Fast 8000 ukrainische Flüchtlinge in der Schweiz registriert
Bis am Donnerstagmorgen haben sich 7903 Geflüchtete aus der Ukraine in der Schweiz registrieren lassen. Die Vertreter*innen der zuständigen Behörden erklären, wie die Unterbringung und Betreuung organisiert werden.
17.03.2022
Ukrainerinnen und Ukrainer werden in der Schweiz mit viel Wohlwollen aufgenommen. Wie werden sie untergebracht und betreut? Darüber informierten Vertreter*innen von Kantonen und Bund.
SEM schafft mit Formular Abhilfe bei Schlangen vor Asylzentren
Lange Schlangen von Ukraine-Flüchtlingen vor den Bundesasylzentren zur Registrierung für den Schutzstatus S sollen verschwinden. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat ein Formular online aufgeschaltet und vergibt aufgrund dieser Anmeldung Termine.
David Keller, der Leiter des Krisenstab Asyl im SEM, erklärte am Donnerstag vor den Medien in Bern, das am Mittwoch aufgeschaltete Formular werde bereits rege genutzt. Auf die Warteschlangen vor den Bundesasylzentren habe das bereits spürbare Auswirkungen.
Ein weiterer Vorteil ist, dass das Formular den Zugang zum Gesundheitswesen garantiert. Die Flüchtlinge können somit zum Arzt oder ins Spital. Die Rechnung übernimmt gemäss Keller das SEM. Später rechnet es mit den Krankenkassen und Kantonen ab.
Schutzstatus erst seit einer Woche
Die gesetzliche Grundlage für den Schutzstatus sei erst am vergangenen Freitag in Kraft getreten, rief Keller in Erinnerung. Das SEM habe die Behandlung der Registrierungen von anfänglich 500 unterdessen auf 1000 pro Tag gesteigert.
Die Arbeit schaffe es noch mit eigenem Personal, aber nicht über Wochen hinaus. Längerfristig müssten aber 100 bis 150 qualifizierte Arbeitskräfte angestellt werden.
Die Zahl der Unterbringungsplätze in den Bundesasylzentren bezifferte Keller am Donnerstag auf 9000. Zu Beginn des Kriegs in der Ukraine waren es 4000 gewesen. Ohne Obdach bleibt derzeit niemand, versicherte der Krisenstab-Leiter. Die Reserve betrage rund 1500 Betten. Die Lage sei unter Kontrolle. Das könne sich aber schnell ändern.
Beispielloser Flüchtlingsstrom
Christoph Curchod, der Leiter der Migrationsanalysen im SEM sagte, man sehe sich einem beispiellosen Flüchtlingsstrom gegenüber. In der Flüchtlingskrise aufgrund des Kriegs in Syrien sei Europa mit 1,5 Millionen Asylgesuchen konfrontiert gewesen.
Gemäss Zahlen des Uno-Flüchtlingshilfswerk hätten 3,2 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer ihre Heimat verlassen. Die Zahlen dürften indessen höher sein. Die weitere Entwicklung hängt gemäss Curchod von Intensität, Dauer und Flächenausdehnung des Kriegs ab.
Im weiteren konstatierte Curchod eine grosse Solidarität der Bevölkerung und der in der Schweiz ansässigen Ausland-Ukrainer. Die hohe Zahl der privaten Unterbringungen wertete er als Indiz dafür.
Kantone für ausgewogene Verteilung
Seitens der Kantone, welche die Flüchtlinge aufnehmen, sagte Gaby Szöllösy, die Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektor*innen, grundsätzlich nötig sei eine ausgewogene Verteilung der Flüchtlinge.
Es gehe nicht an, wenn diese in den Kantonen mit den grossen Städten bleiben würden. Auch unbegleitete Minderjährige oder besonders Verletzliche müssten wegen des erhöhten Betreuungsaufwands gleichmässig verteilt werden.
Florian Düblin, Generalsekretär der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren erwähnte, dass aus der Sicht seiner Konferenz die Sicherheitsüberprüfung der Geflüchteten wichtig ist. Diese führt das SEM durch.
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15.02 Uhr
Die Medienkonferenz ist beendet
Wir danken für das Interesse.
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15 Uhr
Wie ist die Verteilung der Flüchtlinge hinsichtlich Alter und Geschlecht?
Die Verteilung entspreche dem, was man erwarte, sagt Keller. Es seien vor allem Frauen im Alter bis 40 Jahre – grossteils Mütter mit Kindern. Auch befänden sich darunter Männer. Dabei handle es sich aber nicht notwendigerweise um Fahnenflüchtige. Auch Männer, die drei Kinder oder mehr hätten, dürften ausreisen. Grob geschätzt seien 20 Prozent Männer, der Rest Frauen und Kinder, so Keller.
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14.58 Uhr
Wie steht es um Corona-Impfungen für die Flüchtlinge?
Keller sagt, in den Zentren werde die Impfung angeboten, mit gängigen Impfstoffen. Aber diese sei selbstverständlich freiwillig.
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Welche Rolle spielt die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex aktuell?
Die Frontex unterstütze die Grenzkontrollbehörden, damit diese in der Lage seien, die Menschen zu erfassen, die einreisen. Ausserdem informiere die Frontex Menschen an der Grenze, wie lange sie warten müssen, antwortet Christoph Curchod (SEM).
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15.53 Uhr
Gibt es einen Verteilschlüssel für die Kantone?
«Es gibt selbstverständlich einen Verteilschlüssel», sagt Szöllösy. Es sei der übliche im Asylwesen und richte sich an der Einwohnerzahl der Kantone aus. Sie rechne damit, dass dieser Verteilschlüssel auch eingehalten werde.
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14.49 Uhr
Sind 200 zusätzliche Mitarbeitende beim SEM realistisch?
Keller sagt, es sei eine grosse Herausforderung dieses Personal zu bekommen. Man müsse andernfalls andere Ressourcen nutzen – dazu sei man auch mit anderen Organisatoren und Zeitarbeitsbüros im Kontakt. Am wichtigsten sei aber: «Aus der SEM-Zentrale werden nun Leute abgezogen», damit könnten andere Leistungen aber natürlich nicht erbracht werden. Diese Mitarbeiter zeigten sich sehr flexibel. «Dafür müssen wir ihnen auch mal ein Kränzli winden», sagt Keller.
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14.43 Uhr
Bekommen alle ein Dach über dem Kopf?
Keller sagt, das SEM könne das mit eigenen Mitteln nicht garantieren, aber man sei mit den Kantonen und anderen Organisatoren im Gespräch. Szöllösy ergänzt, die meisten Flüchtlinge würden ja nur kurz beim BAZ bleiben, sich dann aber mitunter auch selbst um eine Unterkunft kümmern. Das SEM würde in einem solchen Fall Personen, die eine Unterkunft bei Verwandten hätten, nicht in andere Kantone verteilen. Man könne zwar kein Dach über dem Kopf garantieren, sei aber gut aufgestellt. Für die nächsten Tage erwarte sie für alle ein Dach über dem Kopf.
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14.38 Uhr
Hat das SEM die Lage noch im Griff?
Momentan ja, sagt David Keller. Das könne sich aber schnell ändern. Momentan habe jede Person, die sich meldet, ein Dach über dem Kopf.
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14.35 Uhr
Die Fragerunde ist eröffnet
Was sind die Gründe für die Flüchtenden, in die Schweiz zu kommen? will ein Journalist wissen. Curchod sagt, er gehe soweit davon aus, dass die meisten Personen Verwandte oder Bekannte in der Schweiz hätten.
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14.33 Uhr
Risiko für Schutzsuchende
Florian Düblin, Generalsekretär der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) redet über die Bedeutung der Registrierung, bei der auch das Risiko durch die Personen überprüft werde.
Wichtig sei aber für alle Beteiligten, dass sie ein Auge darauf hätten, dass die Schutzsuchenden nicht Opfer von Menschenhandel, sexueller Ausbeutung oder Ausbeutung der Arbeitskraft missbraucht würden. Die Polizei habe dazu auch ihre Präsenz – etwa an Hauptbahnhöfen – ausgebaut.
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14.30 Uhr
Behörden arbeiten unter den Umständen gut zusammen
Szöllösy sagt, die Behörden würden unter den Umständen gut zusammen und engagiert arbeiten. Sie bitte jedoch um Verständnis, dass hier nicht alles klappen könne, wie man sich das wünsche. Man profitiere dabei auch aus den Erfahrungen der Flüchtlingskrise 2015
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14.28 Uhr
Zur Aufnahme bei Privaten
Die Kantone seien auch daran, zu eruieren, wie sie die Familien begleiten würden, die Flüchtlinge aufnehmen. Auch was den Spracherwerb angehe, mache man sich weiter Gedanken. Derzeit sei aber die Unterbringung vordringlich. Auch werde überlegt, wie die Gastfamilien zu entschädigen seien. Das müsse dann aber politisch entschieden werden, so Szöllösy.
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14.25 Uhr
Tool zur Termin-Vergabe
Die Kantone seien froh über ein neues Tool zum Termin-Management, welches das SEM nun entwickle, um hier für Entspannung für die Flüchtlinge und die Mitarbeitenden in den Zentren zu schaffen. Kantone müssten selbst entscheiden, ob sie die Unterbringung und Betreuung von Flüchtenden selbst bewerkstelligen wollen oder mit Organisationen zusammenarbeiten.
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14.23 Uhr
Gleichmässige Verteilung über Kantone angestrebt
Wichtig sei für die Kantone, dass es nicht zu einsitigen Belastungen der Kantone kommt, sagt Szöllösy. Man habe mit dem SEM deshalb vereinbart, dass jene Flüchtlinge, die keine Verwandten oder Freunde in bestimmten Kantone hätten, über die Kantone verteilt würden. «In der kleinteiligen Schweiz ist das zumutbar», sagt Szöllösy. Es zeichne sich ab, dass die Nachfrage nach privaten Unterkünften nicht so schnell bewältigt werden könne. Daher würden die Personen zuerst in den Kantonen platziert und erst später bei Privaten untergebracht, wenn sich eine längerfristige Lösung – mindestens drei Monate – ergebe.
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14.21 Uhr
Die Lage in den Kantonen
Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK), führt aus, wie die Lage in den Kantonen aussieht. So habe Zürich etwa zusätzlich 1000 weitere Betten in Hotels in Betrieb genommen. Es sei jedoch wichtig, dass die Flüchtlinge nicht ausschliesslich in den grossen Städten bleiben würden.
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14.19 Uhr
Kritische Zahl an Betten
Keller spricht die Zahl der Betten an. 9000 seien kritisch, sagt er, «man braucht mehr». Man müsste die Situation nun im Auge behalten und die Zahl immer weiter ausbauen.
Für das SEM sei die Verteilung an die Kantone schwierig, allerdings sei die Situation für die Kantone noch schwerer, sagt er. Ein Grossteil der Leute müsse vom Gemeinwesen aufgenommen werden. «Es ist eine riesige Herausvorderung Unterkünfte bereitzustellen, für uns und die Kantone».
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14.16 Uhr
Formular erfüllt drei Aufgaben
Durch das Formular für die Flüchtlinge sehe man genau, wer kommen wolle und könne die Leute gestaffelt einladen, sagt Keller. So könne verhindert werden, dass viele vergeblich vor den Zentren warten.
Das Formular stelle auch sicher, dass die betreffenden Personen Zugang zu Gesundheitsleistungen hätten. Sie bekämen damit ein entsprechendes Dokument, das sie dazu berechtige.
Die Globalpauschale für die Kantone könne mit dem Datum der Einreichung des Formulars zudem rückdatiert werden und die Kantone entsprechend entschädigt werden.
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14.15 Uhr
Verfahren zur Entzerrung
Keller sagt, man sei froh über die Privatunterbringungen, andernfalls sei man überlastet. Das Problem der Schlangen an den Zentren könne man indes nicht mit mehr Kapazitäten lösen. Die Menge der Menschen sei einfach nicht an einem Tag zu verarbeiten. Man versuche deshalb eine Staffelung zu erreichen. Die Leute könnten sich aus diesem Grund nun ein Formular aus dem Internet ziehen und dieses dann einreichen. Es sei seit heute in Kraft und werde bereits rege genutzt.
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14.11 Uhr
Das SEM bearbeitet 1000 Fälle am Tag
Seit letztem Samstag würden sieben Tage die Woche entsprechende Verfahren für die Flüchtlinge durchgeführt, sagt Keller. Man habe sich hier nun auf 1000 Fälle am Tag gesteigert. Mehr sei mit den derzeitigen Ressourcen wohl nicht möglich. Normalerweise könne man 2000 Asylgesuche im Monat bearbeiten. Nun komme man rechnerisch auf 30'000 im Monat.
Das SEM ziehe nun Personal aus anderen Abteilungen ab, um diese Aufgabe leisten zu können. Auch habe man die Bettenzahl von 4000 auf 9000 erhöht. Trotzdem sei das SEM nach wie vor darauf angewiesen, dass weitere Betten zur Verfügung stehen.
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14.08 Uhr
Zu den Vorbereitungen
David Keller, Leiter Krisenstab Asyl, Staatssekretariat für Migration (SEM), berichtet über die Vorbereitungen, seit der Status S verabschiedet wurde.
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14.07 Uhr
Bis zu 50'000 Flüchtlinge in der Schweiz
Die Schweiz habe eine kleinere Diaspora – man rechne entsprechend mit 500 und 1000 Personen am Tag. Aber auch hier könnten es mehr sein. Bei anhaltendem Krieg könne der Anteil aber steigen. «Das ist aber spekulativ.» Man rechne dann mit einer Gesamtzahl von bis zu 50'000 Menschen.
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14.06 Uhr
Zahlen
Man habe in Europa derzeit bedeutend mehr als 3,2 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine, vornehmlich Frauen und Kinder. Man wisse aber nicht, wie viele es wirklich seien. Auch nicht genau, wohin sie gewandert seien. Hier sei nicht zuletzt die Distanz entscheidend.
Täglich würden derzeit 100'000 Personen die Ukraine verlassen, wie viele es noch würden, könne niemand derzeit sagen. Curchod spricht von riesigen Dimensionen, selbst wenn die Zahlen rückläufig sind.
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14 Uhr
Es geht los
Christoph Curchod, Leiter Migrationsanalysen SEM, eröffnet die Medienkonferenz. Er erinnert an die Migrationskrise von 2015 und erörtert, dass man es nun mit «völlig neuen Dimensionen» zu tun hat, wie es sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben habe. «Wir stehen alle auf Neuland», so Curchod.
Der Krieg in ihrer Heimat treibt Millionen von Ukrainer*innen in die Flucht. Einige wählen den Weg in dien Schweiz: Bis zum Donnerstagmorgen haben sich 7903 Geflüchtete bei den hiesigen Behörden registrieren lassen.
Die Vertriebenen erfahren in der Schweizer Bevölkerung grosse Solidarität: Gemäss der Schweizerischen Flüchtlingshilfe stehen landesweit 45'000 Betten in Privatunterkünften bereit. Hinzu kämen 5000 Betten in Hotels, Pfadiheimen und anderen ungenutzten Gebäuden.
Natürlich nehmen sich auch Bund und Kantone der Ukraine-Flüchtlinge an. Wie der Stand der Dinge bei Registrierung, Betreuung und Unterbringung aussieht, darüber informieren die zuständigen Behörden am Donnerstag ab 14 Uhr. blue News deckt die Pressekonferenz im Live-Ticker ab.
Dass es viel Platz braucht, davon geht auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter aus: Die Justizministerin rechnet bis zum Juni mit bis zu 50'000 Ukraine-Flüchtlingen, wie sie am Mittwoch vor den Medien erklärte.
Folgende Expert*innen werden informieren
- Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK)
- Florian Düblin, Generalsekretär der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD)
- David Keller, Leiter Krisenstab Asyl, Staatssekretariat für Migration (SEM)
- Christoph Curchod, Leiter Migrationsanalysen SEM