Milieu rüstet aufWaffenfund bei Festnahme – wie gefährlich ist die «Eisenjugend»?
tafi
22.1.2021
Rechtsextreme rüsten auf. Auch bei der «Eisenjugend» fanden die Behörden Waffen, als sie Mitte der Woche in Luzern und Zürich ein halbes Dutzend junger Männer festnahm. Wie gefährlich ist die rechtsextreme Gruppierung?
Bei der Festnahme von sechs mutmasslichen Mitgliedern der rechtsextremen «Eisenjugend» Mitte der Woche in den Kantonen Zürich und Luzern wurden auch Waffen gefunden. Wieder einmal. Hans Stutz jedenfalls wundert sich nicht. Der Journalist und Szenekenner schreibt in seinem Blog reichlich lakonisch «das ist ja bei Rechtsextremisten keine Überraschung».
Auch die «Neue Zürcher Zeitung» erkennt in der «Bewaffnung der rechtsextremen Szene» ein Muster: Das Neonazi-Milieu wolle für «den Ernstfall» gerüstet sein. Das Ziel der «Eisenjugend» sei, erklärt Stutz in einem SRF-Interview, ein «homogen weisses Europa». Dem Experten zufolge sei die Gruppe vor allem in der Region Winterthur aktiv und bestehe aus wenigen Männern mit «Verbindungen zur Nationalen Jugend der Schweiz und zur Nationalen Aktionsfront».
Stillhalten auf Zeit
Seit Jahrzehnten rüsteten Rechtsextreme bereits auf, so Stutz. Gewaltanwendung werde von ihnen als Teil der politischen Auseinandersetzung betrachtet. Dazu herrsche «die Vorstellung, dass es in naher Zukunft zu heftigen Auseinandersetzungen in der Schweiz oder Europa kommen könnte».
Dass die Nachrichtendienste dennoch keine Zunahme von Gewalttaten in der rechtsextremen Szene beobachteten, sei kein Widerspruch. Vielmehr sei es Teil einer langfristigen Strategie. «Gewalttaten sind nicht akzeptiert und stellen eine politische Bewegung sofort ins Abseits», erklärt Stutz. Die Rechtsextremen würden wissen, dass Gewalttaten auf gesellschaftlichen Widerstand stossen.
Dies sei jedoch nur Stillhalten auf Zeit, warnt der Genfer Terrorismusforscher Jean-Paul Rouiller in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung»: «Dass es in Zukunft zu Anschlägen von Rechtsextremen kommen wird, halte ich für sehr wahrscheinlich. Wann genau, ist die Frage.»
Gewalt in naher Zukunft möglich
Stutz sieht das ähnlich: «In der Praxis ist das Gewalttabu nicht am Bröckeln», beschreibt er den Status quo. Allerdings gebe es in den ideologischen Schriften der Rechtsextremen Hinweise, «dass sie von gewalttätigen Auseinandersetzungen in naher Zukunft ausgehen».
Zurzeit seien rechtsextreme Organisationen in der Schweiz jedoch entweder «nicht besonders stark aktiv oder haben sich sogar aufgelöst». Ausnahmen davon seien, so Stutz, neben der «Eisenjugend» auch die Nationale Aktionsfront in der Deutschschweiz.
«Neue Rechte» mit neuer Strategie
Nachdem in den vergangenen Jahrzehnten vornehmlich Nazi-Skinheads das Fussvolk rechtsextremer Organisationen bildeten, sei aktuell die Kampfsportszene die entsprechende Subkultur, «in welcher rechtsextreme Exponenten einige Veranstaltungen organisiert haben, die auch international besucht wurden.»
Damit hängt auch die Abwendung vom Nationalsozialismus zusammen, die in der Szene zu beobachten ist. Die Ideologie sei so stark diskreditiert, «dass sie politisch nicht vermittelbar ist» erklärt Stutz. Auch die «Eisenjugend» sei mit nationalsozialistischen Vorstellungen «wenig verlinkt». Die «Neue Rechte» greife bewusst nicht darauf zurück, «strebt aber ebenfalls völkisch einen homogenen Staat mit diktatorischen Verhältnissen an.»