Geheimes Papier aufgetaucht So könnte Putin die Ukraine-Verhandlungen zu seinen Gunsten nutzen

Stefan Michel

14.3.2025

Putin besucht Front in Kursk: Letzte Ukrainer sollen vertrieben werden

Putin besucht Front in Kursk: Letzte Ukrainer sollen vertrieben werden

Kursk, 13.03.2025: Wladimir Putin an der Front: Der Kremlchef besucht angesichts der erfolgreichen Gegenoffensive seiner Truppen in der Grenzregion Kursk überraschend eine Kommandostelle in dem Kriegsgebiet. Die Bilder der russischen Regierung zeigen ihn zusammen mit Generalstabschef Waleri Gerassimow. Für den Kremlchef war es nach Angaben der staatliche Nachrichtenagentur Tass der erste Besuch an diesem Teil der Front. Ukrainische Einheiten waren im August 2024 überraschend nach Russland eingedrungen und hatten den Krieg damit erstmals auf das Gebiet des Gegners verlagert.  Nachdem die Ukrainer diesen Brückenkopf lange halten konnten, mussten sie sich in den vergangenen Tagen unter russischem Druck immer schneller zurückziehen. Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als drei Jahren gegen eine russische Invasion.

14.03.2025

Ein Strategiepapier mit Bezug zum Geheimdienst FSB ist öffentlich geworden. Es zeigt, wie Putin Ukraine-Verhandlungen nutzen könnte, um Russland geopolitisch in eine Position der Stärke zu bringen. 

Stefan Michel

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Ein Strategiepapier, das für den russischen Geheimdienst FSB verfasst worden sei soll, ist öffentlich geworden.
  • Das Papier zeigt, wie der Kreml versuchen könnte, die Ukraine-Verhandlungen zu seinem geopolitischen Vorteil zu nutzen.
  • Als Option taucht die Möglichkeit auf, dass Russland den USA Zugang zu Rohstoffen auf russischem und russisch annektiertem Gebiet gibt – mit dem Ziel, die diplomatischen Beziehungen zu normalisieren.

Trump ist für Putin eine historische Chance, die Machtposition Russlands nachhaltig zu stärken. Dass der Kreml diese erkennt, ist keine gewagte These.

Schwarz auf weiss hat dies offenbar die «Washington Post» (WP) gesehen. Sie zitiert aus einem Strategiepapier, das ein russischer Thinktank für den Geheimdienst FSB verfasst hat.

Das Dokument sei bei einem westlichen Geheimdienst gelandet, wo JWP-ournalisten es einsehen konnten. Darauf angesprochen sagt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der US-Zeitung, dass die Regierung von solchen Empfehlungen keine Kenntnis habe. 

Auch wenn sie keine offizielle Doktrin der russischen Regierung darstellen, zeigen die Empfehlungen, was die übergeordneten Ziele Moskaus in den nächsten Jahre sein könnten.

Ukraine-Verhandlungen als Mittel zum Zweck: Ein Papier listet Optioen auf, wie der Kremls seine geopolitische Position in den Verhandlungen mit den USA verbessern kann.
Ukraine-Verhandlungen als Mittel zum Zweck: Ein Papier listet Optioen auf, wie der Kremls seine geopolitische Position in den Verhandlungen mit den USA verbessern kann.
Bild: Keystone

«Kiew-Regime muss demontiert werden»

So empfehlen die externen Strategen, mithilfe der Trump-Administration die verhasste Regierung Selenskyj loszuwerden. Die West-Orientierung Kiews ist mit ein Grund, weshalb der Kreml die Ukraine seit 2014 attackiert und mehr und mehr unter seine militärische Kontrolle bringt.

Ein ukrainisches Verhandlungsangebot, dass pro-russische Parteien an Wahlen in der Ukraine teilnehmen dürfen, geht den Strategen nicht weit genug. Das «Kiew-Regime» könne nicht von innen erneuert werden, steht laut WP im Papier. Es müsse komplett demontiert werden.

Ein vorrangiges Ziel in Bezug auf den Krieg in der Ukraine sei, die US-Regierung davon zu überzeugen, dass ein schnelles Ende nicht möglich sei. «Eine friedliche Lösung der Ukraine-Krise kann nicht vor 2026 erfolgen», zitiert die «Washington Post» aus dem Dokument.

Es ist Konsens, dass Russland mit seiner Überlegenheit auf dem Schlachtfeld die Zeit auf seiner Seite hat und von einer Verlängerung des Kampfgeschehens im Gegensatz zur erschöpft wirkenden Ukraine profitiert.

Keine Nato-Mitgliedschaft, keine ausländischen Peacekeeper

Nicht in Frage kommen für Russland gemäss dem Strategiepapier ausländische Friedenstruppen in der Ukraine. Und wie bereits bekannt, soll diese auch niemals Nato-Mitglied werden können.

Resultat wäre eine Ukraine, die sich nicht besser gegen russische Angriffe wehren kann, als heute. Zudem will Moskau, dass die russische Souveränität über die annektierten ukrainischen Gebiete anerkannt wird.

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Das Papier legt aber nicht nur für Russland günstige Optionen im direkten Zusammenhang mit der Ukraine. Vielmehr sind die Verhandlungen zur Beendigung des Kriegs für den Kreml ein Türöffner, um sich global in eine bessere Position zu bringen.

Und der Schlüssel zu dieser Tür ist Präsident Trump.

Ein ehemaliger russischer Diplomat sagt zur WP, Putin könnte versuchen, die Verhandlungen in die Länge zu ziehen, dabei aber stets Offenheit und Flexibilität zu zeigen. Russland kann sich als Freund Trumps und der USA präsentieren, der ihm helfen könne, seine Ziele zu erreichen, so der Ex-Diplomat.

Trump locken, Nato spalten

Im Strategiepapier finden sich zudem konkrete Vorschläge, wie Moskau versuchen könnte, das Vertrauen Washingtons zu gewinnen. Eine Möglichkeit sei, den USA Zugang zu Rohstoffen auf russischem oder russisch kontrollierten Territorium zu bieten – auch in eroberten Gebieten in der Ukraine.

Dies könnte zu Spannungen zwischen den USA und China sowie zwischen den USA und Europa führen, was die Strategen als Vorteil für Russland sehen. Einen Keil in die Nato zu treiben, nennt auch der in den USA niedergelassene, russischstämmige Geopolitik-Experte Dmitri Alperovitch als den «grösseren Preis», nach dem Putin strebe.

Vorrangiges Ziel müsse sein, die diplomatischen Beziehungen zwischen Washington und Moskau zu normalisieren. Russland könnte anbieten, keine neuen ballistischen Raketen in Belarus zu stationieren.

Die USA müssten im Gegenzug darauf verzichten, neue Raketensysteme in Europa zu stationieren. Russland könnte zudem aufhören, Waffen an Staaten zu liefern, die Washington als unfreundlich bezeichnet. Im Gegenzug würden die USA ihre Militärhilfe an die Ukraine stoppen. 

Vorteile sichern, bevor Trump weg ist

Wie viel von diesem inoffiziellen Papier in Putins Politik einfliesst, ist unklar. Ein der russischen Diplomatie nahestehender Wissenschaftler sagt zur Washington Post, dass sich aus solchen Abhandlungen aber ein genereller Konsens der Regierung herauslesen lasse – auch wenn Kreml-Sprecher Peskow meinte, die Positionen der Regierung seien besser durchdacht, als jene in dem Papier zu sein scheinen.

Offensichtlich ist, dass die aktuellen Entwicklungen rund um den Krieg in der Ukraine der russischen Regierung Möglichkeiten bieten, sich für die Jahre danach in Position zu bringen.

Doch auch den Strategen scheint klar, dass der Wind drehen könnte, wenn in Washington die politischen Gegner Trumps die Macht zurückerobern. Deshalb sei die Anerkennung der russischen Souveränität über die eroberten Gebiete so wichtig. Ohne sie drohe der Konflikt mittelfristig wieder aufzuflammen – «zum Beispiel nach dem nächsten Regierungswechsel in den USA».