In der am Dienstag veröffentlichten Pilotstudie der Uni Zürich ist die Rede von rund 1'000 Fällen sexuellen Missbrauchs im Umfeld der katholischen Kirche. Es handle sich dabei um die Spitze des Eisbergs, hiess es. Ausführlich dargestellt wurden aber nur einige exemplarische Fälle. Zwei davon stammen aus dem Bistum St. Gallen.
In einem Kinderheim in Lütisburg SG gab es zwischen 1978 und 1988 massive sexuelle Übergriffe und Gewalt, die einem Priester, der als Direktor amtete, aber auch Menzinger Schwestern vorgeworfen werden.
Betroffene hatten sich damals bei den beiden Vorgängern des aktuellen St. Galler Bischofs Markus Büchel gemeldet. Der damalige Direktor ist inzwischen verstorben. Nach 1988 wurde die Institution komplett reorganisiert und wird seither nicht mehr von der Kirche geführt.
Bischof Markus Büchel: «Ich bin ertappt worden»
«Ich habe keine Anzeige eingereicht, obwohl ich es hätte tun sollen», so der St. Galler Bischof Markus Büchel in Bezug auf die sexuellen Missbräuche in der katholischen Kirche. Er sei gewiss ertappt worden, denke im Moment aber noch nicht daran, von seinem Amt zurückzutreten.
13.09.2023
Nach Meldungen nicht gehandelt
Der zweite Fall handelt von einem Priester mit dem Übernamen «Pfarrer Tätscheli». Ihm wurden wiederholt sexuelle Übergriffe – unter anderem in einem Kinderheim – vorgeworfen. In die Abklärungen, die durch Meldungen ausgelöst wurden, war Ivo Fürer, der Vorgänger von Büchel, involviert.
Es gab damals Empfehlungen des Fachgremiums des Bistums, einer 2002 ins Leben gerufenen Anlaufstelle für sexuelle Übergriffe in der Seelsorge. Diese verlangte den Rücktritt des Pfarrers von seiner Funktion im Bistum sowie eine Überprüfung von dessen Lebens- und Arbeitsfeldern.
Doch der damalige Bischof unternahm keine Schritte, die dokumentiert wären. Der Fall wurde auch nicht nach Rom gemeldet. 2012 sei der Pfarrer nach erneuten Meldungen in ein Kloster versetzt worden, heisst es in der Pilotstudie. Er sei aber auch danach noch im Bistum seelsorgerisch tätig gewesen.
An der Medienkonferenz ging es hauptsächlich um diesen Fall. Bischof Markus Büchel erklärte, bei seinem Amtsantritt sei ihm kein offener Fall gemeldet worden. «Ich habe einen grossen Fehler gemacht», sagte er. Er habe die Abklärungen seines Vorgängers nicht erneut geprüft und gehandelt.
Bischof Markus Büchel: «Ich habe einen grossen Fehler gemacht»
An einem Mediengespräch nahm der St. Galler Bischof Markus Büchel Stellung zu den sexuellen Missbräuchen in der katholischen Kirche. «Ich habe einen grossen Fehler gemacht», sagte er vor den Medien.
13.09.2023
Strafanzeige gegen Unbekannt
Nun sei aber eine Voruntersuchung eingeleitet worden. Zudem wurde eine Strafanzeige eingereicht. Sie richtet sich gegen unbekannt. Das Bistum wisse nicht, wer die in der Studie nur mit einem Kürzel bezeichnete Person sei, wurde gleich mehrfach erklärt.
Er werde sich für ein schonungsloses Aufdecken und Aufarbeiten einsetzen, sagte Büchel. Er sei zudem bereit, Betroffene persönlich zu treffen.
Die an der Medieninformation anwesende Präsidentin der IG für missbrauchsbetroffene Menschen im kirchlichen Umfeld (IG-M!kU), Vreni Peterer, wollte vom Bischof wissen, ob der betreffende Priester suspendiert wurde und nicht mehr seelsorgerisch tätig sei. Es seien Massnahmen getroffen worden, lautete die Antwort.
Das Bistum will als Folge der Pilotstudie unter anderem interne Abläufe kritisch überprüfen. Weiter würden keine Akten mehr vernichtet. Bisher war dies nach Ablauf von zehn Jahren möglich.
Meldungen von sexuellen Übergriffen durch das Kirchenpersonal dürfe ein Bischof seit 2019 nicht mehr selber abklären, hiess es an der Medienorientierung. Es müsse immer eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft gemacht werden.