«Affenpocken können alle treffen» Queer-Organisation fordert vom Bundesrat Impfstoff

aru

29.7.2022

Jeden kann es treffen. Mit dieser Nachricht geht das Gesundheitszentrum für queere Menschen Checkpoint an die Öffentlichkeit. Ein Video, in dem Bundesrat Alain Berset die Pocken bekommt, soll aufrütteln.
Jeden kann es treffen. Mit dieser Nachricht geht das Gesundheitszentrum für queere Menschen Checkpoint an die Öffentlichkeit. Ein Video, in dem Bundesrat Alain Berset die Pocken bekommt, soll aufrütteln.

Weil die Affenpocken-Impfung in der Schweiz noch nicht erhältlich ist, sammeln Queer-Organisationen nun Unterschriften. Hat das BAG die Lage unterschätzt?

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«Herr Berset, Affenpocken können alle treffen.» Mit diesem Satz beginnt der Aufruf des Checkpoint Zürich. Das Gesundheitszentrum für queere Menschen fordert derzeit dazu auf, Alain Berset eine E-Mail zu schreiben (siehe Box). So soll der Gesundheitsminister darauf hingewiesen werden, dass die Lage ernst ist.

Die Weltgesundheitsorganisation rief am Wochenende den internationalen Gesundheitsnotstand aus. Allein im Kanton Zürich sind 101 Fälle bekannt, in der Schweiz sind es 234.

Der Kanton Zürich rechnet zwar mit weiteren Fällen, geht jedoch nur von einer mässigen Gefahr für die Bevölkerung aus. Die Krankheit verlaufe in der Regel mild.

Besonders Männer, die Sex mit Männern haben, sind einem Risiko für Affenpocken ausgesetzt. Warum dem so ist, ist derzeit noch unklar. Die Schwulenorganisation Pink Cross wehrte sich gegen diese Darstellung und sagte zu blue News, dass dies auch Zufall sein könne.

Aufruf an Berset

Der Checkpoint Zürich fordert Menschen auf, eine E-Mail an Alain Berset mit den folgenden Worten zu senden. «Geehrter Herr Bundesrat Berset, ich bitte Sie, die Pocken-Impfung (Imvanex) für die Schweiz jetzt zu beschaffen. Bitte schaffen Sie schnellstmöglich die Möglichkeit, dass sich Menschen, die sich impfen lassen möchten, Zugang zur Pocken-Impfung erhalten. Wir wollen und können nicht länger warten. Ich bedanke mich herzlich für Ihr Engagement in dieser Sache und bin überzeugt, dass auch Sie ein Interesse daran haben, dass die Schweizer Bevölkerung und aktuell insbesondere die Risikogruppe von schwulen und bisexuellen Männern, rasch Zugang zur wirksamen Impfung erhalten werden.»

Im Checkpoint Zürich habe man bislang rund 20 Prozent aller Fälle in der Schweiz gesehen. «Wir können die Schwere dieser Erkrankung bewerten.» So hätten einige Patienten lediglich leichte Symptome.

«Durch Vernarbungen längere Zeit entstellt»

«Aber ein erheblicher Teil der Personen hat starke Schmerzen und benötigt über mehrere Tage bis Wochen nicht nur freiverkäufliche Schmerzmittel, sondern teilweise auch Morphinderivate», heisst es.

Einige Personen hätten ausgeprägte Hautbefunde und seien «möglicherweise durch die Vernarbung an Gesicht und Genitalien längere Zeit entstellt». Wenn das BAG nicht rasch dafür sorge, dass die Impfungen in der Schweiz erhältlich sind, seien die Affenpocken nicht mehr zu stoppen.

Noch fehlt Antrag des Pharmaunternehmens

Beim BAG evaluiere man derzeit die Möglichkeiten einer zentralen Beschaffung, wie Sprecherin Katrin Holenstein auf Anfrage sagt. «Es liegt in der Verantwortung des Pharmaunternehmens, einen Antrag auf Zulassung bei Swissmedic einzureichen. Das ist bisher nicht erfolgt.»

Per Gesetz sei es Fachpersonen unter gewissen Bedingungen heute schon erlaubt, kleine Mengen von Arzneimitteln und Impfstoffen einzuführen, obwohl diese auf dem Schweizer Markt noch nicht zugelassen sind. Das Problem: «Die Herstellerfirma Bavarian Nordic ist aber nur bereit, ihren Affenpockenimpfstoff in grösseren Mengen zu liefern; die Lieferung kleiner Mengen schliesst sie bisher aus», so Holenstein.

Daher evaluiere man derzeit die Möglichkeiten auf eine zentrale Beschaffung. Wann rechnet das BAG damit, dass der Impfstoff erhältlich sein wird: «Das steht noch nicht fest», so Holenstein.

Wie das SRF berichtet, führe dies auch dazu, dass einige schwule Schweizer nach Deutschland fahren, um sich impfen zu lassen.

In der Schweiz trat der erste Fall am 21. Mai auf.

Helfer fordern mehr Anstrengungen gegen Affenpocken

Helfer fordern mehr Anstrengungen gegen Affenpocken

STORY: Geduldig warten Bürger in Chicago am Montag auf eine Impfung gegen Affenpocken. Die Krankheit bereitet den Menschen hier Sorge – und nicht nur ihnen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat wegen der raschen Ausbreitung der Virusinfektion am Wochenende die höchste Alarmstufe ausgerufen. Internationale Reaktionen sollen so besser koordiniert werden können, um zum Beispiel Mittel für Impfstoffe freizugeben. Genau darauf hofft Kara Eastman von der Hilfsorganisation Test Positive Aware Network in Chicago. Für die rund 200 Interessierten, die hier in Chicago Schlange stehen, gibt es nur 100 Impfdosen. Die anderen müssen die Helfer wieder wegschicken. «Leider haben wir nicht die Reaktion, die wir uns wünschen würden. Als gäbe es in unserem Land eine kleine diskriminierende Praxis, dass wir bei bestimmten Gemeinschaften, sei es die LGBTQ-Gemeinschaft oder Menschen mit anderer Hautfarbe, nicht so schnell reagieren, wie wir sollten.» Die meist mild verlaufenden Affenpocken werden durch engen Körperkontakt übertragen. Ausserhalb Afrikas hatte es bis vor kurzem nur wenige Fälle gegeben. In diesem Jahr wurden bereits 16.000 Infektionen in mehr als 75 Ländern registriert. Meist waren Männer betroffen, die Sex mit Männern hatten. David aus Chicago fürchtet, dass Vorurteile den Kampf gegen die Krankheit erschweren könnten. «Wir müssen in dieser Sache wirklich wachsam sein. Wir müssen die Menschen aufklären und wirklich vorsichtig sein und so gut wie möglich versuchen, diese Ausbreitung zu verhindern. Wir brauchen nicht noch mehr Stigmatisierung, mehr Gewalt und mehr Verunglimpfung unserer Leute und Familie.» In der WHO war es bis zuletzt umstritten, den Gesundheitsnotstand wegen der Affenpocken auszurufen.

29.07.2022