Oberster Kantonsarzt«Ungeimpfte sind keine Gegner, wir sind ja nicht in einem Kampf»
Von Andreas Fischer
29.10.2021
Trotz Impfoffensive des Bundes wollen sich die meisten Ungeimpften weiterhin nicht impfen lassen. Für den obersten Kantonsarzt Rudolf Hauri ist die 100 Millionen Franken teure Kampagne trotzdem sinnvoll.
Von Andreas Fischer
29.10.2021, 20:08
Von Andreas Fischer
«Für uns sind die Ungeimpften keine Gegner, wir sind ja nicht in einem Kampf», stellt Rudolf Hauri, Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte, im Gespräch mit blue News klar. «Es sind Menschen, die wir noch gewinnen wollen für die Impfung.» Dies könnte ein schwieriges Unterfangen werden, wie der aktuelle Corona-Monitor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG zeigt.
Der Umfrage zufolge steht offenbar ein stabiler Teil der Bevölkerung einer Covid-19-Impfung ablehnend gegenüber. Lediglich etwa 6 Prozent beziehungsweise rund ein Viertel der Ungeimpften zieht eine Impfung überhaupt noch in Betracht.
«Jede vierte Person hilft mit»
«Ich hätte mir natürlich eine höhere Zustimmungsrate gewünscht»: Überrascht von den Zahlen ist der Zuger Kantonsarzt nicht. Dass sich so wenige Ungeimpfte überhaupt noch einmal mit einer Impfung beschäftigen wollen, sei zwar ernüchternd, aber «andererseits ist es doch noch mindestens jede vierte Person, die mithilft». Für Rudolf Hauri ist die bis zu 100 Millionen Franken teure Impfoffensive des Bundes demzufolge weiterhin sinnvoll.
Die Frage, ob es weiterhin gerechtfertigt sei, erhebliche Ressourcen zu investieren, um eine Minderheit zu überzeugen, die gar nicht überzeugt werden will, hält Hauri gleichwohl nicht nur für angemessen, sondern für unbedingt berechtigt. «Diese Frage soll man sich stellen, man muss sie sich sogar stellen», sagt der Mediziner, weist aber auch darauf hin, dass «dieser Betrag ein Kostendach ist». Ob das gesamte Budget gebraucht werde, müsse sich erst noch zeigen.
Das Potenzial für eine bessere Impfrate ist da
Aufgrund von Befragungen die tatsächliche Beteiligung abzuleiten, findet Rudolf Hauri indes schwierig. «Die Ergebnisse des Corona-Monitors sind einerseits nicht unerwartet, andererseits wissen wir, dass es noch Anstrengungen braucht, um die Menschen zu überzeugen, die sich eine Impfung mehrfach überlegen.» Das hatten bereits frühere Kampagnen gezeigt, zum Beispiel bei den Schulimpfungen. «Ob eine Kampagne ein Erfolg ist, weiss man immer erst hinterher.»
Für den Basler Kantonsarzt Thomas Steffen sind «solche Befragungen immer Momentaufnahmen, welche sich auch zum Beispiel bei einer ungünstigeren epidemiologischen Entwicklung nochmals zugunsten der Impfung verändern können», weist er auf Anfrage mit blue News hin.
«Gerade auch die Unterschiede zwischen den Kantonen oder Altersgruppen zeigen, dass noch immer Potenzial für eine bessere Impfrate vorhanden ist. Wichtig ist dabei, dass die Impfung einfach zugänglich ist beziehungsweise bleibt und die Angebote vor allem auch jüngere Menschen besser ansprechen.»
Impfung bleibt längerfristig ein Thema
Hauri weiss, dass es «Knochenarbeit ist», die Bevölkerung «mit einem zusätzlichen Effort auf die sicheren und wirksamen Vakzine» hinzuweisen. Die Impfquote lasse sich nicht mit einer einzelnen Massnahme erhöhen: «Wir müssen wirklich intensiv auf die Leute zugehen.»
Thomas Steffen will dabei «auch die Nachhaltigkeit bei der Impfpromotion im Auge behalten». Vieles spreche dafür, dass die Corona-Impfung auch «längerfristig ein Thema bleiben wird, um ohne einschneidende Massnahmen mit einer funktionierenden Gesundheitsversorgung leben zu können. Wir müssen wie bei anderen Impfungen hier der Bevölkerung zukünftig langfristig vermitteln, wie wichtig ein Impfschutz für den Einzelnen, aber auch die Gesellschaft ist.»
Umfrage
Wie könnten Bund und Kantone die Menschen von der Impfung überzeugen?
«Der Betrag muss es uns wert sein»
Aus ökonomischer Sicht sei der Nutzen, den die Impfung bringt, um ein Vielfaches höher als die Kosten für die Impfoffensive, sagt Rudolf Hauri. «Dadurch lassen sich Quarantänemassnahmen verhindern und es kommt zu weniger Unterbrüchen auf der Arbeit.»
Man dürfe nicht nur auf einen einzelnen Ausschnitt schauen, sondern müsse das Gesamtbild betrachten: «In Relation zu allen anderen pandemiebedingten Aufwendungen sind die 100 Millionen Franken kein besonders hoher Betrag.» Und der, so Hauri nachdrücklich, «muss es uns schon noch wert sein».
Seinem Basler Amtskollegen Thomas Steffen ist es «als Präventivmediziner auch ein Anliegen, dass wir gemeinsam durch diese Pandemie gehen. Es wird Menschen geben, welche sich nicht zur Impfung entschliessen werden, und wir müssen mit ihnen gemeinsam trotzdem einen Weg durch die Pandemie finden.» Dies sei nicht nur bei früheren Pandemien ähnlich gewesen, sondern «auch bei anderen Gesundheitsthemen wie zum Beispiel Rauchen und Passivrauchen».
Engelberger: «Pandemie und nicht Impfung spaltet die Gesellschaft»
«Wir sollten die Impfung nicht politisieren», sagte Lukas Engelberger, Präsident der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) am Donnerstag vor den Medien in Bern. Die Spaltung komme von der Pandemie.
«Dass die Impfung wirkt, ist eine These, die wissenschaftlich belegt ist», sagte Engelberger. «Die Impfung spaltet die Gesellschaft nicht, sondern die Pandemie spaltet die Gesellschaft.»
Wichtig sei auch die Impfwoche, die für die Woche vom 8. November geplant sei. «Wir wissen, dass es bei der Impfung Ängste gibt. Diese Fragen wollen wir noch klären, damit wir möglichst viele Menschen zu einer Impfung bewegen können.»