Bötschi fragt Tim Guldimann: «Der Bundesrat hat die Zuwanderung unterschätzt»

Bruno Bötschi

29.5.2018

Tim Guldimann ist SP-Nationalrat, lebt aber in Berlin. Im Interview spricht er über das AHV-Alter, die Schweizer Hymne, Donald Trump – und verrät, was die grösste Schwierigkeit seiner politischen Tätigkeit ist.

Der erste Kontakt kommt per Mail zustande. Das Interview «können wir vielleicht machen. Vielleicht in einem Café in Berlin Schöneberg, unweit meines Wohnorts », schreibt Tim Guldimann. «Rufen Sie mich doch in den Tagen zuvor an.»

Wochen später reist der Journalist nach Berlin. Er ruft Guldimann an und hat Pech: Der SP-Nationalrat ist an diesem Morgen im Stress: «Noch ein Termin? Nein, ein Treffen ist unmöglich ... aber wir können das Gespräch per Telefon machen. Morgen Mittwoch, 10 Uhr, habe ich Zeit.»

24 Stunden später klingelt das Handy von Guldimann wieder.

«Bluewin»: Herr Guldimann, wir machen heute ein Frage-Antwort-Spiel: Ich stelle Ihnen in der nächsten halben Stunde möglichst viele Fragen und Sie antworten möglichst schnell und spontan. Passt Ihnen eine Frage nicht, sagen Sie einfach «weiter».

Tim Guldimann: Die Frage ist mehr, ob die deutsche Telefonleitung gut genug ist?

Kein Problem, ich höre sie gut. - Berlin oder Zürich?

Berlin.

Jungfrau oder Zugspitze?

Jungfrau – ist auch mein Sternzeichen.

Wie wichtig ist Ihnen Ihr Sternzeichen?

Unwichtig, ich glaube nicht daran. Astrologie spielte aber immer ein Rolle in der Esoterik der gesamten Kulturgeschichte.

Was bedeutet für Sie Heimat?

(Überlegt lange) Im Einklang mit der Umgebung zu sein, in der man lebt. Franz Hohler hat einmal gesagt: «Heimat ist das, was man sieht, wenn man zum Fenster hinausschaut.»

Wo ist die Schweiz am schönsten?

Im Unterengadin.

Ihr Lieblingsort in Berlin?

Da, wo ich daheim bin, in Berlin-Schöneberg.

Sie gehören seit 33 Jahren der SP an: Wie kam das?

Das hängt mit der 68er-Bewegung zusammen. Die Bewegung stellte ihre Moral der schlechten Welt gegenüber, die sie bekämpfte. Wir glaubten damals, die Wahrheit mit linken Ideologien im Sack zu haben. Später habe ich mich intensiv in der Sowjetunion mit dem Marxismus auseinandergesetzt und habe mich so zum Sozialdemokraten durchgemausert.

Tim Guldimann: «Allerdings halte ich es für problematisch, in einem Milieu zu leben und in einem anderen Milieu Politik zu betreiben. Der Alltag ist anders und im Zürcher Tram ist es nicht wie in der U-Bahn in Berlin.»
Tim Guldimann: «Allerdings halte ich es für problematisch, in einem Milieu zu leben und in einem anderen Milieu Politik zu betreiben. Der Alltag ist anders und im Zürcher Tram ist es nicht wie in der U-Bahn in Berlin.»
Bild: Keystone/Peter Klaunzer

Mögen Sie die Schweizer Hymne?

Die Melodie ist schön, der Text ist mir zu religiös. Aber es gibt ja nun einen Vorschlag für einen neuen, einfacheren Text zur gleichen Melodie. Den finde ich gut. Er ist kurz und bündig, wenn auch ein wenig banal, aber das ist ja Wurst. Übrigens, die Melodie der deutschen Nationalhymne finde ich schöner.

Und der Text der deutschen Nationalhymne?

Ich fühle mich als Schweizer, auch wenn ich durch Biografie und Familie eine grosse Nähe zu Deutschland empfinde.

Können Sie den Text der Schweizer Hymne auswendig?

Nein. Ich bin auch für den neuen einfachen Text, weil ich das Mitsummen von Halb-Patrioten, zu denen ich auch gehöre, zum alten Text als peinlich empfinde.

Danke. Genug Schweiz, genug Heimaterinnerungen. Jetzt kommen die ernsthafteren Themen.

So ganz grundsätzlich: Was haben die Deutschen und die Deutschschweizer gemeinsam?

Einerseits nehmen wir Deutschschweizer über die Sprache am deutschen Kulturkreis teil, das gilt auch für die West- und Südschweiz im französischen beziehungsweise italienischen Kulturkreis. Andererseits grenzen wir uns in unserer politischen «bottom-up» Kultur von der deutschen, mehr obrigkeitsstaatlich geprägten Politik ab ...

Guldimann bricht ab: «Sie wollen ja nur kurze Antworten.» Journalist: «Kein Problem, Ihre Antworten dürfen gerne ein bisschen länger sein.» Eine Antwort, die der Schreibende noch bereuen wird.

Während einer Uni-Vorlesung in Bern sagten Sie vor einigen Jahren: «Die Deutschschweiz ist Teil der deutschen Kultur.» Der Satz sorgte damals für Aufregung.

Es geht eben um beides und wir gewichten in unserem Selbstverständnis den zweiten Aspekt viel zu stark. Als Botschafter in Berlin (2010 bis 2015, Anmerkung der Redaktion) wurde ich gefragt, ob ich das Projekt «Gastland Schweiz» an der Leipziger Buchmesse 2014 unterstütze. Ich sagte ja, aber nur unter einer Bedingung: Die Schweiz – es ging ja um die Deutschschweiz – ist nicht Gast in der deutschen Literatur, sondern Teil davon. Daraus wurde der sehr erfolgreiche «Auftritt Schweiz».

In den 1960ern sollen Sie als Teenager versucht haben, Ihrer Grossmutter davon zu überzeugen, einen Mercedes zu kaufen. Sie war nicht umzustimmen und soll gesagt haben: «I will kai Schwoobenauti.»

Diese Deutschland-Feindlichkeit, geprägt durch die Ereignisse im Zweiten Weltkrieg, ist Vergangenheit. Was mich aktuell mehr erschüttert ist der Megaskandal um die Diesel-Fahrzeuge und die horrenden Kartellabsprachen der deutschen Autoindustrie. Dieser Fall zeigt krass, wie die Industrie mit der Politik verfilzt ist. Es ist zudem ein Beispiel dafür, wie die Politik – und damit meine ich Angela Merkel, die SPD und die Grünen ohne Unterschied - unfähig ist, ein dringendes Problem anzugehen, wenn wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel stehen.

Was läuft falsch?

Ich würde mir von der Politik, gerade von grüner und linker Seite, eine viel radikalere Haltung gegen die Umweltzerstörung durch den Verkehr erhoffen. Die Debatte über das Ende des Verbrennungsmotors müsste konsequenter geführt werden. Es geht hier nicht einfach um ein Verbot ab dem Datum x, sondern um verbindliche Übergangsperioden zur Reduktion der Gesamtbelastung. Gesamtbelastung heisst es muss die gesamte Umweltbelastung und der gesamt Energieaufwand für die Infrastruktur, sowie die Produktion, den Betrieb und die Entsorgung der Fahrzeuge pro Personenkilometer berücksichtigt werden.

Viele Menschen lassen sich heute in der Schweiz frühpensionieren. Sie jedoch wurden mit 65 in den Nationalrat gewählt: Fürchten Sie sich vor dem Faulenzen?

Persönlich ja – Allerdings halte ich ein fixes Pensionsalter für grundfalsch. Wir müssten das viel flexibler handhaben. Menschen, die in Berufen mit hoher physischer Belastung arbeiten, sollten früher in Pension gehen können. Intellektuelle und Fachkräfte hingegen sollten länger arbeiten können, am besten mit flexiblen Arbeitszeiten. Eine flexibles AHV-Alter wirkt sich positiv auf die Volkswirtschaft aus. Menschen, die länger im Arbeitsmarkt intergiert sind, leben gesünder und das spart Geld, auch weil sie weniger Zeit haben, sich mit ihrer Gesundheit zu beschäftigen. Ganz abgesehen davon bezahlen sie mehr Steuern als Rentner und entlasten so die Sozialwerke.

Sie sind gewählter Zürcher Nationalrat, leben aber in Berlin: Wie informieren Sie sich über die Anliegen der Zürcherinnen und Zürcher?

Ich lese jeden Tag den Pressespiegel, weiss also, was in den Schweizer Medien steht. Allerdings halte ich es für problematisch, in einem Milieu zu leben und in einem anderen Milieu Politik zu betreiben. Der Alltag ist anders und im Zürcher Tram ist es nicht wie in der U-Bahn in Berlin. Ich weiss nicht, was ein Kilo Zucker in der Migros kostet. Ich denke, das ist die grösste Schwierigkeit meiner politischen Tätigkeit.

Momoll, durchaus selbstkritisch, dieser SP-Mann - das kennt man sonst weniger von Politikern.

Wo zahlen Sie eigentlich Steuern?

Wenn jetzt der Vorwurf kommt, ich politisiere in der Schweiz, ohne Steuern zu bezahlen – übrigens, ich zahle schon ein bisschen Steuern, aber das ist ein anderes Thema – dann antworte ich: Falls das das Problem ist, dann geben wir doch allen Ausländern, die in der Schweiz leben und Steuern bezahlen, das Stimmrecht und entziehen es den Auslandschweizern. Wenn also das Bezahlen von Steuern die Voraussetzung sein soll, politisch mitreden zu dürfen, müssten wir konsequent sein.

In Zürich ist gerade Wahlkampf: Was kann Zürich von Berlin lernen?

Einerseits, was den Staat, die Finanzen und den öffentlichen Dienst betrifft, kann und soll Zürich von Berlin nichts lernen. Ich finde es höchst bedenklich, dass in Berlin eine Partei, die mit ihrem regierenden Bürgermeister Wowereit einen Mega-Skandal (Berliner Flughafen, Anmerkung der Redaktion) zu verantworten hatte und trotzdem nicht abgestraft wurde von den Wählern. Das wäre in der Schweiz nicht denkbar. Von dieser Berliner Gleichgültigkeit gegenüber der Politik soll sich Zürich nicht anstecken lassen. Anderseits gibt es aber in Berlin ein einmaliges Lebensgefühl - auch im Kulturleben - das lässt sich nicht lernen oder kopieren.

In einem Artikel in der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit» schrieben Sie vor sechs Jahren: «Wir trauern einer Heimat nach, die es nicht mehr gibt. Wir trauern um das Goldene Zeitalter unserer Identität» - Frage: Verändern sich die Schweizerinnen und Schweizer zu wenig schnell?

In allen Gesellschaften stellt die Globalisierung die Identitätsfrage, in der Schweiz jedoch unter ganz spezifischen Bedingungen: Wir haben die europäische Integration politisch nicht mitgemacht, das hat der Abgrenzung weiter Vorschub geleistet. Die Abgrenzung war bei uns eine doppelte, gegen die Globalisierung und gegen Europa. So konnte sie von der SVP gleichzeitig bespielt werden. Und wir Linken haben dabei das Thema «Heimat» vernachlässigt und es der politischen Rechten überlassen. Das war ein Fehler. Wir müssen künftig Begriffe wie «Heimat» und «Nation» mit unseren europäischen und weltoffenen Traditionen und Überzeugungen neu besetzen.

Wie wollen Sie den Begriff Heimat anders besetzen?

Positiv, in dem Sinn, dass wir zur Schweiz stehen und als Patrioten eine weltoffene Schweiz einfordern. Kritisch, in dem Sinn, dass wir mehr Verständnis aufbringen müssen für die Globalisierungsverlierer und die Betroffenheit durch die Zuwanderung. Der Bundesrat, und mit ihm ein grosser Teil der Schweizer Politik, haben die Netto-Zuwanderung massiv unterschätzt. Der Bundesrat hat viel zu lange auf das Problem nicht reagiert. Dies führte 2014 zur Annahme der Masseneinwanderungsinitiative. Das heisst, das Vertrauen in der Bevölkerung war verloren gegangen und die Abschottungspatrioten konnten das Thema für sich besetzen. Die Personenfreizügigkeit hat grosse Vorteile, sie ist zentral für unsere Teilnahme am europäischen Binnenmarkt und damit für die Wirtschaft, sie ist aber auch wichtig für alle Schweizer im EU-Raum. Das kann man erklären. Man hätte die Nettozuwanderung zwar nicht massiv reduzieren können, aber gleichgültig die fehlenden Arbeitskräfte einfach zu importieren – zum Beispiel die Hälfte aller Fachkräfte im Gesundheitswesen – anstatt sie im Land selbst auszubilden, war zwar billiger, aber dumm.

Der Journalist wird langsam nervös, schaut immer wieder auf seine Uhr. Die Antworten von Guldimann werden länger und länger und ... Der Journalist hätte es wissen müssen: Politiker reden gerne und lange.

Ihre Erklärung dafür, warum der Schweizer so zurückhaltend ist und warum er sich gerne abgrenzt?

Die Grundlagen unserer politischen Kultur wurden im 16. Jahrhundert gelegt, vor allem in der Reformation. Zwingli hat sich mit dem Humanismus von Erasmus klar von Luther abgegrenzt, damit aber die Brücke über Bern zum Genfer Calvinismus geschlagen. Hier ist die Schweiz entstanden, die mit der Gegenreformation den Glaubenskompromiss einleitete, der sich damit gegen aussen abgrenzte und so das Land ungeschoren durch die Glaubenskriege führte. Diese Erfahrung haben wir in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nochmals erfolgreich wiederholt. Hier hat sich vor allem die Abgrenzung der Deutschschweiz gegen Deutschland verfestigt, was in der Haltung der Romandie gegenüber Frankreich keine Entsprechung findet.

Und trotzdem: Schweizerinnen und Schweizer geniessen viel Sympathien im Ausland. Weshalb?

Die Sympathien sind enorm robust. Wir dürfen uns aber nicht einbilden, dass wir deswegen keine Probleme hätten. Wenn die Europäer uns vielleicht bewundern oder mögen, heisst das nicht, dass Sie Verständnis haben für Schweizer Extrawürste. Die Schweiz war für das zerstörte Europa nach dem Zweiten Weltkrieg so etwas wie ein Schlaraffenland. Das wirkte lange nach. Bis heute funktioniert Vieles besser in der Schweiz als anderswo, der öffentliche Dienst, die Verwaltung, die Infrastruktur oder nur schon die Steuererklärung, die viele in der Schweiz selbst ausfüllen können und der Staat hilft ihnen dabei. In Deutschland kann man zwar ohne Hausarzt, aber nicht ohne Steuerberater leben. Bei aller Sympathie, die wir im Ausland geniessen, dürfen wir die kritischen Einschätzungen nicht verkennen, zum Beispiel, dass sich viele Expats bei uns nicht wohl fühlen. Und ebenso ist unser materieller Vorsprung zum Ausland viel kleiner als früher geworden. Der Wohlstand in Baden-Württemberg oder Bayern ist durchaus vergleichbar.

Sie scheinen kein typischer Schweizer zu sein: Auf Ihrer Internetseite steht zu lesen: «Ich setze mich ein für eine weltoffene Schweiz.»

Sie verkennen mit Ihrer Frage die Realität und unterstellen, der typische Schweizer sei nicht weltoffen. Es gibt kaum ein Land, das so sehr mit dem Ausland verflochten ist wie die Schweiz und hier liegt der Widerspruch zu unserer politischen Kultur der Abgrenzung. Diese bestimmt auch die politische Agenda der Rechten, die diese Verflechtung und damit unseren Wohlstand in Frage stellen will. Es wäre nur gut, wenn wir über die Kündigung der bilateralen Abkommen mit der EU abstimmen können. Und auch die sogenannte Selbstbestimmungsinitiative, die den hochstilisierten Volkswillen über völkerrechtliche Verpflichtungen und die Menschenrechte erheben will, lässt sich versenken, wenn wir den Mut haben, zu unserem Land zu stehen, so wie es ist.

Tim Guldimann: «Die Welt geht nicht den Bach runter. Ich habe jedoch Angst, dass die Prinzipien von Rechtsstaat, von Völker- und Menschenrechten und vor allem die Wahrheit erodieren.»
Tim Guldimann: «Die Welt geht nicht den Bach runter. Ich habe jedoch Angst, dass die Prinzipien von Rechtsstaat, von Völker- und Menschenrechten und vor allem die Wahrheit erodieren.»
Bild: Keystone

Wo finden Sie, geht es sozial gerechter zu – in der Schweiz oder in Deutschland?

In der Schweiz. Nicht wegen der Vermögens- und Einkommensverteilung. In beiden Ländern hat sich die soziale Schere geöffnet. Sondern vor allem wegen der in Deutschland weit grösseren Gefahr, nach unten durchzufallen. In Deutschland gibt es Armut, soziales Elend und eine erschreckend hohe Obdachlosigkeit. Das zeigt sich in Berlin auch im Strassenbild. Aber trotz unseres Wohlstandes, vergessen wir in der Schweiz oft die Armut, selbst wenn sie sich schon bei einem Einkommen von 4000 Franken einstellt.

Wo sollte Reichtum aufhören?

Ich unterstütze alle radikalen sozialen Forderungen in diesem Bereich, ob Reichtums- oder hohe Erbschafts- und Vermögenssteuern. Ich habe auch für das bedingungslose Grundeinkommen gestimmt, wenn auch mit etwas Bauchweh. Das wäre alles gut, nur ist das halt nicht konsensfähig.

Wann hatten Sie das letzte Mal das Gefühl: Mein Gott, die Welt geht bald den Bach runter.

Die Welt geht nicht den Bach runter. Ich habe jedoch Angst, dass die Prinzipien von Rechtsstaat, von Völker- und Menschenrechten und vor allem die Wahrheit erodieren. Wenn diese Grundwerte der Aufklärung in Frage gestellt werden, wird es sehr gefährlich. Es gibt keine Garantie, dass sie auch künftig gelten. Es ist – vor allem in den heutigen Zeiten – eine permanente Aufgabe, für ihren Erhalt zu kämpfen. Dabei geht es darum, dass Demokratie und Rechtsstaat sich gegenseitig bedingen. Nur so können die Rechte des Einzelnen vor dem Willen der andern geschützt werden. Der Wille der Mehrheit darf den Rechtsstaat nicht aushebeln. Genau das passiert zur Zeit in Polen. Das ist gefährlich.

Stellen Sie sich vor, die folgenden Leute hören Ihnen zu. Was sagen Sie zu Ex-Bundesrat Christoph Blocher?

Mehr Ehrlichkeit, dann gäbe es einige Themen, die wir offen so diskutieren könnten, dass es auch Punkte gäbe, wo ich ihm recht geben könnte.

... zu Bundeskanzlerin Angela Merkel?

Mehr europapolitische Absprachen und damit Rücksicht auf die europäischen Partner, wenn sie Entscheide fällt. Ihre Energiewende und ihre Flüchtlingspolitik waren Alleingänge, für die sie dann Probleme bekam, nachträglich europäische Unterstützung zu mobilisieren. Zudem fände ich es gut, wenn Deutschland sich noch aktiver in der internationalen Friedenspolitik engagieren würde. Es gibt keine Grossmacht auf der Welt, die aussenpolitisch so viel Glaubwürdigkeit hat wie Deutschland.

... zu US-Präsident Donald Trump?

Möglichst früh in Pension gehen und möglichst viel Golf spielen, anstatt Politik zu machen.

Päng! Plötzlich nimmt das Frage-Antwort-Spiel doch noch Tempo auf. Na dann, Endspurt.

Stellen Sie sich gelegentlich die Sinnfrage?

Ich stelle mir diese Frage nicht so lebensphilosophisch. Ich frage mich vielmehr, Ist es sinnvoll, was ich mache?

Was ist Ihnen heilig?

(Langes Nachdenken) Der Begriff ist mir unsympathisch, er ist metaphysisch. Wenn Sie sagen, was ist Ihnen wichtig, dann würde ich Ihnen antworten: konsequente Wahrheit.

Haben Sie ein Lieblingsfluchwort?

Nein. Das Wort «Liebling» ist positiv, Fluchen aber negativ besetzt.

Welches Buch liegt aktuell auf Ihrem Nachttisch?

Ein Buch über Huldrych Zwingli von Franz Rueb. Ich halte den Reformator für einen der ganz grossen Schweizer, der mit seinem humanistischen Gedankengut unser Land wie kein zweiter geprägt hat. Aber einer, der gegen die Katholiken in den Krieg gezogen ist, darf man in der Schweiz nicht feiern. Niklaus von der Flüh hat es einfacher.

Zur Person: Tim Guldimann

Tim Guldimann war von 2010 bis 2015 Schweizer Botschafter in Berlin. Nach seiner Pensionierung im diplomatischen Korps startete er eine politische Karriere: Seit zwei Jahren sitzt der 67-Jährige für die SP im Nationalrat. Guldimann wohnt weiterhin in Berlin. Seine Frau Christiane Hoffmann ist stellvertretende Leiterin des «Spiegel»-Hauptstadtbüros. Ihre beiden Töchter gehen in Berlin zur Schule.

Guldimann hat mehrere Bücher und wissenschaftliche Artikel verfasst. 2015 erschien das Buch: «Aufbruch Schweiz! – Zurück zu unseren Stärken», ein Gespräch von Christoph Reichmuth und José Ribeaud mit Tim Guldimann.

«Bluewin»-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten. Bötschi hat viel Erfahrung mit Interviews. Für die Zeitschrift «Schweizer Familie» betreute er viele Jahre die Serie «Traumfänger». Über 200 Persönlichkeiten stellte er dafür die Frage: Als Kind hat man viele Träume – erinnern Sie sich? Das Buch zur Serie «Traumfänger» ist im Applaus Verlag, Zürich, erschienen. Es ist im Buchhandel erhältlich.
«Bluewin»-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten. Bötschi hat viel Erfahrung mit Interviews. Für die Zeitschrift «Schweizer Familie» betreute er viele Jahre die Serie «Traumfänger». Über 200 Persönlichkeiten stellte er dafür die Frage: Als Kind hat man viele Träume – erinnern Sie sich? Das Buch zur Serie «Traumfänger» ist im Applaus Verlag, Zürich, erschienen. Es ist im Buchhandel erhältlich.
Bild: zVg
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