Flora und Fauna schützen Fragen und Antworten zur Biodiversitätsinitiative

su, sda

6.9.2024 - 16:17

Am 22. September stimmen Volk und Stände über die Volksinitiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative)» ab. Im Folgenden erklärt blue News dir die wichtigsten Fragen und Antworten zur Vorlage.

Gemäss Bafu sind rund ein Drittel aller Arten sind vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet.
Gemäss Bafu sind rund ein Drittel aller Arten sind vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet.
sda

Wie steht es um die Biodiversität in der Schweiz?

Die biologische Vielfalt in der Schweiz nimmt seit 1900 ab, und die Landschaften und Ortsbilder sind unter Druck. Bund und Kantone haben deshalb Massnahmen getroffen. Dazu zählen Schutzinventare, finanzielle Fördermassnahmen und Projekte aus dem Aktionsplan zum Schutz der Biodiversität, der seit einigen Jahren umgesetzt wird. Trotz positiver Entwicklungen sind aber die gesteckten Ziele noch nicht erreicht. Der Bund arbeitet zurzeit an einem zweiten Aktionsplan Biodiversität.

Was will die Biodiversitätsinitiative?

Die Biodiversitätsinitiative soll den Schutz der Lebensgrundlagen in der Schweiz in der Verfassung verankern, wie die Initiantinnen und Initianten schreiben. Dafür sollen mehr Geld und Flächen für den Schutz von Pflanzen und Tieren bereitgestellt werden. Konkrete Beträge oder Flächen gibt der Initiativtext nicht vor. Ausserdem verlangt die Initiative, die Natur, vielfältige Landschaften und schöne Ortsbilder auch ausserhalb von Schutzgebieten zu schonen.

Der Bund müsste bei einem Ja zu der Verfassungsänderung Schutzobjekte von nationaler Bestimmung bezeichnen; die Kantone jene von kantonaler Bedeutung. Für erhebliche Eingriffe in Schutzobjekte müssten überwiegende Interessen von landesweiter respektive kantonaler Bedeutung vorliegen. Der Kerngehalt der Schutzobjekte müsste dabei ungeschmälert erhalten bleiben.

Wer steht hinter der Initiative für mehr Biodiversität?

Die Biodiversitätsinitiative wurde 2020 vom Trägerverein «Ja zu mehr Natur, Landschaft und Baukultur» eingereicht. Hinter der Initiative stehen rund siebzig nationale und mehr als 350 kantonale Organisationen aus Natur- und Umweltschutz, der Landwirtschaft, Fischerei, der Schweizer Pärke und des Landschaftsschutzes. Unterstützt wird die Initiative von der SP, Grünen und GLP.

Was sind die Argumente der Befürworter?

«Schützen, was wir brauchen», lautet der Abstimmungsslogan des Initiativkomitees. Eine vielfältige Natur sei Voraussetzung für sauberes Wasser, fruchtbare Böden, die Bestäubung der Pflanzen und gesunde Lebensmittel. Eine intakte Natur mit schönen Landschaften gehöre zur Heimat in der Schweiz und habe auch einen touristischen Nutzen. Die Biodiversität sei bedroht. Es sei dringend, mehr zu tun als Bund und Kantone vorhätten.

Dass die Artenvielfalt schwindet, hat nach Angaben der Initiantinnen und Initianten mehrere Ursachen: das Entwässern von Feuchtgebieten, Gewässer-Verbauungen, die intensive Bewirtschaftung und Düngung von Böden, invasive Pflanzen und Tiere und zu wenig Ressourcen für die Pflege von Schutzgebieten.

Wer sind die Gegner der Initiative?

Der Nein-Allianz gehören Wirtschaftsverbände wie der Bauernverband und der Gewerbeverband an, aber auch Wald Schweiz, die Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete sowie Aeesuisse, der Dachverband der Wirtschaft für erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Auch zahlreiche Parlamentarierinnen und Parlamentarier von SVP, FDP und Mitte-Partei engagieren sich im Gegenkomitee. Bundesrat und Parlament empfehlen ebenfalls ein Nein zur Initiative.

Was sind die Argumente der Gegner?

Die Förderung der Biodiversität ist zwar auch den Gegnerinnen und Gegnern ein Anliegen, doch die Forderungen der Initiative gehen ihnen zu weit. Bauernbetriebe stellten heute im Mittel 19 Prozent des Kulturlandes als Biodiversitätsförderflächen zur Verfügung, schreibt zum Beispiel der Schweizer Bauernverband. Das sei mehr als vorgeschrieben. Statt noch mehr Flächen vorzusehen, müsse zunächst das ökologische Potenzial der bestehenden Flächen ausgenutzt werden.

Das Gegenkomitee befürchtet, dass die Initiative dreissig Prozent der Landesfläche «praktisch unantastbar» machen würde. Ausserdem würde mit einem ein Ja das Bauen erschwert, und zusätzliche Auflagen würden die Waldpflege und Holzwirtschaft behindern. Bundesrat und Parlament plädieren für gezielte Massnahmen statt weiterer Vorgaben.

Kommt die Initiative der Energiewende in die Quere?

Die Energiewende könne auch mit der Biodiversitätsinitiative umgesetzt werden, argumentiert das Initiativkomitee. Denn auch in nationalen Schutzgebieten seien Eingriffe möglich, wenn überwiegende Interessen von landesweiter Bedeutung vorlägen.

Das Nein-Lager hingegen befürchtet, dass das Aufstellen von Windrädern oder Solarmodulen in der Landschaft schwieriger würde. Ein Ja zur Initiative würde dem Ja an der Urne zur Energiewende und zum Ausbau der Stromproduktion aus einheimischen erneuerbaren Energien zuwiderlaufen, macht es geltend.

Schränkt die Initiative die Lebensmittelproduktion ein?

Bauern-Unternehmen, der Verband der produzierenden Landwirtschaft, gibt zu bedenken, dass mit der «extremen» Initiative die landwirtschaftliche Nutzfläche stark beschnitten würde. Das würde regionale Produkte schwächen. Was die Schweizer Bauern nicht liefern könnten, würde im Ausland eingekauft. Bauern täten bereits viel für die Biodiversität.

Eidgenössische Abstimmungen

Auf der Abstimmungsseite von blue News findest du alle wichtigen Informationen zu den Eidgenössischen Abstimmungen: Initiativen und Referenden verständlich erklärt, umfassende Hintergrund-Storys sowie Zusammenfassung und Einordnung der Resultate.

Die Resultate der städtischen Abstimmungen erfreuen das Grüne Bündnis Bern. (Symbolbild)
sda

Dies räumt auch die Befürworterseite ein. Sie ist aber der Ansicht, dass die ergriffenen Massnahmen nicht genügen: Noch keines der dreizehn vom Bund vorgelegten Umweltziele für die Landwirtschaft sei erreicht. Biodiversität sei die Produktionsgrundlage der Landwirtschaft. Um die Defizite in der Landwirtschaft zu beheben, brauche es eine gezielte Unterstützung von Bund und Kantonen.

Warum gibt es keinen Gegenvorschlag?

Der Bundesrat hätte einen direkten Gegenvorschlag zur Initiative gewollt, das Anliegen also mit Gesetzesbestimmungen aufnehmen wollen. Er hätte gewollt, dass Biodiversitäts- und Schutzgebiete insgesamt 17 Prozent der Landesfläche statt wie heute 13,4 Prozent ausmachen sollten. Der Ständerat sagte jedoch Nein dazu, obwohl der Nationalrat als Kompromiss die Flächenvorgabe gestrichen hatte. Die Mehrheit der zuständigen Kommission des Ständerats war der Ansicht, dass mit dem geltenden Recht genügend Flächen mit besonderer Bedeutung für die Biodiversität gesichert werden können.

Was würde die Umsetzung der Biodiversitätsinitiative kosten?

Der Bund gibt nach eigenen Angaben heute rund 600 Millionen Franken im Jahr für die Biodiversität aus; das meiste Geld geht an Landwirte, die die biologische Vielfalt fördern. Der Bund schätzt, dass die Umsetzung der Biodiversitätsinitiative Bund und Kantone zusätzlich rund 400 Millionen Franken im Jahr kosten würde. Der Bund müsste seinen Anteil bei anderen Ausgaben einsparen, um die Kosten zu kompensieren.

Wie hoch sind die Kampagnenbudgets?

Für den Abstimmungskampf haben das Ja- und das Nein-Lager Budgets von insgesamt rund 5,5 Millionen Franken an finanziellen Zuwendungen und Arbeitsleistungen deklariert. Die Befürworter liegen mit rund 3,3 Millionen Franken leicht vorne. Auf der Nein-Seite wollen Verbände aus der Landwirtschaft mit deklarierten rund 2,2 Millionen Franken den Abstimmungskampf bestreiten. Der Schweizer Bauernverband hat für die Nein-Kampagne gut eine Million Franken an Eigenmitteln budgetiert.

Welche Chancen hat die Initiative an der Urne?

In den ersten Abstimmungsumfragen im Auftrag von Tamedia/"20 Minuten» und der SRG stiess die Initiative auf jeweils 51 Prozent Zustimmung. In vielen Fällen geht bei Volksinitiativen der Ja-Anteil allerdings zurück, wenn im Lauf der Kampagne mehr Argumente auf den Tisch kommen. Ausserdem muss die Initiative nicht nur beim Volk punkten, sondern auch das Ständemehr erreichen. In ländlichen Gebieten lag gemäss der SRG-Umfrage das Nein-Lager klar vorne. In städtischen Räumen hingegen fand die Initiative Mehrheiten.

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