Kündigungen für Asylunterkunft Fall Windisch empört Politiker aller Lager

uri

28.2.2023

Unter anderem wurde Mieter*innen in Liegenschaften in der Mülligerstrasse gekündigt.
Unter anderem wurde Mieter*innen in Liegenschaften in der Mülligerstrasse gekündigt.
Screenshot Google Maps

Weil der Kanton Aargau Wohnungen für Asylsuchende benötigt, haben 49 Mieterinnen und Mieter in Windisch die Kündigung erhalten. Politiker*innen über alle Lager hinweg haben dafür kein Verständnis.

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Dass die Mietenden in Windisch ihre Wohnungen verlieren sollen, damit hier Flüchtlinge einquartiert werden, sorgt parteiübergreifend für einen Aufschrei.  

Die SP-Grossrätin und Einwohnerrätin von Windisch Luzia Capanni sagte zu «20 Minuten», in den betroffenen Häusern würden viele Personen leben, die wenig Geld hätten und teils auf Sozialhilfe angewiesen seien. «Mit den Kündigungen werden Menschen mit geringen finanziellen Ressourcen gegeneinander ausgespielt.» Das sei ein grosses Problem, denn in der Bevölkerung zerstöre es «nicht nur die Solidarität mit den Geflüchteten», es könne auch zu Rassismus führen.

«Für brandgefährlich» hält auch der SP-Politiker und Präsident Netzwerk Asyl Aargau Rolf Schmid den Fall. Denn so entstehe «der Eindruck, dass zwischen Bevölkerungsgruppen priorisiert wird».

Chiesa kritisiert Parteifreund: «Dieser Fall ist ein Skandal»

Auch in den anderen Parteien wird der Vorgang deutlich kritisiert. «Dieser Fall ist ein Skandal», sagte SVP-Präsident Marco Chiesa dem «Blick». Schweizer*innen ihre Wohnungen zu kündigen, um dann Asylsuchende unterzubringen, sei «die schlimmste Entscheidung, die man treffen kann».

Entsprechend forderte Chiesa vom verantwortlichen Regierungsrat im Kanton Aargau, seinem Parteifreund Jean-Pierre Gallati, dieser müsse nun «über die Bücher gehen und dafür sorgen, dass die Mieter in ihren Wohnungen bleiben können». 

Die kantonale SVP verlangte, dass «der genaue Sachverhalt geklärt und analysiert wird». Sie sieht in der Situation ein Beispiel dafür, dass «das Asylwesen komplett aus dem Ruder gelaufen ist». Die Junge SVP ging bereits einen Schritt weiter und lancierte eine Online-Petition, wonach der Regierungsrat die Pläne für die Unterkunft stoppen soll. 

Kälin bemängelt fehlendes Fingerspitzengefühl

Die Grünen-Nationalrätin Irène Kälin vermutet im Gespräch mit «20 Minuten» beim Kanton Aargau fehlendes Fingerspitzengefühl – das gerade vor dem Hintergrund, dass günstiger Wohnraum derzeit für alle knapp sei. Deshalb verstehe sie den Frust und das Unverständnis bei den gekündigten Mieterinnen und Mietern «sehr gut».

Ähnlich sieht es auch die Mitte-Nationalrätin Marianne Binder, die den Fall als «absurd» bezeichnet. Sie gab in «20 Minuten» allerdings zu bedenken, dass über den Fall wenig bekannt sei. Nach ihrem Wissen sei es nicht der Kanton gewesen, der die Kündigungen ausgesprochen habe, sondern der Eigentümer selbst. Offenbar habe er mit dem Kanton eine entsprechende Abmachung getroffen.

Gemeinde Windisch will sich mit allen Mitteln wehren

Die Gemeinde Windisch kündigte bereits an, dass sie sich «mit allen Mitteln dafür einsetzen» will, «dass die Mieterinnen und Mieter in ihren Wohnungen bleiben können». Der Gemeinderat erwarte vom Kanton, dass dieser auf die Miete der betroffenen Liegenschaften verzichte, berichtete die Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Montag.

Laut Informationen von Radio SRF gehören die Liegenschaften einer Aktiengesellschaft mit Sitz in Wollerau SZ, die nach eigenen Angaben in der Bewirtschaftung von Liegenschaften und Wohnungen tätig ist.

Das Departement Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau teilte am Montagabend auf Anfrage von Keystone-SDA mit, dass es um eine reguläre Anmietung zweier Altliegenschaften gehe, deren Sanierung in nächster Zeit bevorstehe und nicht um eine Beschlagnahmung. 

Der Kantonale Sozialdienst (KSD) habe am Mittwoch einen Brief des Gemeinderats Windisch erhalten und werde den Brief in den nächsten Tagen beantworten. Die bestehenden Differenzen wolle der KSD aber nicht über die Medien austragen. Nach der Zustellung des Briefs an den Gemeinderat Windisch werde man auch die Öffentlichkeit über dessen Inhalt orientieren.

Kanton darf «im äussersten Notfall» einschreiten

Mitte Januar hatte der Aargauer Regierungsrat die Notlage im Asylwesen ausgerufen. Er schuf so die rechtliche Grundlage für zusätzliche Unterkunftsplätze. Er stützte sich dabei auf das kantonale Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz.

Die Gemeinden können verpflichtet werden, unterirdische Sanitätsstellen für die Unterbringung von Geflüchteten zu nutzen. In Birmenstorf und Muri wurden erste unterirdische Anlagen in Betrieb genommen. Der Kanton bereitet weitere Schutzbauten in Lenzburg und Aarau vor.

Falls auch diese Kapazitäten ausgeschöpft sind, können gemäss Regierungsrat «im äussersten Notfall» die Gemeinden sowie Privateigentümer per Beschlagnahmungsverfügung verpflichtet werden, geeignete Liegenschaften zur Verfügung zu stellen.

Man werde jedoch «zurückhaltend und unter Wahrung der Verhältnismässigkeit» mit dieser Möglichkeit umgehen, hielt der Regierungsrat damals fest.

Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA

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