1,3 Milliarden Franken «Ja, aber» zur Kohäsionsmilliarde

SDA

18.3.2019

Die Schweiz soll nur dann eine weitere Kohäsionsmilliarde an die EU zahlen, wenn diese auf diskriminierende Massnahmen gegen die Schweiz verzichtet. Das wollen National- und Ständerat. Noch sind sie sich aber nicht in allen Punkten einig.

Der Nationalrat hat der Kohäsionsmilliarde am Montag deutlich zugestimmt. Die 1,3 Milliarden Franken aus der Schweiz sollen in den nächsten zehn Jahren dazu beitragen, die wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten zwischen alten und neuen EU-Ländern zu reduzieren.

Neben den Staaten im Osten der EU werden auch EU-Länder Geld erhalten, die besonders von Migration betroffen sind. Dafür sah der Bundesrat 190 Millionen Franken vor. Der Nationalrat hat nun eine andere Verteilung beschlossen: Er will den Betrag für die Ost-Staaten um 190 Millionen auf 857 Millionen Franken kürzen und jenen für die von Migration betroffenen Staaten um 190 auf 380 Millionen Franken aufstocken.

Roger Köppel (SVP/ZH) stellt sich im Nationalrat gegen die Kohäsionsmilliarde an die EU.
Roger Köppel (SVP/ZH) stellt sich im Nationalrat gegen die Kohäsionsmilliarde an die EU.
Source: Keystone/Peter Schneider

Migrationsmanagement verbessern

Der Nationalrat nahm mit 108 zu 82 Stimmen einen Antrag seiner Staatspolitischen Kommission an. Sprecher Gerhard Pfister (CVP/ZG) sagte, die Kommission betrachte die Migration als grössere Herausforderung als die Heranführung der Ost- an die Westländer. Es liege im Interesse der Schweiz, wenn das Migrationsmanagement in besonders betroffenen Staaten verbessert werde.

Gegen die Aufstockung des Migrationskredits stellten sich SP, Grüne und ein Teil der FDP. Cédric Wermuth (SP/AG) befand, die Migration sei derzeit nicht die grösste Herausforderung für den Zusammenhalt der EU. Balthasar Glättli (Grüne/ZH) wollte den Betrag fürs Migrationsmanagement streichen statt aufstocken. Es gehe nicht primär um humanitäres Engagement, sondern um Rückführung, argumentierte er.

Griechenland, Spanien und Italien

Laut Asylministerin Karin Keller-Sutter sollen mit dem Migrationskredit Staaten wie Spanien, Griechenland und Italien unterstützt werden, die wegen ihrer geografischen Lage besonders belastet sind.

Mit der Aufstockung des Rahmenkredits Migration hat der Nationalrat eine Differenz zum Ständerat geschaffen. Das kommt auch jenen gelegen, die angesichts der aktuellen Probleme in den Beziehungen zur EU den definitiven Entscheid zur Kohäsionsmilliarde verzögern möchten.

Umstrittene Bedingungen

Umstritten war, ob die Zahlung an Bedingungen geknüpft werden soll – und wenn ja, an welche. Schliesslich beschloss der Nationalrat, in diesem Punkt dem Ständerat zu folgen, der bereits eine Bedingung eingebaut hatte: Wenn und solange die EU diskriminierende Massnahmen gegen die Schweiz ergreift, soll kein Geld fliessen.

Der Rat verwarf den Vorschlag seiner Aussenpolitischen Kommission, die eine präzisere Bedingung vorgeschlagen hatte. Nach ihrem Willen sollte das Geld soll nur fliessen, wenn die EU die Gleichwertigkeit der Schweizer Börsenregulierung anerkennt und wenn die Vollassoziierung der Schweiz ans europäische Forschungsprogramm «Horizon Europe» gewährleistet ist.

Auftrag an Bundesrat

Auch ein Antrag von rechter Seite für zusätzliche Bedingungen sowie einer von linker Seite gegen jegliche Bedingungen scheiterte. Hingegen will der Nationalrat im Bundesbeschluss verankern, dass der Bundesrat dem Parlament spätestens im Jahr 2020 einen Kredit zur erneuten Assoziierung der Schweiz ans Bildungsprogramm Erasmus+ vorlegt.

Aussenminister Ignazio Cassis sagte zu den diversen Vorschlägen, präzise Bedingungen seien fehl am Platz. Die Nadelstiche der EU – etwa die ausstehende unbefristete Anerkennung der Schweizer Börsenregulierung – gehörten ins Kapitel Machtpolitik. Das wirksamste Mittel gegen die Nadelstiche sei eine Lösung beim Rahmenabkommen. Mit der nun beschlossenen Formulierung kann der Bundesrat laut Cassis aber leben.

Falsches Zeichen, falscher Moment

Die Ratsrechte wollte gar nicht erst auf die Vorlage eintreten oder diese an den Bundesrat zurückweisen. Die Gegnerinnen und Gegner warfen die Frage auf, ob die Ost-Staaten überhaupt noch unterstützungsbedürftig seien. Vor allem aber brachten sie das Rahmenabkommen mit der EU ins Spiel, gegen das es von rechts bis links grosse Vorbehalte gibt.

Der Bundesrat habe seine Haltung dazu noch nicht festgelegt – ein schlechter Moment für eine Zahlung an die EU, befand Andreas Aebi (SVP/BE). Roger Köppel (SVP/ZH) fragte: «Haben wir eigentlich in der Schweiz, im Bundeshaus, den Verstand verloren? Sind wir verrückt geworden?»

Auf Zeit spielen

Hans-Peter Portmann (FDP/ZH) plädierte mit Blick auf das Rahmenabkommen dafür, die Vorlage an den Bundesrat zurückzuweisen, um Zeit zu gewinnen. Solange nicht klar sei, wie es mit der EU weitergehe, sei es nicht haltbar, Geld zu sprechen. «Das können Sie doch keinem Steuerzahler und keiner Steuerzahlerin erklären.»

Die Mehrheit vertrat jedoch die Auffassung, die Kohäsionsmilliarde sei im Interesse der Schweiz – und überdies der Preis für den Marktzugang. Martin Naef (SP/ZH) warnte vor einer unnötigen und wirkungslosen Provokation der EU. Diese erachte die Zahlung nämlich als selbstverständlichen Beitrag für den Zugang zum Binnenmarkt. Tiana Moser (GLP/ZH) bezeichnete die Kohäsionsmilliarde als Investition in die friedliche Zukunft Europas. Im Vergleich zu den anderen Ländern leiste die Schweiz einen sehr kleinen Beitrag.

Die Vorlage geht nun zurück an den Ständerat.


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