Schwere Vorwürfe Setzt die Polizei in Hongkong eine Schweizer Waffe ein?

tsha

4.6.2020

Eine Schweizer Firma beliefert angeblich die Polizei in Hongkong mit einer Pfefferspray-Waffe. Das Unternehmen streitet die Vorwürfe ab.

Die Anschuldigungen, die Demokratieaktivisten aus Hongkong gegen ein Schweizer Unternehmen erheben, sind schwer: Die Firma Piexon AG aus Aarwangen BE soll die Polizei in der ehemaligen britischen Kronkolonie mit einer Pistole beliefern, die eine flüssige, hoch konzentrierte Pfefferlösung abfeuere. Erstmals habe der Hongkonger Fernsehsender TVB über die Vorgänge berichtet, schreibt der «Tages-Anzeiger». Wenig später starteten mehrere Vertreter der Hongkonger Studentenbewegung, darunter Joshua Wong, eine Online-Petition gegen den Verkauf der Waffe an die örtliche Polizei.

«‹Raptors›, eine berüchtigte paramilitärische Einheit der Hongkonger Polizei, soll mit einer in der Schweiz hergestellten Pistole ausgestattet werden, die eine Ladung Pfefferspray abfeuert, das zu Lähmungserscheinungen führt», heisst es in der Petition. «Schande über die Schweiz, die die eskalierende Polizeigewalt nicht sehen will.»

Mehr als 57'000 Menschen unterzeichneten bis Donnerstagvormittag die Petition.

Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» erklärte Joshua Wong, das bekannteste Gesicht der Proteste: Indem die Schweiz «solche Geräte an China liefert, beerdigt sie nicht nur den Sonderstatus von Hongkong. Sie bringt auch die Bewohner der Stadt in Gefahr».

Original oder Kopie?

Jürg Thomann, Gründer und CEO des Waffenherstellers Piexon, streitet die Vorwürfe ab. Sein Unternehmen habe die Waffen nie an die Hongkonger Polizei geliefert. Möglicherweise handele es sich um «täuschend echte Kopien», wie sie in China auf dem Markt seien.

Laut «Tages-Anzeiger» sei in dem Fernsehbericht des Senders TVB allerdings klar zu erkennen, dass es sich bei der Waffe tatsächlich um das Modell JPX4 von Piexon handle. Es sei möglich, dass die Hongkonger Polizei die Waffen über einen Zwischenhändler in China erwerbe – die dortigen Polizeieinheiten würden seit 2008 von Piexon ausgerüstet.



Die Schweizer Politik zeigt sich alarmiert ob der Vorgänge. Sollten Schweizer Pfefferspray-Waffen in Hongkong eingesetzt werden, um «eine friedliche Demokratiebewegung zu zerschlagen, dann ist das ein Problem für die Schweiz», so SP-Sicherheitspolitiker Pierre-Alain Fridez.

Der Nationalrat forderte den Bundesrat auf, zu Exporten von Pfefferpistolen Stellung zu nehmen. Die Schweiz habe «eine Verantwortung gegenüber den demokratischen Kräften – auch in China».

Umstrittenes Sicherheitsgesetz

EVP-Nationalrat Nik Gugger gibt unterdessen zu bedenken, dass es nicht einfach sein dürfte, derartige Ausfuhren zu unterbinden; Freihandelsabkommen und Güterkontrollgesetz machten dies schwierig. Laut Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) könnte der Export von Pfefferspray-Pistolen nur verweigert werden, wenn es internationale Sanktionen gegen China gebe.

Die Diskussion über die angeblichen Schweizer Exporte kommt zu einer kritischen Zeit: Erst vor wenigen Tagen billigte Chinas Volkskongress die Pläne für ein Sicherheitsgesetz in Hongkong. Beobachter befürchten, dass Peking durch das Gesetz noch stärker in die Souveränität der Millionenstadt eingreifen könnte.

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