Untersuchung enthüllt Schweizer Priester hat 67 Kinder missbraucht – und blieb dennoch im Amt

euc

12.9.2023

Eine Studie enthüllt grosse Fehler im Umgang mit Missbrauchstätern innerhalb der Schweizer Kirche. 
Eine Studie enthüllt grosse Fehler im Umgang mit Missbrauchstätern innerhalb der Schweizer Kirche. 
Arno Burgi/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild

Eine Untersuchung hat über 1000 Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in der Schweiz seit 1950 aufgedeckt. Darunter ist auch ein exemplarisches Beispiel. Ein Priester, der 67 Kinder missbraucht hat – und dennoch im Amt blieb.

euc

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Eine Studie zu sexuellem Missbrauch innerhalb der Schweizer katholischen Kirche bringt einen Extremfall ans Licht.
  • In der Studie wird ein Priester erwähnt, der 67 Kinder sexuell missbraucht hat.
  • Obwohl man innerhalb der Kirche von den Taten wusste, und der Mann eine Haftstrafe antrat, blieb er Priester.

Innerhalb der katholischen Kirche in der Schweiz wurden mittels einer Studie der Universität Zürich Missbrauchsfälle untersucht. Mindestens 1002 Fälle von sexuellem Missbrauch wurden seit 1950 belegt. Die Studie deckt auch auf, wie gravierend teils bekannte Fälle ignoriert worden.

So befasst sich die Studie auch mit dem Fall des Priesters G. A. Exemplarisch wird an dem Beispiel gezeigt, wie mit Missbrauchstätern umgegangen wurde.

Priester mit zwei Verurteilungen

In den frühen 1960er-Jahren wurde der Priester G. A. aufgrund von «wiederholter und fortgesetzter Unzucht mit und vor Kindern» zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Das war laut der Studie bereits seine zweite Verurteilung.

Und: Nachdem er zuvor in einer Gemeinde des Bistums Chur in der Innerschweiz und später im Mittelland unter dem Bistum Basel laut Gerichtsdokumenten mindestens 67 Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern begangen hatte.

Die Verantwortlichen der katholischen Kirche unternahmen nach seiner ersten Verurteilung nichts, um ihn seines Amtes zu entheben. Stattdessen erlaubten sie ihm weiterhin, in der Seelsorge tätig zu sein und Kontakt zu Kindern zu haben.

Taten sollten verschleiert werden

Laut der Studie versuchten sie seine Taten durch eine Versetzung bewusst zu verschleiern. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis erwartete G. A. nicht etwa die Arbeitslosigkeit – sondern eine erfolgreiche Karriere innerhalb der Kirche. Er wurde zum Pfarrer gewählt und konnte fast vierzig Jahre lang in verschiedenen Gemeinden tätig sein.

In der Studie ist auch nachzulesen, wie damals mit dem Missbrauch umgegangen wurde. Als G. A. während seiner Anstellung in einer Innerschweizer Gemeinde wegen «Unzucht mit Kindern» die erste bedingte Gefängnisstrafe mit fünf Jahren Bewährungsfrist bekam, schrieb ein Pfarrer an den damaligen Bischof von Chur.

«Keineswegs ein Einzelfall»

Er liess mitteilen: «Das ging wie ein Feuer durchs Dorf und ich habe am Sonntag drauf von der Kanzel aus, so gut ich konnte, Stellung genommen. Das muss gewirkt haben, denn auf einmal wurde es still. Auch habe ich meine Einstellung, die betrübliche Sache zu verheimlichen und zu unterschlagen, begründet und man hat es begriffen. Das war ein schwerer Sonntag.»

In der Studie heisst es weiter: «Der Lebenslauf des Priesters G. A. ist keineswegs ein Einzelfall: Fälle sexuellen Missbrauchs durch katholische Kleriker und kirchliche Angestellte gab es in der Schweiz im 20. Jahrhundert in grosser Zahl. Zahlreiche Betroffene kämpfen bis heute mit den immensen Folgen dieser Erfahrungen.» 

Kirche ergreift Massnahmen

Die katholische Kirche kündigt als Reaktion auf die Enthüllungen schweizweit folgende Massnahmen an: Es sollen neue Meldestrukturen und -stellen für Betroffene eingerichtet werden. Des Weiteren plant die Kirche die Einführung einer schweizweit standardisierten psychologischen Prüfung für kirchliche Angestellte.

Zudem soll das Personalwesen professionalisiert werden. Ein Verbot der Aktenvernichtung von Dokumenten, die sexuellen Missbrauch schildern oder dokumentieren, wird ebenfalls festgelegt. Alle Bistümer haben sich dazu verpflichtet, diese Massnahmen in einer Selbstverpflichtung festzuhalten.