Eigenes Game lanciert Die SVP lässt dich jetzt auf Wölfe schiessen

gbi

6.10.2023

Achtung, ein Wolf! Im SVP-Game treibt das Grossraubtier mitten im Dorf sein Unwesen.
Achtung, ein Wolf! Im SVP-Game treibt das Grossraubtier mitten im Dorf sein Unwesen.
Bild: Screenshot

Die SVP macht mit einem Online-Spiel Stimmung gegen den Wolf. Die Partei feiert auch ihren Bundesrat Albert Rösti, weil er 70 Prozent der Wölfe töten lassen will. Umweltschutzgruppen und Kantone äussern Kritik.

gbi

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die SVP hat ein Internet-Game lanciert, bei dem die Spieler*innen möglichst viele Wölfe abschiessen müssen. 
  • Die Partei fordert, dass der Wolfsbestand in der Schweiz drastisch reguliert wird – und zwar rasch. 
  • SVP-Bundesrat Albert Rösti, seit Anfang Jahr auch Vorsteher des Umweltdepartements, will tatsächlich die überwiegende Mehrzahl von Wölfen im Land schiessen lassen.
  • Umweltschutzgruppen und auch die Kantone sprechen von einem fragwürdigen Vorgehen des Bundesrats. 

Je mehr Wölfe sterben, desto besser. So sieht es die SVP, die am Donnerstag im Internet ein Videogame zum Thema aufgeschaltet hat.

Das Prinzip ist einfach: Der Spieler muss per Mausklick möglichst viele Wölfe schiessen. Im ersten Level bedrohen diese eine Schafherde. Im zweiten sitzen sie Wanderern im Nacken. Und im dritten Level lauern die Wölfe – mit bedrohlichen roten Augen und gefletschten Zähnen – schon Kindern mitten im Siedlungsgebiet auf.

Der Wolf habe sich in der Schweiz massiv vermehrt, so die SVP, mit «schlimmen Folgen für Nutztiere und Menschen». Der Walliser SVP-Nationalrat Michael Graber sagt: «In Siedlungsgebieten muss Null-Toleranz gelten – Menschen und Nutztiere sind auch mittels präventiver Abschüsse vor Wolfsangriffen zu schützen.»

Geht es nach der SVP, soll die grossflächige Regulierung des Wolfsbestands in der Schweiz noch im Winter begonnen werden. Sie lobt hierbei ihren eigenen Bundesrat Albert Rösti, der sich genau dafür starkmache.

Unbestritten ist zweierlei: dass die Zahl der Wölfe in den letzten Jahren stark angestiegen ist. Und dass der seit Anfang Jahr amtende Umweltminister Rösti eine Mehrheit der Wölfe schiessen lassen will. Ansonsten besteht jedoch einiges an Diskussionsbedarf.

Dreimal so viele Wölfe, aber nicht dreimal so viele Risse

Derzeit leben in der Schweiz laut Angaben des Bundes über 300 Wölfe in 31 Rudeln, die meisten davon in den Bergkantonen Wallis und Graubünden. Zum Vergleich: 2019 waren es noch rund hundert Wölfe gewesen.

Die Zahl der gerissenen Nutztiere steigt aber nicht im gleichen Mass an. Im Kanton Graubünden etwa wurden im diesjährigen Alpsommer bis Anfang Oktober insgesamt 259 Schafe und Ziegen von Wölfen gerissen. Das sind halb so viele Tiere wie noch im Vorjahr, wie die Zeitung «Südostschweiz» berichtet. Die Zahl der Risse entspreche eher den Werten von 2020 — und dies, obwohl mittlerweile doppelt so viele Wölfe im Kanton lebten.

Dieser Trend zeichnete sich bereits ab: Arno Puorger, Grossraubtier-Experte beim Bündner Amt für Jagd und Fischerei, sagte im August zu blue News: Hier zeigten sich wahrscheinlich verschiedene Effekte, zu denen die Herdenschutzmassnahmen als auch die Abschüsse einzelner Wölfe zählten.

Sind auch die Nutztierrisse in der gesamten Schweiz zurückgegangen? Dazu kann das Bundesamt für Umwelt (Bafu) zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Angaben machen, wie es auf Anfrage von blue News hiess.

Röstis Vorgehen stösst auf Kritik

So oder so will Bundesrat Rösti ab Dezember rund 70 Prozent der in der Schweiz lebenden Wölfe töten lassen. Das sieht eine neue Verordnung vor, mit der das revidierte Jagdgesetz umgesetzt werden soll und die im Eilverfahren unter Dach und Fach gebracht wurde. Rösti schwebt eine Grössenordnung von zwölf Rudeln vor, wie er während einer Fragestunde im Nationalrat an der Herbstsession sagte.

Das Ziel des Bundesrats sei es, zum einen Menschen und Nutztiere zu schützen. Zum anderen solle der Wolf mit einem «Minimalbestand» an Tieren erhalten bleiben.

Die Frist für interessierte Kreise, zu dieser Verordnung Stellung zu nehmen, betrug nur wenige Tage. Was zu Irritation und Kritik führte. In einer gemeinsamen Stellungnahme schreiben WWF, Pro Natura, Birdlife und die Gruppe Wolf Schweiz von einem «demokratisch fragwürdigen Vorgehen».

Die Umweltschutzgruppen erinnern daran, dass sie dem neuen Jagdgesetz zähneknirschend zugestimmt hätten, das auch präventive Wolfs-Abschüsse vorsehe, um Schäden zu verhindern. Nun werde «durch die Hintertür» und «im Eilverfahren der Abschuss einer geschützten Tierart nach Quoten durchgesetzt».  Und zwar völlig unabhängig davon, ob ein Schaden oder eine Gefährdung bestehe. Gleichzeitig würden die Mittel für den Herdenschutz reduziert, was völlig unverständlich sei. 

Kantone warnen vor unrealistischen Erwartungen

Auch die Kantone kritisieren die Pläne des Bundesrats: Die Direktorenkonferenz für Wald, Wildtiere und Landschaft erinnert daran, dass der Wolf nach wie vor durch die Berner Konvention geschützt sei.

Moniert wird ferner die «willkürliche Ansetzung eines derart tiefen nationalen Schwellenwertes» von zwölf Rudeln. Das würde bei der Bergbevölkerung und der Landwirtschaft unrealistische Erwartungen wecken, zudem müssten auch «scheue Rudel eliminiert» werden, um diese Zielvorgabe zu erreichen. Beides erhöhe nur den Druck auf die Kantone.

SVP fordert erste Abschüsse im Winter

Die SVP dagegen fordert, dass die ersten Wölfe rasch geschossen werden. «Die Zeit drängt», sagt der Walliser Nationalrat Michael Graber, «deshalb fordern wir, dass der Bundesrat rasch handelt und bereits für diesen Winter erste Regulierungs-Abschüsse bewilligt.» Die Kantone müssten den Abschuss dann eiligst vollziehen. «Der Bergbevölkerung und der Landwirtschaft kann ein weiterer Aufschub nicht zugemutet werden.»

Schützen oder schiessen? Alle Augen sind auf den Wolf gerichtet

Schützen oder schiessen? Alle Augen sind auf den Wolf gerichtet

Die Schweiz diskutiert wieder über den Wolf. Soll sein Schutz gelockert werden, wie es das neue Jagdgesetz vorsieht? blue News besucht vor dem Abstimmungssonntag einen Schafzüchter und einen Umweltschützer.

26.09.2020