt.

Die Schweiz wartet derweil noch ab. Eine dritte Impfung gibt es nur in absoluten Ausnahmefällen, bei Menschen mit stark geschwächtem Immunsystem oder chronischen Erkrankungen. Die Schweiz geht damit auch im Vergleich zu den Nachbarstaaten zögerlich vor.

Eine Auffrisch-Impfung soll die Zahl der Antikörper im Blut teils stark erhöhen. Ob dies auch mit einer entsprechend höheren Wirksamkeit der Impfung einhergeht, ist aber unklar – ebenso, wie schnell und wie stark die Wirkung der Impfung nachlässt.

Vor einigen Wochen ist die Booster-Impfung für über 65-Jährige und Risikopatient*innen auch in den USA angelaufen. Als einer der ersten liess sich der 78-jährige Präsident Joe Biden impfen, mittlerweile haben über zehn Millionen US-Bürger*innen ihre dritte Dosis erhalten.

Ähnlich gehen viele europäische Länder vor: Frankreich, Deutschland oder Österreich impfen Menschen ab 65 oder mit einer Vorerkrankung sowie deren Angehörige und das Pflegepersonal ein drittes Mal, Grossbritannien tut dies bereits bei den über 50-Jährigen.

Zulassung in der Schweiz hängig

Die Empfehlung der Europäischen Arzneimittelbehörde lautet, dass Menschen mit geschwächtem Immunsystem ab 28 Tagen nach der zweiten Impfung eine Auffrischung bekommen können. Für Menschen ab 18 Jahren mit einem normal funktionierenden Immunsystem sollte eine Booster-Spritze frühestens nach sechs Monaten in Betracht gezogen werden.

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Die Hersteller Moderna und Pfizer/Biontech haben in der Schweiz Anfang September Zulassungsanträge für eine dritte Dosis der Impfung gestellt. Dabei handelt es sich materiell um denselben Impfstoff, doch die erweiterte Anwendung muss von der Heilmittelbehörde Swissmedic zugelassen werden, wie Patrick Mathys vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) letzte Woche vor den Medien erklärte.

Lange dauern soll diese Prüfung nicht mehr, berichtet der «Blick». Die Zulassungsverfahren befinde sich laut einem Insider in den letzten Zügen. Die eingereichten Daten würden so schnell wie möglich und sorgfältig geprüft, sagt Lukas Jaggi von Swissmedic. Sobald die Datenlage stimme, könne rasch entschieden werden. Der Europa-Chef von Moderna rechnet mit einer Zulassung spätestens im Dezember.

Impfdurchbrüche in der Schweiz

Der Medienchef von Pro Senectute, Peter Burri Follath, erklärt, man sei zuversichtlich, «dass die dritte Impfung in einigen Wochen möglich sein wird». Er findet es gut, dass die Schweiz sich Zeit nimmt und die Datenlage sauber abklärt. Andere Länder hätten die Zulassung beschleunigt und deutlich mehr Impfdurchbrüche gehabt.

Diese gibt es auch in der Schweiz: Kürzlich kam es zu einem Corona-Ausbruch in einem Luzerner Altersheim. 14 Bewohner steckten sich an, drei starben, darunter die 90-jährige Alice Schmidli-Amrein. Ihr Sohn ist wütend auf die Behörden: «Hätte meine Mutter eine Booster-Impfung bekommen, wäre sie jetzt noch am Leben», sagt Jack Schmidli der «SonntagsZeitung».

«Wenn wir könnten, würden wir sofort mit der Auffrischung der Impfung beginnen», sagt der Chef des betroffenen Altersheimes. Er setze sich beim Dachverband für einen raschen Start der Auffrischungs-Kampagne ein. 

«Ich sehe keinen Grund dafür, von den bewährten Zulassungs- und Prüfungsverfahren abzuweichen.»

Für Rudolf Hauri, den Präsidenten der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte, sind die vom Bundesrat getroffenen Massnahmen nötig. (Archiv)

Rudolf Hauri

Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte

«Ich sehe keinen Grund dafür, von den bewährten Zulassungs- und Prüfungsverfahren abzuweichen», sagt der oberste Kantonsarzt Rudolf Hauri zu blue News. Für eine Booster-Impfung brauche es sowohl eine Zulassung von Swissmedic als auch eine Impfempfehlung der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF).

Diese Abklärungen bräuchten Zeit, seien aber nötig: «Die behandelnden Ärztinnen und Ärzten müssen sichergehen können, dass die Booster-Impfung unbedenklich ist.» Auch Hauri hofft aber, dass bald ein Entscheid gefällt wird.

WHO fordert Vorrang für ärmere Länder

Kritik an der dritten Impfung wird auf globaler Ebene laut. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert reiche Länder auf, zuerst ärmeren Ländern Zugang zum Impfstoff zu ermöglichen, bevor sie dritte Impfungen verabreichen. Die Verteilung der Impfstoffe sei sehr ungerecht. In einigen afrikanischen Ländern liegt die Impfrate noch bei wenigen Prozent.

Bedenken um eine gerechte weltweite Verteilung des Impfstoffs teilt Hauri. «Epidemiologisch betrachtet wäre es natürlich besser, möglichst viele Menschen zu impfen. So würde die Virusverbreitung besser eingeschränkt.» Er zieht den Vergleich zum Strassenverkehr: «Es bringt mehr, wenn viele Leute in einem einigermassen gut gesicherten Fahrzeug unterwegs sind, als wenn eine einzige Person ein optimal gesichertes Fahrzeug besitzt.»

Gleichzeitig gibt Hauri aber die Dimensionen zu bedenken: «Selbst wenn die Schweiz einen Grossteil ihres Impfstoffs spenden würde, wäre damit nur ein Bruchteil der Bevölkerung armer Länder abgedeckt.»