Experte ordnet einDarum ist der Abgang des CS-Präsidenten nur «der Normalfall»
Von Alex Rudolf
17.1.2022
Der Fall des Credit-Suisse-Präsidenten stehe für ein generell fehlerhaftes Anreizsystem in der Topetage der Bank, findet ein Ökonom. Derweil kursieren Gerüchte um die wahren Gründe für Horta-Osórios Abgang.
Von Alex Rudolf
17.01.2022, 18:05
18.01.2022, 13:41
Alex Rudolf
Nach dem Abgang des Topbankers António Horta-Osório steht die Credit Suisse (CS) vor einem Scherbenhaufen. «Es entsteht zunehmend der Eindruck, dass die CS nicht in der Lage ist, vernünftige Personalentscheide zu treffen», sagt Mathias Binswanger. Der Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz gehört zu den renommiertesten Ökonomen des Landes.
Die Credit Suisse habe nie ernsthaft damit begonnen, die schon lange durch «ein intransparentes System von Bonuszahlungen bestehenden internen Fehlanreize» zu beseitigen, sagt Binswanger. «Nach wie vor herrscht eine Kultur, bei der jeder möglichst viel Bonus kassieren möchte und Risiken deshalb vernachlässigt werden.»
Inzwischen wurde bekannt, dass Horta-Osório drei Millionen Franken Abfindung erhalten wird. Laut Binswanger ist genau dies Teil des Problems. «Solange Topmanager und Verwaltungsräte dermassen gut abgesichert und bezahlt sind, ist Überheblichkeit eigentlich kein Wunder, sondern der Normalfall.»
Nach den Skandalen der vergangenen Jahre und den damit einhergehenden Milliardenverlusten hatte Horta-Osório ursprünglich einen Kulturwandel angekündigt. Der Fokus sollte auf Verantwortung und Rechenschaft gelegt werden, wie es bei seinem Antritt hiess. Diesen Wandel voranzutreiben, dazu bleibt ihm nun keine Zeit mehr.
Widerstand gegen die Neuausrichtung?
Dass der Spitzenbanker nun wegen zweier persönlicher Verstösse gegen Corona-Massnahmen den Hut nimmt, scheint einigen Beobachtern zweifelhaft. So gibt es Gerüchte, dass dahinter noch weitere Gründe stecken könnten.
Die NZZ schreibt, in Wirklichkeit sei ihm wohl die strategische Neuausrichtung der Grossbank zum Verhängnis geworden.
«Solange Topmanager und Verwaltungsräte dermassen gut abgesichert und bezahlt sind, ist Überheblichkeit eigentlich kein Wunder, sondern der Normalfall.»
Mathias Binswanger
Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz
Im November beschloss der Verwaltungsratspräsident gemeinsam mit CEO Thomas Gottstein eine Verschiebung vom risikoreichen Investment-Banking hin zur Vermögensverwaltung.
Bankintern habe sich Widerstand formiert, denn je weniger Risiko eine Bank eingeht, desto geringer ist auch der Ertrag, der schliesslich als Dividende oder Bonus weitergereicht wird. «Es dürften diese Kreise gewesen sein, welche die Regelverstösse von Horta-Osório ans Licht der Öffentlichkeit brachten», spekuliert die NZZ.
Der Neue steht unter Zugzwang
Wird Nachfolger Axel Lehmann das Ruder rumreissen und dafür sorgen können, dass die CS zurück in die Spur findet? «Lehman ist durch seine frühere Tätigkeit bei der UBS schon lange ein Teil des Verwaltungsratsetablissements der Schweiz. Da ist es fraglich, ob er wirklich etwas ändern wird», meint Binswanger.
Ist es immerhin ein gutes Zeichen, dass es sich bei Lehmann wieder um einen Schweizer handelt? Dazu sagt Binswanger: «Ja, denn in den letzten Jahren ist der Eindruck entstanden, dass Schweizer Grossbanken vor allem zum Spielball einiger internationaler Topmanager wurden, die versucht haben, in kurzer Zeit möglichst viel Geld abzukassieren.»