«Neue Pauschalen setzen falsche Anreize»Jetzt warnen Ärzte vor drastischen Folgen für Patienten
Sven Ziegler
1.12.2024
Ab 2026 sollen ambulante Behandlungen in der Schweiz zunehmend pauschal vergütet werden. Während Spitäler die Reform begrüssen, warnen Fachärzte vor negativen Folgen für die Patientenversorgung
Sven Ziegler
01.12.2024, 06:54
Sven Ziegler
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Ambulante Behandlungen werden ab 2026 pauschal vergütet statt nach Aufwand.
Ärzte warnen vor finanziellen Nachteilen und weniger Behandlungen.
In der Schweiz sorgt eine geplante Reform des Tarifsystems für ambulante Behandlungen für heftige Debatten. Ab 2026 sollen viele Leistungen nicht mehr nach Aufwand, sondern pauschal vergütet werden. Andreas Arnold, HNO-Arzt in Münsingen, warnt jetzt bei der NZZ am Sonntag vor den Folgen: «Die neuen Pauschalen setzen falsche Anreize. Ärzte werden gezwungen, Entscheidungen aus Kostengründen zu treffen, die nicht immer im Interesse der Patienten sind.»
Die Reform kombiniert Elemente des bisherigen Tarmed-Systems, das jeden Handgriff abrechnet, mit Pauschalen, wie sie bereits im stationären Bereich genutzt werden. Besonders kleinere Praxen könnten darunter leiden, da sie Kosten für Zusatzaufwände wie Laboranalysen selbst tragen müssten. «Am Ende müssen wir die Löhne unserer Mitarbeitenden zahlen, das wird mit diesen Pauschalen schwieriger», so Arnold. Eingriffe mit unklaren Kostenfolgen würden künftig eher an Spitäler überwiesen, was diese zusätzlich belasten könnte.
Auch andere Fachrichtungen kritisieren die Pauschalen. Nuklearmediziner Michael Messerli befürchtet drastische Vergütungskürzungen für wichtige Untersuchungen in der Krebs- und Herzdiagnostik. Handchirurg Torsten Franz warnt davor, dass Mehraufwände, wie die Versteifung mehrerer Finger, nicht abgedeckt würden. «Das ist ineffizient und belastet Patienten durch mehrfach notwendige Eingriffe», erklärt Franz gegenüber der NZZ am Sonntag
Kleine Praxen haben Mühe
Die Befürworter der Reform, darunter der Spitalverband H+, argumentieren, die Pauschalen seien administrativ effizienter und basierten auf realen Leistungsdaten. «Grössere Spitäler können die finanziellen Verschiebungen besser auffangen als kleine Praxen», räumt Anne-Geneviève Bütikofer, Direktorin des Spitalverbands, ein. Das Bundesamt für Gesundheit kündigte an, das System nach Einführung jährlich zu überprüfen und anzupassen. Doch viele Ärzte sehen diese Aussicht skeptisch.
Arnolds Praxis zeigt, wie wichtig gründliche Diagnostik ist. Eine Patientin, bei der Arnold dank einer eingesandten Gewebeprobe frühzeitig einen Tumor erkannte, sitzt auf seinem Behandlungsstuhl. «Alles in Ordnung», sagt der Arzt erleichtert. Doch für ihn bleibt die Frage, ob er solche Untersuchungen in Zukunft noch ohne finanzielle Nachteile anbieten kann.