Artenschutz: Die Schweiz muss ihre bedrohten Tiere retten, aber wie?
Erstmals gibt es ein internationales Abkommen, um das Artensterben zu stoppen. Auch die Schweiz muss nun ihren Teil dazu beitragen. Es geht um viel Geld und neue Schutzgebiete.
31.03.2023
Zwei Studien des Bundesamts für Umwelt (Bafu) zeigen, dass die Schweiz im Kampf gegen das Sterben der Artenvielfalt kaum Erfolge erzielt hat. Rund ein Drittel aller Arten sind vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet.
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- Noch immer sind rund in Drittel aller Arten in der Schweiz entweder vom Aussterben bedroht, stark gefährdet, oder gelten als verletzlich.
- Besonders gefährdet sind Fisch-, Reptilien- und Vogelarten.
- Das zeigen zwei Studien des Bundesamtes für Umwelt (Bafu).
- Trotz aller Massnahmen kommt kommt die Schweiz im Kampf gegen den Verlust der Artenvielfalt kaum voran.
6 Prozent aller Arten sind vom Aussterben bedroht und 11 Prozent stark gefährdet, wie das Bafu am Montag mitteilte. Weitere 16 Prozent gälten als verletzlich. Der Bestand dieser verletzlichen Arten habe in den letzten zehn Jahren zudem um rund ein Drittel abgenommen.
Im Bericht «Gefährdete Arten und Lebensräume in der Schweiz» wertete der Bund zum ersten Mal seit 2011 alle roten Listen gefährdeter Arten aus. Ein Vergleich zur vorherigen Periode zeige, dass sich die Gefährdungssituation insgesamt nicht verbessert habe, so die Bilanz der Erhebung. Anlass der Veröffentlichung der Studien war der Internationale Tag der Biodiversität am Montag.
Fisch-, Reptilien- und Vogelarten sind besonders gefährdet
Besonders die Gefährdung von Fisch-, Reptilien- und Vogelarten hat den Angaben zufolge zugenommen. Zudem seien viele ökologisch wertvolle Lebensräume in den letzten Jahrzehnten kleiner geworden und schlechter vernetzt. Insbesondere das Mittelland wird laut dem Bericht immer monotoner. Das sei vor allem für wandernde Arten und für den Erhalt der genetischen Vielfalt ein Problem.
Im Vergleich zu den Nachbarländern ist der Anteil gefährdeter oder ausgestorbener Arten in der Schweiz zudem besonders hoch. Von den Arten, die nur oder zum grössten Teil in der Schweiz vorkommen, steht fast die Hälfte auf der Roten Liste. Handlungsbedarf für Artenschutz- und Artenförderungsmassnahmen gibt es laut Studie bei rund der Hälfte der untersuchten Arten.
«Biodiversität ist nicht einfach Luxus»
Neben den kleinen Verbreitungsgebieten sind die Zerstörung von Lebensräumen und die abnehmende Lebensraumqualität Hauptgründe für die Gefährdung der Artenvielfalt in der Schweiz.
Dabei sind laut Bafu eine grosse Artenvielfalt und genetische Vielfalt wichtiger denn je. Eine reiche Biodiversität erhöhe die Chance, dass sich die Natur an Extremereignisse wie Trockenheits- oder Hitzestress anpassen kann, so das Bundesamt. Das diene auch dem Klimaschutz.
In den letzten Jahren habe es einige Fortschritte gegeben, hob das Bafu hervor. Es räumte jedoch ein, diese reichten nicht aus, um den Trend umzukehren. Dafür braucht es laut Bafu die Zusammenarbeit aller Akteurinnen und Akteure.
Natur in Siedlungsraum bringen
Besonders grosses Potenzial sieht das Bafu in den Siedlungsgebieten. So sollten etwa schon in der Raumplanung mehr naturnah gestaltete Grün- und Gewässerräume, Stadtwälder oder begrünte Dächer und Fassaden vorgesehen werden. In diesem Zusammenhang nutzte das Bafu die Gelegenheit, um für den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrats zur Biodiversitätsinitiative zu werben.
Der Bundesrat wolle damit die Qualität und die Vernetzung von Lebensräumen fördern sowie die Natur im Siedlungsraum voranbringen. Bei der Förderung der erneuerbaren Energien sei eine Interessenabwägung zwischen Schutz und Nutzung nötig, hiess es.
Kritik von Naturschützern
Naturschützer kritisieren seit Längerem, die Massnahmen zur Schutz der Biodiversität in der Schweiz seien zu wenig wirksam. Das Ziel aus dem Jahr 1998, die Zahl der Arten auf der Roten Liste jährlich um ein Prozent zu reduzieren, habe die Schweiz 2020 «sang- und klanglos aufgegeben», schrieb die Naturschutzorganisation Birdlife Schweiz vergangene Woche.
Eine Verstärkung der Massnahmen forderte auch die Umweltorganisation Pro Natura. Mit einer Aktion auf dem Bundesplatz in Bern warnte Pro Natura am Montag vor einem gigantischen Dominoeffekt durch den Verlust der Artenvielfalt. Die Massnahmen der Schweizer Politik gegen die Biodiversitätskrise kritisiert sie als unzureichend.
Auch der Schweizer Bauernverband betonte in einer Mitteilung die Wichtigkeit der Biodiversität. Es tue sich aber bereits jetzt viel in der Schweiz. Die Landwirtschaft gebe sich grosse Mühe, ihre Hausaufgaben zur Förderung der biologischen Vielfalt zu machen.