Impfberatung an der Haustür «Stoppt diesen behördlichen Blödsinn»

phi

6.10.2021

Impfberater, die zu Hause klingeln, öffnen Betrügern Tür und Tor, so die Befürchtung.
Impfberater, die zu Hause klingeln, öffnen Betrügern Tür und Tor, so die Befürchtung.
Symbolbild: KEYSTONE

Die angedachte Beratungsoffensive des Bundes spaltet die Gemüter. Die einen sehen darin ein valables Instrument, um die Impfquote hochzutreiben, die anderen warnen vor Betrug und Bauernfängern.

phi

In der vergangenen Woche haben sich laut Virginie Masserey 60'000 Menschen in der Schweiz impfen lassen. «Das ist zu langsam», sagte die BAG-Expertin am Dienstag bei einer Medienkonferenz in Bern. 

Mittlerweile sind 59 Prozent der Schweizer*innen doppelt geschützt – was im internationalen Vergleich wenig ist: Massnahmen wie das Impfen in Bussen oder Trams sind an ihre Grenzen gestossen.

Deshalb will Bern die nächste Stufe zünden – und rund 1700 Berater*innen durch die Kantone schicken, die ungeschützten Bürger*innen ins Gewissen zu reden. Möglicherweise soll ein Gutschein Ungeimpften den Schuss schmackhaft machen.



Ob eine solche Aktion tatsächlich überzeugen kann, steht jedoch in den Sternen. Das sagt sogar der Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen: «Ich weiss nicht, wie viel es bringen wird», zitiert das Onlineportal «Nau» Christoph Berger, der am Dienstagabend im «Club» von SRF über zu Gast war.

Können Berater so effektiv sein wie Hausärzte?

Einerseits könnten Impfberater an der Tür das Gefühl auslösen, der Staat wolle Druck auf die Ungeimpften machen. Andererseits ist Berger optimistisch: «Sie können aber bei jenen helfen, die zu bequem sind, die die Impfung zu mühsam oder zu unwichtig fänden.» 

Zustimmung kommt von Rudolf Hauri. Der oberste Kantonsarzt sagt, er habe oft genug gehört, dass seine Patient*innen einfach keinen Sinn darin sähen, sich impfen zu lassen. «Sie seien ja jung und gesund.» Im Gespräch habe er viele jener Skeptiker jedoch überzeugen können. Bleibt die Frage, ob wildfremde Berater*innen ähnliche Erfolge erzielen können wie persönliche Ärzt*innen, denen man seit Jahren vertraue.

Der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri scheint schon viele Skeptiker im Gespräch überzeugt zu haben. Lässt sich das auf etwaige Impf-Berater übertragen?
Der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri scheint schon viele Skeptiker im Gespräch überzeugt zu haben. Lässt sich das auf etwaige Impf-Berater übertragen?
KEYSTONE

Apropos Vertrauen: Bei der Medienkonferenz am Dienstag kam auch die Frage auf, ob es zutreffe, dass die Impfberater*innen bereits unterwegs seien. Das wurde vom BAG verneint, doch zeigt sich daran das Problem, das mit den Corona-Aufklärern einhergehen könnte: Bauernfänger könnten die Massnahme nutzen, um selbst Hausbesuche zu machen oder per Telefon Menschen hinters Licht zu führen.

«Heikle» Besuche an der Haustür

«Wer kennt sie nicht, die Geschichten von falschen Handwerkern und Polizisten, die vulnerable Menschen um ihr Bares brachten», warnt dann auch der Verband Avenir50Plus in einem Offenen Brief. «Die Ankündigung von staatlichen Hausbesuchen liest sich wie eine Einladung an Kriminelle, um sich Zutritt in Haushalte von älteren und alleinstehenden Menschen zu verschaffen, um sie auszurauben.»

Die Forderung: «Stoppt diesen behördlichen Blödsinn, bevor er absehbaren Schaden anrichtet.» Und auch die Stiftung für Konsumentenschutz hält «Besuche an der Haustür für sehr heikel»: «Haustürgeschäfte sind buchstäblich ein Einfallstor für allerlei betrügerische Maschen. Wir raten den Leuten immer, sich an der Haustür nicht auf irgendwelche Käufe und Abmachungen einzulassen», sagt Geschäftsführerin Sara Stalder dem «Tages-Anzeiger».

Das BAG wehrt sich mit dem Hinweis, bei der Idee mit den Berater*innen handle es sich bloss um «Vorschläge». Die Konsultationen dazu enden heute, Beschlüsse soll der Bundesrat dann am 13. Oktober fällen. Christoph Berger weiss, dass es zum Thema noch jede Menge Diskussionen geben wird. «In der Schweiz wollen wir viel mehr mitreden, ob wir viel verstehen oder nicht», sagte der Impf-Chef im «Club».