Obergericht Zürich Brian kommt auf freien Fuss

uri

1.11.2022

Das Schicksal von Brian beschäftigt die Justiz seit Jahren. (Gerichtsskizze)
Das Schicksal von Brian beschäftigt die Justiz seit Jahren. (Gerichtsskizze)
Keystone

Machtwort im Fall Brian: Der 27-jährige Häftling wird in den nächsten Tagen aus der Sicherheitshaft entlassen. Dies hat das Zürcher Obergericht angeordnet.

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Brian wird in den kommenden Tagen aus der Sicherheitshaft entlassen. Dies hat das Obergericht des Kantons Zürich am Dienstag mitgeteilt. Der mittlerweile 27-Jährige wurde in jugendlichem Alter als Intensivstraftäter bekannt, zunächst noch unter dem Pseudonym «Carlos».

Der Fall des jungen Mannes beschäftigt die Justiz schon seit Jahren. Auch der UNO-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, hatte im Jahr 2021 die Schweiz für die Haftbedingungen kritisiert und bei Aussenminister Ignazio Cassis interveniert. Er forderte eine unabhängige Untersuchung sowie die Lockerung der Haftbedingungen.

Seit fünf Jahren in Untersuchungshaft

Nun endet das strenge Haftregime. Brian befindet sich seit mehr als fünf Jahren ununterbrochen in Untersuchungs- oder Sicherheitshaft. Wie das Zürcher Obergericht mitteilte, müsse er aus der Sicherheitshaft entlassen werden, weil diese nicht länger dauern dürfe als eine zu erwartende Freiheitsstrafe.

Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, von Januar 2017 bis Oktober 2018 verschiedene Delikte begangen zu haben. Die Strafe, die er dafür voraussichtlich bekommen wird, könnte durch die jahrelange Untersuchungs- und Sicherheitshaft bereits verbüsst sein, schreibt das Gericht.

Strafverfahren ist immer noch hängig

Das Bezirksgericht Dielsdorf verurteilte Brian wegen versuchter schwerer Körperverletzung sowie weiterer Delikte zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten. Das Obergericht Zürich erhöhte die Strafe auf sechs Jahre und vier Monate.

Das Bundesgericht hob diesen Entscheid mit Urteil vom 12. November 2021 auf und wies das Verfahren ans Obergericht zurück. Dieses hat noch nicht erneut entschieden.

Während der Untersuchungs- und Sicherheitshaft reichten Brians Anwälte verschiedene Beschwerden ein. Das Bundesgericht lehnte zuletzt im Mai 2022 eine Beschwerde gegen die Verlängerung der Sicherheitshaft ab. Gleichzeitig wies das oberste Gericht darauf hin, dass die Gefahr der «Überhaft» bestehe. Das heisst, die Sicherheitshaft könnte länger dauern als die zu erwartende Freiheitsstrafe aus dem noch offenen Verfahren.

Das Obergericht hielt eine Fortführung der Sicherheitshaft für nicht mehr verhältnismässig. Die vom Bezirksgericht Dielsdorf verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten hätte Brian bereits vor vier Monaten vollständig abgesessen.

Das Berufungsverfahren vor Obergericht wird laut Mitteilung noch einige Zeit in Anspruch nehmen, da sehr umfangreiche Beweisanträge gestellt worden seien.

Anwälte des jungen Straftäters Brian erstatten Strafanzeige

Anwälte des jungen Straftäters Brian erstatten Strafanzeige

Die Rechtsanwälte des jungen Straftäters Brian, der unter dem Namen «Carlos» bekannt wurde, haben im Auftrag ihres Mandanten Strafanzeige erstattet. Sie fordern eine lückenlose Aufklärung der Foltervorwürfe durch eine unabhängige Stelle und die sofortige Freilassung.

21.02.2022

Der Entscheid des Obergerichts über die bevorstehende Entlassung von Brian aus der Sicherheitshaft kann noch an das Bundesgericht weitergezogen werden. Die Zürcher Staatsanwaltschaft nimmt den Entscheid zur Kenntnis und prüft mögliche weitere Schritte, wie sie auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilte.

Haftbedingungen kritisiert

Die lange Sicherheitshaft und die Haftbedingungen beschäftigten in den vergangenen Jahren nicht nur verschiedene Gerichte, sondern auch die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter sowie den UNO-Sonderberichterstatter für Folter, den Schweizer Juristen Nils Melzer. Beide kritisierten die Bedingungen von Brians Haft und forderten Verbesserungen.

Im Januar dieses Jahres kündigte die zuständige Zürcher Justizdirektion deshalb die Verlegung von Brian in ein normales Untersuchungsgefängnis an. Zuvor sass er längere Zeit in einer Einzelzelle der Justizvollzugsanstalt Pöschwies.