Klage gegen MedienhausDer Fall Spiess-Hegglin könnte den «Blick» eine Million kosten
Anna Kappeler
2.4.2019
Der Ringier-Konzern muss damit rechnen, mit den «Blick»-Artikeln über Jolanda Spiess-Hegglin erwirtschafteten Gewinn zurückzahlen zu müssen. Ein Online-Kenner erklärt, warum.
Es sind brisante Fragen, die die neuste Episode im «Fall Spiess-Hegglin» aufwirft. Etwa: Wie viel ist die Ehre eines Menschen wert? Darum geht es am 10. April am Zuger Kantonsgericht zwischen Jolanda Spiess-Hegglin, der ehemaligen grünen Kantonsrätin, und dem Zürcher Medienkonzern Ringier. Der zu Ringier gehörende «Blick» hatte am 24. Dezember 2014 auf der Titelseite darüber berichtet, dass es zwischen Spiess-Hegglin und dem Zuger SVP-Kantonsrat Thomas Hürlimann an der Zuger Landammannfeier zu sexuellen Handlungen gekommen sein soll.
Juristisch konnte nie geklärt werden, was genau vorgefallen war. Klar ist: Der «Blick» hatte in jener Ausgabe die beiden Beteiligten mit Namen genannt und Bilder von ihnen gezeigt. Ohne ihr Einverständnis. Am 10. April entscheidet nun ein Gericht darüber, ob der «Blick» damit Spiess-Hegglins Persönlichkeitsrecht verletzt hat. Dies schreibt heute unter anderem das «St. Galler Tagblatt».
«Mein wichtigster Fall»
Der Presserat, das publizistische Gewissen des Landes, hatte dieses Vorgehen in einem Entscheid bereits getadelt. Der «Blick» hat diesen aber nie publiziert, da er rechtlich nicht bindend ist. Deshalb geht Spiess-Hegglin nun zivilrechtlich gegen den Ringier-Konzern vor. Von ihr selbst ist zu dem Thema nichts zu erfahren: «Zu diesem laufenden Prozess kann ich mich nicht äussern, aber der Fall Ringier ist mein wichtigster Fall», sagt sie «Bluewin».
Äussern kann sich hingegen Hansi Voigt, der ehemalige Chefredaktor von «20 Minuten Online» und «Watson». Er hat für Spiess-Hegglin eine Expertise angefertigt. Voigt geht davon aus, dass am 10. April «wohl eine Persönlichkeitsrechtsverletzung festgestellt werde», wie er «Bluewin» sagt. Spiess-Hegglin werde eine Genugtuung von geschätzt einigen Tausend Franken bekommen.
Für Ringier könnte ein solches Urteil aber richtig teuer werden: Spiess-Hegglin könnte einen Präzedenzfall schaffen. Sie könnte die Frage vor den Gericht bringen, ob mit einer Persönlichkeitsverletzung Geld verdient werden darf. In einem späteren Verfahren könnte die Poltikerin von Ringier fordern, all das Geld abzuliefern, das der Konzern mit der Berichterstattung über Spiess-Hegglin verdient hat. Juristen nennen das «Gewinnabschöpfung». Dazu Voigt: «Das Einzigartige an diesem Fall ist die Tatsache, dass 240 Artikel über eine Person geschrieben wurde, die das gar nicht wollte.»
Über eine Million Franken
Voigts Überlegung: Wenn das Kantonsgericht Zug zum Schluss komme, dass «Blick» bei seiner Berichterstattung Spiess-Hegglins Persönlichkeitsrecht verletzt habe, wurde dies durch die hohe Anzahl der publizierten Artikel x-mal vervielfacht. «Und dafür kann Geld eingefordert werden.»
Nach der Einschätzung von Voigt verdiente Ringier mit Artikeln über Spiess-Hegglin mehr als eine Million Franken. Ausgerechnet hat Voigt das über eine Suche in der Schweizer Mediendatenbank (SMD), in der die Berichte aller grösseren Schweizer Medien archiviert werden. Voigt: «Dort kann man nach den Blick Top 5 Artikeln und Spiess-Hegglin suchen. Blick Online hat 13 Nummer-1-Geschichten dazu veröffentlicht, 12 Mal stand eine solche Story auf der Position 2, vier Mal auf Platz 3, fünf Mal auf Platz 4 und drei Mal auf Platz fünf.»
Laut Online-Kenner Voigt kann man danach in Programmen, die Online-Zugriffszahlen messen, den Traffic nachschauen. «Dank der SMD kann ich auch alle anderen online und in den gedruckten Ringier-Produkten publizierten Geschichten nachschauen. Da ja auch die Reichweite des Printproduktes bekannt ist, kann ich so die Gewinnzahlen hochrechnen.» Die digitalen Lesezahlen könnten so künftig eine Basis zur Berechnung der Gewinnerwirtschaftung bieten. Das könnte dann auch in ähnlichen Fällen zu einem Massstab werden. Womit gerichtlich festgestellte Persönlichkeitsverletzungen Medienhäuser künftig viel teurer kommen dürften.
Bei Ringier heisst es auf Anfrage, man nehme zu einem laufenden Verfahren keine Stellung.
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