Passagiere verärgertRollstühle nur oben, Züge zu heiss – bei den SBB läuft ziemlich viel schief
tafi
23.7.2019
Die SBB kommen gerade ganz schön ins Schwitzen: Weil Rollstuhlfahrer in Doppelstockzügen nur im oberen Abteil Plätze reservieren können und die Klimaanlagen vor der Hitze kapitulieren, sind viele Reisende sauer.
Es klingt absurd, entspricht aber der Realität: Wenn sich Rollstuhlfahrer in Doppelstockzügen der SBB einen Platz reservieren wollen, werden sie in Doppelstockzügen automatisch im Oberdeck platziert. Davon berichtet die Gewerkschaftspublikation «SEV-Zeitung» (PDF-Download) in ihrer aktuellen Ausgabe.
Schuld daran sei die zentrale Buchungssoftware der SBB, schreibt die Zeitung, die sich auf den konkreten Fall eines Reisenden beruft. Der Mann habe am Schalter drei Plätze für je fünf Franken reserviert: Ein Mitarbeiter der SBB teilte ihm mit, dass dies nur im oberen Zugteil möglich sei. Unter grossen Anstrengungen und Schmerzen habe der Mann eine seine Begleiterinnen, eine 71-jährige Hemiplegikerin, die einseitig am ganzen Körper gelähmt ist und nur mit Stöcken gehen kann, in die obere Etage «hieven» müssen.
«Warum ist das SBB-Buchungsprogramm nicht imstande, Plätze im unteren Wagenteil zu reservieren?», fragte der Mann in der «SEV-Zeitung». «Alle reden vom Behindertengesetz, aber das ist daneben.» Laut SBB handelte es sich um ein Missverständnis: Es wäre gar nicht nötig gewesen, Plätze zu reservieren. «Sie hätten einfach die reservierten Plätze für mobilitätseingeschränkte Personen nutzen können – diese gibt es in jedem Wagen im Unterdeck.» Diese sind mit einem Hinweisschildchen versehen, das Reisende auffordert, die Plätze für mobilitätseingeschränkte Personen freizugeben.
SBB-Reservationssystem völlig veraltet
Das Problem bei der Sache: Die Durchsetzung ihres Anspruchs obliegt den betroffenen Personen selbst, wie Karin Blättler vom Fahrgastverband «Pro Bahn Schweiz» konstatiert. Während die Einschränkungen bei Rollstuhlfahrenden offensichtlich seien, dürfte es eine an Krücken gehende Person «in einem vollbesetzten Zug schon schwerer haben», so Blättler, die sich über das total veraltete Reservationssystem der SBB ärgert.
Auch der betroffene Reisende selbst bezweifelt, dass die Plätze problemlos freigegeben würden, wenn dort schon andere Reisende sässen, «die selber nicht gut zu Fuss oder einfach müde sind.» Vor allem im Sommer könnte das in der Tat schwierig werden, wenn die Hitze den Reisenden zusätzlich zu schaffen macht.
Reisende schwitzen trotz Kilmaanlagen
Denn nicht nur die Platzreservierungen bereiten den Reisenden derzeit Probleme, auch die Klimaanlagenpolitik der SBB sorgt für Unmut. Laut «20 Minuten» haben die SBB viele Reklamation bezüglich der Klimatisierung erhalten. Die Bahn habe sich zwar bereits für Unannehmlichkeiten entschuldigt. «Dass die SBB nur fünf Grad unter die Aussentemperatur kühlen wollen, ist total lächerlich», kritisiert jedoch Andreas Theiler, Mediensprecher der Berner Sektion von Pro Bahn.
Es bestehe schliesslich ein Unterschied, ob «man eine Stunde lang bei 30 Grad auf einer Bank im Freien sitze oder in abgestandener Luft in einem Zugabteil mit 50 weiteren Leuten». Laut Theiler kommen die Klimaanlagen in den SBB-Zügen bei 35 Grad Celsius an ihre Grenzen und fallen aus. Die Instandhaltung liesse zu wünschen übrig. Für die SBB ist diese Kritik nicht gerechtfertigt. Sprecher Reto Schärli weist darauf hin, dass 97 Prozent der Klimaanlagen im Durchschnitt verfügbar seien.
SBB wollen Klimatisierung an Hitze anpassen
Man prüfe derzeit die Möglichkeiten einer technischen Anpassung, um eine stärkere Kühlung zu ermöglichen. Dabei würden auch ökologische und ökonomische Aspekte berücksichtigt. «Man darf aber nicht erwarten, dass die Klimaanlage bei extremen 35 Grad Aussentemperatur im Wagen auf 20 bis 25 Grad herunterkühlt», sagt Walter von Andrian, Chefredaktor der Schweizer-Eisenbahn-Revue bei «20 Minuten».
Vor allem bei S-Bahnen strömt bei jedem Halt heisse Luft ins Innere der Wagen und kalte Luft nach aussen. Abgesehen davon, dass es weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll sei, entstünden durch zu grosse Temperaturunterschiede zwischen innen und aussen auch Gefahren für die Gesundheit von Reisenden und Personal.
Fahrplanwechsel 2020 bringt auch neues Rollmaterial
Die SBB bauen ihr Angebot auch mit dem Fahrplan 2020 weiter aus. Ab dem 15. Dezember 2019 rollen 1,8 Prozent mehr Regional- und 1,5 Prozent mehr Fernverkehrszüge über das SBB-Streckennetz.
Bild: Keystone
Mit dem neuen Fahrplan wird das S-Bahn-Netz Léman-Express in Betrieb genommen. Es handelt sich dann um das grösste grenzüberschreitende S-Bahn-Netz Europas.
Mehr Kapazität Richtung Paris: Die 19 bisher verkehrenden Zugskompositionen des TGV Lyria mit je 355 Sitzplätzen sind in die Jahre gekommen und werden durch 15 Doppelstockzüge ersetzt, die je 507 Sitzplätze aufweisen. Damit erhöht sich die Kapazität um 30 Prozent.
Bild: Christophe Recoura/TGV Lyria
Im Verkehr mit Deutschland verkehren künftig die neuen ICE-4-Züge.
Bild: Getty Images
Ausgebaut wird der Einsatz der neuen Giruno-Triebzüge auf der Gotthardstrecke. Sie verkehren heute von Basel bzw. Zürich ins Tessin. Neu werden die Giruno auch für Fahrten bis Mailand-Centrale verwendet.
Bild: Keystone
Auch die bisher pannenanfälligen Fernverkehrs-Doppelstockzüge FV-Dosto sollen zusätzlich auf der Strecke Basel-Zürich-Chur zum Einsatz kommen.
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