MedienskandalPresserat zu Spiess-Hegglin: «Ringier verfälscht historische Wahrheit»
Anna Kappeler
15.4.2019
Der Schweizer Presserat kommt zum Schluss: Der Ringier-Konzern hätte die Artikel zum Fall Spiess-Hegglin nicht aus der Schweizer Mediendatenbank SMD löschen dürfen. Ringier sieht das anders.
Jetzt reagiert auch der Presserat, das publizistische Gewissen der Schweizer Medienlandschaft, auf die Berichterstattung des «Blick» über die Zuger Ex-Politikerin Jolanda Spiess-Hegglin. Der Presserat bedauert die Löschung von über 200 «Blick»-Artikeln aus der Schweizer Mediendatenbank SMD durch den Ringier-Medienkonzern. Das teilt er am Montag auf seiner Homepage mit.
Der «willkürliche Eingriff in die Archivfreiheit verfälscht das Bild dessen, was Schweizer Medien zum Fall Spiess-Hegglin/Hürlimann publizierten», heisst es im Schreiben weiter. Damit auch spätere Generationen ein getreues Bild erhielten, müsse ein Archiv (möglichst) vollständig sein.
«Fragwürdiges Unterdrücken von Artikeln»
Der Presserat findet: «Institutionell muss daher sichergestellt sein, dass die SMD Dokumente nur im absoluten Ausnahmefall löscht, etwa auf Gerichtsbeschluss.» Dass Drittelseigner Ringier (neben Tamedia und SRG) eigenmächtig einen ganzen Themenkomplex entfernen liessen, gehe nicht an. Fazit des Presserates: «Selbst in einem Firmenarchiv wäre ein solches Unterdrücken von Artikeln fragwürdig.»
Auch Diego Yanez, der Direktor der Schweizer Journalistenschule MAZ, hatte die Löschung der Artikel durch Ringier gegenüber «Bluewin» bereits kritisiert: «Ist das also ein Schuldeingeständnis von Ringier? Ich weiss es nicht. Aber nachvollziehen kann ich das Verhalten nicht», sagte Yanez.
Trotz der immer lauter werdenden Kritik ist es unwahrscheinlich, dass die gelöschten Artikel in der SMD wieder auftauchen werden. Denn der Presserat ist zwar das publizistische Gewissen, seine Beschlüsse sind darüber hinaus aber rechtlich nicht bindend.
Ringier: «Löschung ist logische Reaktion»
Bei Ringier heisst es auf Anfrage von «Bluewin» denn auch: «Der Presserat mischt sich in die Angelegenheiten der SMD ein. Er erklärt das SMD-Archiv zur historischen Quelle und will den Eigentümern der Artikel vorschreiben, wie sie mit ihrem Eigentum umzugehen haben", sagt Pressesprecher René Beutner. Die SMD sei aber eine private Aktiengesellschaft. Und: Weder die SMD noch deren Aktionäre seien dem Presserat Rechenschaft schuldig.
«Es ist für uns nicht verständlich, dass der Presserat meint, er könne geschäftlich begründete Entscheidungen von Urheberrechtsinhabern kritisieren», sagt Beutner weiter. Auch für die Wahrung einer «historischen Wahrheit» wäre der Presserat laut Beutner nicht zuständig. «Für uns als Unternehmen ist die Löschung die logische Reaktion auf die angedrohte Gewinnherausforderung in einem Gerichtsfall.» Durch die Löschung sei sichergestellt, dass sich die allfällige Gewinndiskussion auf einen genau begrenzten Zeitraum beschränken würde.
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