Ein Dorf rutscht ab: «Da rollt grad ein grösserer Block heran» – «Mir macht das Angst»
Als wäre der instabile Untergrund nicht genug, droht jetzt auch noch ein Bergsturz. Brienz kämpft mit den Naturgewalten. Was hat sich im Bündner Dorf zuletzt getan? Und wie sieht die Zukunft aus? Ein Besuch vor Ort.
06.04.2023
Als wäre der instabile Untergrund nicht genug, droht jetzt auch noch ein Bergsturz: Brienz kämpft mit den Naturgewalten. Was hat sich im Bündner Dorf zuletzt getan? Und wie sieht die Zukunft aus? Ein Besuch vor Ort.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Das gesamte Bündner Bergdorf Brienz rutscht talwärts.
- Die Rutschung macht auch einen angrenzenden Berg instabil: Es besteht die Gefahr eines Bergsturzes noch in diesem Jahr.
- Die Bewohner*innen müssen sich auf eine vorübergehende Räumung des Dorfes einstellen.
- Um die Rutschung des Dorfes zu verlangsamen, soll der Grund mit einem Tunnelsystem entwässert werden. Ein 635 Meter langer Sondierstollen ist bereits fertiggebaut und zeigt gemäss Gemeinde den gewünschten Effekt.
- Wie die Situation in Brienz aktuell aussieht, erklärt der Medienverantwortliche der Gemeinde im Video.
Wie lebt es sich in einem Dorf, das unaufhaltsam Richtung Tal rutscht? Das Schicksal von Brienz im Bündner Albulatal gibt seit Jahren zu reden.
Nachdem Gemeindepräsident Daniel Albertin den Reportern von blue News vor zwei Jahren erklärt hatte, welche Herausforderung der instabile Untergrund darstellt, ist es im April 2023 höchste Zeit, nachzuhaken.
Immerhin eine gute Nachricht gibt es für die Menschen in Brienz: Das Abrutschen des Bergdorfes hat sich insgesamt verlangsamt. Das dürfte zum einen auf den schneearmen Winter zurückzuführen sein – zum anderen aber auch am Aufwand liegen, den Gemeinde und Kanton dafür betreiben, wie Christian Gartmann beim Ortsbesuch erklärt. Er ist Kommunkationsverantwortlicher der Gemeinde Albula/Alvra, zu der das 100-Seelen-Dorf Brienz gehört.
Unterhalb des Dorfes wurde mittlerweile ein 635 Meter langer Sondierstollen in den Untergrund gebohrt. Mit diesem wird dem Boden Wasser entzogen, denn: «Wasser wirkt wie Schmiermittel in einer Rutschung», erklärt Gartmann.
Bergsturz wird erwartet
Doch diese gute Nachricht wird von der schlechten überschattet: Die sogenannte Insel, ein Stück des Berghangs hoch über Brienz, gleitet seit März nur noch schneller zu Tal. Die Gemeinde rechnet damit, dass sich ab dem Frühsommer grosse Felsmassen lösen werden.
Es sei nicht absehbar, wann sich wie viel Gestein und vor allem in welchem Tempo lösen werde, sagt Gartmann. So oder so müssen sich die Bewohner*innen von Brienz auf eine Räumung noch in diesem Jahr vorbereiten. Am Donnerstag 13. April wird genauer informiert.
68 Millionen Franken für knapp 100 Menschen
Der Sondierstollen soll aber trotzdem zu einem Entwässerungsstollen ausgebaut werden, betont der Gemeindesprecher. 68 Millionen Franken haben Bund, Kanton und Gemeinde für das Projekt eingeplant.
Lässt sich dieser Aufwand für eine so kleine Population rechtfertigen? Und welche Szenarien für den Bergsturz gibt es? Diese und weitere Fragen beantwortet die Videoreportage oben.
Rückblick: So lebt es sich in einem Dorf auf instabilem Grund – die Reportage von 2021
Videoreportage aus Brienz: «Mittlerweile rutscht das Dorf 1,30 Meter pro Jahr»
Brienz ist ein spezieller Ort. Zum einen rutscht das ganze Bündner Dorf talwärts, zum anderen ist es von einem Bergsturz bedroht. Was kann man gegen diese Naturgewalten tun? Der Gemeindepräsident weiss es.
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