RänkespieleDarum ist das Bistum Chur noch immer ohne Bischof
SDA/tafi/gbi
24.11.2020 - 11:35
In der zerstrittenen Diözese artet die Wahl eines neuen Bischofs zum erbitterten Machtkampf aus. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Eklat von Chur.
Das Bistum Chur kommt nicht zur Ruhe. Die 22 Domherren der Diözese trafen sich zwar am Montag in Chur, um einen Nachfolger für den seit eineinhalb Jahren vakanten Sitz zu wählen. Das Treffen blieb allerdings wegen interner Ränkespiele ergebnislos.
Wieso muss ein neuer Bischof gewählt werden?
Der neue Churer Bischof soll die Nachfolge von Bischof Vitus Huonder antreten. Huonder hatte sich im Mai 2019 nach fast zwölf Jahren im Amt verabschiedet. In der Folge kam es zu einer Übergangslösung an der Spitze des Bistums.
Der Papst ernannte den damals 73-jährigen Oberwalliser Peter Bürcher zum Apostolischen Administrator. Er leitet die Diözese, bis eine definitive Lösung für die Huonder-Nachfolge getroffen ist. Bürcher rechnete damals nach eigenen Angaben mit einer Amtszeit von ein «paar Monaten».
Was ist besonders an der Bischofswahl in Chur?
Anders als in den meisten Diözesen der Welt hat das Bistum Chur ein Mitspracherecht bei der Wahl seines Bischofs. Die 22 Domherren können den neuen Bischof grundsätzlich aus einem Dreiervorschlag des Vatikans wählen. Stellt sich der Gewählte für das Amt zur Verfügung, muss die Wahl anschliessend vom Papst bestätigt werden. Das ursprünglich komplett freie Wahlrecht des Churer Domkapitels wurde 1948 im päpstlichen Dekret «Etsi salva» eingeschränkt und in der jetzigen Form (PDF-Download) verankert.
Was ist jetzt passiert?
Das Newsportal «kath.ch» berichtete am Montagnachmittag unter Berufung auf Insider, dass der Dreiervorschlag des Papstes vom Domkapitel mehrheitlich nicht akzeptiert und zurückgewiesen worden sei. Beim «Tages-Anzeiger» wird in dem Zusammenhang gar von Sabotage gesprochen.
Von offizieller Seite bestätigt wurde diese Meldung nicht. Alle Fragen der Nachrichtenagentur Keystone-SDA im Zusammenhang mit der Bischofswahl beantwortete Bischofssprecher Giuseppe Gracia mit einem knappen «No comment» («kein Kommentar»).
Wer steckt hinter der Nicht-Wahl?
Für «kath.ch» ist klar: Generalvikar Martin Grichting fühlt sich im zerstrittenen Bistum in der «Rolle des Spaltpilzes» wohl. Grichting gilt als Hardliner in der Bistumsleitung und spiele, so kommentiert es Redaktionsleiter Raphael Rauch, ein «schmutziges Spiel». Statt einen Kompromisskandidaten zu unterstützen, habe er mit seinen «konservativen Getreuen» die «maximale Konfrontation» gesucht. Dieses Verhalten könnte Grichting nun aber auf die Füsse fallen.
Wie geht es jetzt weiter?
Weil das Domkapitel von seinem Privileg keinen Gebrauch machte und die Kandidatenliste zurückschickte, kann nun Papst Franziskus den neuen Churer Bischof selbst auswählen. Dass der neue Bischof weiterhin mit Martin Grichting zusammenarbeitet, gilt als ausgeschlossen.
Wieso der ganze Wirbel?
Dass die Bischofswahl in Chur überdurchschnittlich interessiert, liegt daran, dass sich in der Diözese seit über drei Jahrzehnten konservative und liberale Kräfte im Streit gegenüberstehen, was zu einer Spaltung führte. Zuletzt hatte die konservative Bistumsleitung im Frühjahr dieses Jahres überraschend den moderaten Martin Kopp als bischöflichen Delegierten für die Urschweiz abgesetzt und ihm alle kirchlichen Ämter entzogen.
Den Beginn der Grabenkämpfe markierte der frühere Churer Bischof Johannes Vonderach. Er machte den konservativen Geistlichen Wolfgang Haas zum Weihbischof mit Nachfolgerecht. Dadurch wurde das Mitspracherecht des Domkapitels ausgehebelt.
Seither ist mit Blick auf eine Bischofswahl immer wieder die Rede von einem Brückenbauer, der notwendig sei, um Gräben zuzuschütten, statt neue aufzureissen. Einfacher scheint diese Aufgabe für den zukünftigen Churer Bischof nach den aktuellen Ereignissen nicht geworden zu sein.