Virologin warnt vor Coronawelle«Jetzt haben wir noch einen Erreger mehr»
Von Andreas Fischer
19.9.2023
Die Coronawelle ist längst da, sagt Virologin Isabella Eckerle. Kommt jetzt noch eine starke Influenza-Zirkulation hinzu, drohe das Gesundheitssystem einmal mehr an seine Grenzen zu stossen.
Von Andreas Fischer
19.09.2023, 16:37
19.09.2023, 17:00
Von Andreas Fischer
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Die Corona-Fallzahlen steigen in der Schweiz wieder an, auch weil die aktuelle Variante die bestehende Immunität besonders gut umgeht.
Während das Bundesamt für Gesundheit (BAG) noch keinen eindeutigen Anstieg ausmacht, ist laut Virologin Isabella Eckerle die «Coronawelle schon im Gange».
Das Gesundheitssystem könnte im Winter wieder an seine Grenzen stossen, wenn neben Corona auch noch die Influenza und andere respiratorische Viren verstärkt zirkulieren.
«Nach einer mehrwöchigen Phase im Juni und Juli, wo es kaum Fälle gab, sehen wir nun seit Ende August wieder einen Anstieg der Fallzahlen», bestätigt Isabella Eckerle auf Nachfrage von blue News. «Verantwortlich dafür sind die Variante EG.5 und ihre Abkömmlinge, die auch als Eris bezeichnet wird und besonders gut die bestehende Immunität umgeht», so die Virologin von der Universität Genf.
«Ein Wiederanstieg des Infektionsgeschehens ist nicht ausgeschlossen», heisst es auch beim Bundesamt für Gesundheit (BAG). Die Behörde verfolge die Entwicklungen des Infektionsgeschehens genau: unter anderem mit der Analyse der Viruslast und der Virusvarianten im Abwasser. Beobachtet werden auch die Entwicklung der Varianten sowie die Konsultationen im ambulanten Bereich und die Krankheitslast in den Spitälern.
«Jetzt haben wir noch einen Erreger mehr»
Das BAG beobachte einen leicht steigenden Trend in einigen Kläranlagen seit Mitte August, der mit einer leichten Zunahme an Hospitalisationen einhergehe. Mediensprecher Simon Ming weist auf Anfrage von blue News jedoch ausdrücklich darauf hin, «dass die aktuellen Werte noch zu niedrig sind, um auf einen eindeutigen Anstieg hinzuweisen».
Das ist die aktuelle Corona-Impfempfehlung
Das BAG und die Eidgenössische Kommission für Impffragen (Ekif) empfehlen die Covid-19-Impfung im Herbst/Winter für besonders gefährdete Personen. Die Kosten dafür werden von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen.
Zu besonders gefährdeten Personen zählen: Personen ab 65 Jahren, Personen ab 16 Jahren mit einer chronischen Krankheit, Personen ab 16 Jahren mit Trisomie 21. Schwangere können nach individueller Abklärung eine Impfung erhalten.
Allen weiteren Personen wird keine Covid-19-Impfung empfohlen. Eine Impfung auf Wunsch ist aber gegen Bezahlung möglich.
Der ideale Zeitpunkt für die Covid-19-Impfung liegt zwischen Mitte Oktober und Mitte Dezember, allerdings mindestens sechs Monate nach der letzten Impfung oder Infektion.
Empfohlen wird die Impfung mit einem an die aktuelle Virusvariante XBB.1.5 angepassten mRNA-Impfstoff oder dem Proteinimpfstoff von Novavax. Es ist nur ein Piks notwendig.
Isabella Eckerle kommt zu einer anderen Einschätzung: «Es scheint, als wäre die Coronawelle schon im Gange, während beispielsweise die Influenza, also die echte Grippe, noch nicht auf der Nordhalbkugel zirkuliert.» Neben Corona würden zudem noch eine ganze Reihe anderer respiratorischer Viren zirkulieren.
Doch wie gut sind die Behörden und das Gesundheitssystem darauf vorbereitet? Muss die Schweiz mit einer neuerlichen Überlastung rechnen? «Die Kantone tragen die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung», antwortet das BAG knapp.
Virologin Eckerle geht mehr ins Detail: «Eine gleichzeitig starke Zirkulation mit Sars-CoV-2, RSV, Influenza und den anderen respiratorischen Viren kann das Gesundheitssystem belasten: Nicht nur durch die Akutinfektionen, sondern zum Beispiel auch durch vermehrtes Auftreten von Folgeinfektionen.»
Als zusätzlicher Aspekt komme der Personalausfall hinzu, wenn es viele Infektionen gebe. «Das alles zusammen hat schon vor der Pandemie in Wintern mit starker Influenza-Zirkulation das Gesundheitssystem an seine Grenzen gebracht. Jetzt haben wir noch einen Erreger mehr, der dazu beiträgt», warnt Eckerle.
Bei Tests sind die Kantone gefordert
Husten, Schnupfen, Heiserkeit: Nicht jede Erkältung ist eine Coronainfektion. Klarheit gibt es freilich nur mit einem Test. Allerdings übernimmt der Bund seit dem 1. Januar 2023 keine Kosten mehr für Analysen auf Sars-CoV-2.
«Der Entscheid des Parlaments hat zur Folge», erklärt BAG-Sprecher Simon Ming, «dass der Bund seither keine gesamtschweizerische Teststrategie für Tests im Sinne der öffentlichen Gesundheit mehr vorgibt.» Es liege nun im Ermessen der Kantone, Tests im Sinne der öffentlichen Gesundheit zu verlangen oder zu fördern.
Das musst du über Coronatests wissen
Seit dem 1. Januar 2023 werden die Kosten für Tests nicht mehr durch den Bund bezahlt.
Die Kosten werden nur in Ausnahmefällen durch die Krankenkasse oder den Kanton übernommen.
Zu den Ausnahmen zählen laut BAG «individuell ärztlich angeordnete Tests, wenn die Diagnose bei symptomatischen Personen für eine Therapie notwendig ist».
Ordnen die Kantone Testungen zum Schutz der Bevölkerung an, werden die Kosten durch die Kantone übernommen.
Einen nach Kantonen geordneten Überblick über Testmöglichkeiten, findest du hier.
Beim Grossteil der Bevölkerung zieht eine Testung per PCR keine medizinischen Konsequenzen nach sich, erläutert Isabella Eckerle. «Man kann sich aber weiterhin mit einem Schnelltest testen», fügt sie hinzu. Zumal Fachleute davon ausgehen, dass diese auch die neuen Virusvarianten erkennen.
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