Brian kommt frei Experte glaubt an erfolgreiche Resozialisierung

aru

1.11.2022

Der forensische Psychiater Thomas Knecht sieht in Brians Prominenz auch eine Chance.
Der forensische Psychiater Thomas Knecht sieht in Brians Prominenz auch eine Chance.
Spitalverbund Appenzell

In wenigen Tagen kommt einer der bekanntesten Schweizer Straftäter auf freien Fuss. Wie stehen die Chancen, dass sich Brian, der seit 2017 inhaftiert ist, wieder eingliedert?

aru

Keine Meldepflicht, kein Rayonverbot. Der 27-jährige Brian soll ganz ohne Ersatzmassnahmen aus dem Gefängnis entlassen werden. Seit 2017 sitzt er in Untersuchungs- oder Sicherheitshaft. Wie das Zürcher Obergericht am Dienstag bekannt gab, drohe nun eine Überhaft. Dabei sitzt ein Häftling länger in der U-Haft, als die zu erwartende Strafe ausfallen würde.

Wie stehen die Chancen, dass sich Brian, der insgesamt zehn Jahre seines Lebens im Gefängnis verbracht hat, wieder in die Gesellschaft integriert? Thomas Knecht, forensischer Psychiater und leitender Arzt in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Herisau, sagt zu «20 Minuten», dass es nicht zu einer kurzfristigen Katastrophe kommen müsse.

Brian müsse sich langfristig wieder daran gewöhnen, Eigenleistung zu erbringen. «Kann er dies nicht, könnte es zu einem Missverhalten führen. So können illegale Erwerbsformen durchaus zum Thema werden», sagt Knecht.

Obwohl Brian in den vergangenen acht Monaten im Gefängnis durch gutes Verhalten aufgefallen ist – nur einmal schubste er einen Mitinsassen von sich – sei Gewaltbereitschaft vorhanden. «Diese ist nach wie vor weit überdurchschnittlich und durch das Kampfsporttraining auch sehr effizient», sagt Knecht weiter. Ein Sadist sei Brian jedoch nicht. Statistisch betrachtet liege die Gefahr, in den ersten fünf Jahren nach Haftentlassung wieder gewalttätig zu werden, zwischen 25 und 50 Prozent.

«Er ist mit Vorurteilen behaftet und bringt ein gewisses Image mit sich.»

Thomas Knecht

Forensischer Psychiater

Brian solle sich unauffällig und angepasst verhalten

Dass Brian aufgrund dieser Aussichten besser verwahrt hätte werden sollen, glaubt Knecht nicht. Denn: «Eine Verwahrung ist an strenge juristische Kriterien gebunden (...) Es ist wahrscheinlich juristisch begründbar, dass dieses Mittel beim jungen Straftäter nicht angewendet wurde.»

Nach der Freilassung müsse dafür gesorgt werden, dass keine Mangelsituationen geschaffen werden. Das heisst, dass beispielsweise kein Geld mehr vorhanden ist.

Darüber hinaus rät Knecht, Brian solle sich so unauffällig und angepasst wie möglich verhalten. «Er ist mit Vorurteilen behaftet und bringt ein gewisses Image mit sich.»

Seine Prominenz könnte sich auf Brians Integration positiv auswirken. «So kann es beispielsweise gut sein, dass ein Unternehmen ihm eine berufliche Chance gibt, um in der Öffentlichkeit als sozial dazustehen», sagt Knecht. Auch könne seine Prominenz dazu führen, dass er in der Öffentlichkeit stärker darauf achtet, nicht negativ aufzufallen.