Therapie und Teufelsglaube «Satanic Panic» im Berner Oberland

phi

14.6.2023

Schauspieler Richard Chamberlain spielt 2012 «The Exorcist» im Geffen Theater in Los Angeles. 
Schauspieler Richard Chamberlain spielt 2012 «The Exorcist» im Geffen Theater in Los Angeles. 
KEYSTONE

Tief religiöse Opfer von Missbrauch verbinden ihr Leiden mitunter mit dem Glauben, sie seien von Teufelsanbetern umprogrammiert worden. Wenn die Therapie da mitmacht, ergeben sich Probleme, warnen Experten.

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  • «Satanic Panic» beschreibt den Glauben, Teufelsanbeter würden ihre Opfer durch rituelle Gewalt programmieren und ihre Gedanken beherrschen.
  • Laut SRF ist der Aberglauben im Berner Oberland verbreitet. Selbst medizinische Therapie und kirchliche Seelsorge seien dort davon beeinflusst.
  • Es gibt für die Verschwörungstheorie keinerlei Beweise. Experten warnen davor, sie bei der Therapie von Missbrauchsopfern anzuwenden.

In tief religiösen Kreisen in der Schweiz breitet sich die «Satanic Panic» aus, berichtet das SRF: Darunter versteht man den Glauben, dass Menschen durch Gewaltrituale von Teufelsanbetern im weiteren Denken kontrolliert oder programmiert werden.

Das Phänomen tritt bei Personen auf, die psychisch krank sind, nachdem sie missbraucht worden sind. Zum Problem werde es, wenn sich ihre Therapie nicht davon distanziert. Auch Pfarrer Paul Veraguth glaubt daran, dass Frauen rituell missbraucht und so zu «Teufelsbräuten» umprogrammiert werden können.

Veraguth hat einst für die reformierte Kirche Wattenwil gearbeitet und ist nun als Seelsorger tätig. Er leite eine Selbsthilfegruppe und habe bisher ein Dutzend Frauen betreut, die allesamt sehr gläubig sind. «Ich arbeite mit Gebeten und Gott», sagt er dem SRF. Er habe auch schon einer Frau geholfen, ihren Namen zu ändern. Dafür ist ein medizinisches Gutachten Voraussetzung.

«Nicht das Gleiche wie eine Problemlösung»

So vermischen sich Glauben, medizinische Einordnungen und die Arbeit von Behörden, staunt das SRF. Auch Thomas Knecht ist negativ überrascht: «Es kann wohltuend sein, wenn man sich aus der Eigenverantwortung ein Stück weit entlassen fühlt», erklärt der forensische Psychiater. «Aber es ist nicht das Gleiche wie eine Problemlösung».

Die Opfer hätten in der Regel sexuelle Gewalt erfahren, doch dass es eine Programmierung von Gedanken gibt, sei schlicht unrealistisch. Deshalb helfe die Mär vom Teufel auch nicht: «Eine Therapie sollte Patientinnen zu Selbstbestimmung hinführen», mahnt Knecht. Auch Thomas Ihde von der Stiftung Pro Mente Sana äussert sich beim SRF kritisch.

Schaupsieler Max Von Sydow als Vater Merrin im Film «The Exorcist».
Schaupsieler Max Von Sydow als Vater Merrin im Film «The Exorcist».
Bild: Keystone

«Behandlerinnen und Behandler finden dann Antworten in dieser Verschwörungstheorie», verdeutlicht Ihde. «Damit entsteht ein Konstrukt, das im Interesse aller Beteiligten scheint.» Es entstehe eine Wechselwirkung: «Patienten merken, wie sie immer wieder zu gewissen Themen befragt werden und für gewisse Antworten belohnt werden.»

Die Satanismus-Theorie ist angeblich von Deutschland in die Schweiz geschwappt. Dass rituelle Gewalt ermöglicht, Gedanken zu kontrollieren, ist Aberglauben, ist sich Ihde sicher: «Wir haben keinerlei Hinweise, dass es dies gibt.» Wenn sich die Therapie darauf einlasse, sei das «Aktionismus». Im Berner Oberland scheine es besonders viele Anhänger der Theorie zu geben, weiss das SRF.