Ärger ennet der Grenze Schweizer Bauern kaufen Deutschen das Ackerland weg

tgab

24.7.2024

Damit die Ernte zollfrei in die Schweiz gebracht werden darf, müssen die Felder in Deutschland von einem Schweizer Betrieb aus der Schweiz heraus bewirtschaftet werden.
Damit die Ernte zollfrei in die Schweiz gebracht werden darf, müssen die Felder in Deutschland von einem Schweizer Betrieb aus der Schweiz heraus bewirtschaftet werden.
Gaetan Bally/KEYSTONE

Schweizer Bauern nutzen ein altes Abkommen, um in Baden-Württemberg günstig Land zu kaufen und die Ernte zollfrei in die Schweiz einzuführen. Die deutschen Landwirte in der Region fühlen sich übervorteilt.

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  • Schweizer Bauern können in Deutschland vergleichsweise günstig Land kaufen oder pachten.
  • Die Produkte dürfen sie zollfrei in die Schweiz einführen, wenn der Anbau nicht weiter als zehn Kilometer von der Grenze entfernt erfolgt.
  • Den Deutschen Landwirten stösst das sauer auf. Zwar dürften sie genau das gleiche tun, doch wegen der Wirtschaftslage bringt ihnen die Regelung nichts. Sie fühlen sich übervorteilt.

Seit Jahrzehnten sorgt eine Regelung für Ärger unter Nachbarn entlang Baden-Württembergs Südgrenze. Genauer: seit dem Jahr 2002, als das Freizügigkeitsabkommen eingeführt wurde, das es Schweizern erlaubt, Grund und Boden in Deutschland zu erwerben.

Seitdem haben Schweizer Bauern Tausende Hektar Ackerland auf deutscher Seite gekauft oder gepachtet und bewirtschaften es. Sie können höhere Pacht- und Landpreise bezahlen und verdrängen damit die deutschen Landwirte.

Ein Zollabkommen aus dem Jahr 1958, das den Grenz- und Durchgangsverkehr regelt, erlaubt es ihnen zudem, ihre auf deutscher Seite innerhalb eines 10-Kilometer-Streifens zur Grenze angebauten Agrarprodukte zollfrei in die Schweiz zu importieren. Dort kann der Schweizer Landwirt seine in Deutschland angebauten Kartoffeln dann als «Schweizer Härdöpfel» zu den in der Schweiz üblichen höheren Erzeugerpreisen verkaufen.

Zwar dürften das umgekehrt auch die Deutschen Bauern, also in der Schweiz anbauen und zollfrei in Deutschland einführen. Da aber Getreide und Gemüse in der Schweiz teurer verkauft werden können als in Deutschland, haben die deutschen Kollegen nichts davon. Obendrein bekommen die Schweizer finanzielle Beihilfen der EU und das, obwohl die Schweiz gar nicht Teil der EU ist.

Der Ärger der deutschen Landwirte ist gewaltig

Kein Wunder, dass sich die Deutschen Bauern übervorteilt fühlen, um nicht zu sagen vor Wut mit den Köpfen rauchen. «Mir stösst das saumässig auf, wenn ich höre, wie sich die Schweizer Bauern hier bei uns bedienen», sagt Bio-Bauer Oswald Tröndle gegenüber «Die Zeit». Mehr als 5700 Hektar deutscher Boden werden von Basel bis zum Bodensee von Schweizer Landwirten beackert, schreibt die Wochenzeitung.

Zwar dürfen in Baden-Württemberg seit 2009 landwirtschaftliche Flächen innerhalb der Zehn-Kilometer-Grenzzone nicht für mehr als 120 Prozent des ortsüblichen Preises verkauft werden. Doch in der Praxis wirke das Gesetz «leider nicht wie erhofft», schreibt das Landwirtschaftsministerium Baden-Württemberg. Der deutsche Bio-Landwirt Tröndle hat dafür eine Erklärung: «Die deutschen Landbesitzer verkaufen an die Schweizer, weil diese mehr dafür bezahlen.»

«Die Deutschen würden genau dasselbe machen»

«Jeder Vertrag braucht immer zwei Unterschriften. Die Deutschen verkaufen ihr Land ja freiwillig an uns», sagt Christoph Graf, Präsident des Schaffhauser Bauernverbandes, zu «Blick». Tatsächlich besitzt im Kanton Schaffhausen jeder vierte Landwirt ein mehr oder weniger grosses Stück Land auf der deutschen Seite der Grenze.

«Wenn die wirtschaftliche Lage umgekehrt wäre, würden die Deutschen genau dasselbe machen», gibt Graf zu bedenken. Aber natürlich habe er Verständnis für die Forderung nach Einfuhrzöllen. «Würden die Deutschen unser Land aufkaufen, wären wir auch nicht glücklich und hätten wohl das gleiche Anliegen.»