SVP hält Klimaschutz-Gesetz für einen «Stromfresser»
Zu extrem und zu teuer: Die SVP wirbt für ein Nein zum Klimaschutz-Gesetz am 18. Juni. Sie fürchten ein praktisches Verbot von Öl und Gas, was die Energieversorgung gefährde.
04.05.2023
Die SVP hat am Donnerstag ihre Argumente für ein Nein zum Klimaschutz-Gesetz an der Urne am 18. Juni dargelegt. Die Partei fürchtet ein Verbot von Öl und Gas, worauf künftig noch mehr «teurer Strom» benötigt würde.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Das Schweizer Stimmvolk befindet am 18. Juni über das neue Klimaschutzgesetz.
- Dieses zeigt den zeitlichen Fahrplan für die Erreichung des Klimaziels Netto-Null bis 2050 auf und definiert Zwischenziele für die Sektoren Gebäude, Industrie und Verkehr.
- Auch Förderprogramme über total 3,1 Milliarden Franken sind geplant: Wer etwa eine alte Ölheizung durch ein klimaschonenderes Modell ersetzt, soll dafür Geld bekommen.
- Die SVP ist gegen das Gesetz und hat das Referendum dagegen ergriffen. Alle anderen grossen Parteien, viele Verbände und der Bundesrat sind dafür.
- Die SVP argumentiert, das Gesetz verteuere die Energie und werde zu einem Verbot von Öl und Gas führen. Zudem befürchtet sie, es würde zu einem grossen Zubau an Windrädern kommen, die das Land verschandelten.
- Hier findest du alles Wissenswerte zur Vorlage.
Das vom Parlament beschlossene Gesetz, gegen das die SVP das Referendum ergriffen hatte, will Marken auf dem Weg zum «Netto Null»-Ziel 2050 setzen. Es sieht etwa finanzielle Beiträge für Innovationen zu Gunsten des Klimaschutzes und den Ersatz von Heizungen mit fossilen Brennstoffen
Mit den Subventionen würden die Kosten explodieren, teilt die SVP mit. Für die Wirtschaft befürchtet sie neue teure Vorschriften.
Das Gesetz verschärfe den Strommangel, statt ihn zu bekämpfen, hiess es. Die Partei nennt es «Stromfresser-Gesetz». Die Vorlage bedeute faktisch ein Verbot von Benzin, Diesel, Heizöl und Gas. «Autofahren und Heizen wären nur noch elektrisch möglich.»
Das vom Parlament beschlossene Gesetz, gegen das die SVP das Referendum ergriffen hatte, will Marken auf dem Weg zum «Netto Null»-Ziel 2050 setzen. Es sieht zudem finanzielle Beiträge für Innovationen zu Gunsten des Klimaschutzes und den Ersatz von Heizungen mit fossilen Brennstoffen vor.
Die Gegner der Vorlage rücken im Abstimmungskampf die Stromversorgung ins Zentrum. Das geplante Gesetz sei eine «Katastrophe» für die Schweiz, sagte SVP-Parteipräsident Marco Chiesa an einer Medienkonferenz in Bern. Das Land befinde sich in einer Energie- und Stromkrise. Mit den im Gesetz vorgesehenen Bestimmungen würde diese zusätzlich verschärft, sagte der Tessiner Ständerat.
Die SVP rechnete vor, dass 60 Prozent des von Öl und Gas geprägten Energieverbrauchs durch Strom ersetzt werden müssten, wenn das im Gesetz festgeschriebene «Netto Null»-Ziel beim CO2-Austoss bis 2050 erreicht werden soll. Das «Stromfresser-Gesetz» bedeute somit ein faktisches Verbot von Benzin, Diesel, Heizöl und Gas. Autofahren und Heizen wären nur noch elektrisch möglich. Die Folge wäre ein höherer Stromverbrauch, obwohl die Versorgung heute schon gefährdet sei.
Relationen wahren
Würde der Strom weiter knapp, bedeute dies höhere Energiekosten. Damit würde die Schweiz weiter an Attraktivität verlieren, sagte der Walliser SVP-Nationalrat und Kampagnenleiter Michael Graber. Der Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes würden bedroht. Beim Klimaschutz appellierte er, sich der Relationen bewusst zu sein: «China stösst pro Tag soviel CO2 aus wie die Schweiz im Jahr.» Die Schweiz könne nicht jedes Problem einfach mit einem Gesetz lösen.
Höhere Energiepreise würden viele Branchen empfindlich treffen, warnten die Gegner des Klimaschutz-Gesetzes. Genannt wurden die Industrie, das Gastgewerbe, aber auch die Landwirtschaft. Befürchtet werden neue teure Vorschriften.
Er unterstütze das «Netto null»-Ziel, aber nicht die Frist dazu im Gesetz, sagte Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer. Die Schweiz brauche einen Spielraum, ansonsten sei die Energiesicherheit und die Preisstabilität gefährdet. Viele Betriebe in der Hotellerie und der Restauration könnten die Energiekosten schon heute kaum mehr bezahlen.
Hauseigentümer: Subventionen bringen wenig
Das Parlament bewilligte mit der Vorlage insgesamt 3,2 Milliarden Franken an Finanzhilfen für den Ersatz von Heizungen und Sanierungen und die Förderung zu Gunsten neuer Technologien.
Der Hauseigentümerverband (HEV) hält die 2 Milliarden Franken daraus für Heizungs- und Sanierungsprojekte allerdings für wenig wirksam. Bei 850'000 Ölheizungen, die ersetzt würden müssten, ergebe das gerade mal 2500 Franken pro Anlage, sagte HEV-Schweiz-Präsident Hans Egloff. Ein so kleiner Beitrag werde keine Investition wie jene einer Heizungssanierung auslösen.
Schliesslich sorgen sich die Gegner des Gesetzes auch um die Landschaft. Die SVP erwartet einen zu starken Zubau von Windrädern und Solarpanels. Tausende neue Anlagen würden das Land verschandeln, hiess es.
Für ein Wegkommen von Öl und Gas seien zusätzlich gegen 17 Pumpspeicherkraftwerke von der Grösse der Grande Dixence, rund 5'000 Windräder sowie Millionen von Quadratmetern Solaranlagen nötig. «Unsere schöne Schweizer Heimat gibt es dann nur noch auf Postkarten», sagte die Obwaldner SVP-Nationalrätin Monika Rüegger.
Thema «brennt unter den Nägeln»
Die SVP sammelte gegen 104'000 Unterschriften gegen das vom Parlament verabschiedete Gesetz. Das sind mehr als doppelt so viele Unterschriften als für ein Referendum nötig. Das Thema brenne den Leuten unter den Nägeln, hiess es an der Medienkonferenz.
Im Abstimmungskampf tritt die SVP gegen ihren eigenen Bundesrat und Energieminister Albert Rösti an. Dieser hatte als Nationalrat einst seiner Parteifraktion im Parlament beantragt, das Referendum gegen das Klimagesetz zu ergreifen. Den Umstand schlachtet die Partei im Abstimmungskampf aus. Sie kritisierte unlängst in einer Medienmitteilung: «Bundesrat Rösti erzählt das Gegenteil von Nationalrat Rösti».