Mobilfunk, Corona und ExtremismusDas hat der Bundesrat heute entschieden
SDA/red
13.4.2022
Die Kantone erhalten zusätzlich 3000 Franken pro Geflüchteten und die Schweiz unterstützt die Globale Agrarforschungspartnerschaft für eine Zukunft ohne Hunger: Das und mehr hat der Bundesrat heute entschieden.
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13.04.2022, 15:30
13.04.2022, 16:01
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Flugpassagier-Daten
Auch die Schweiz soll künftig für die Terrorabwehr und Verbrechensbekämpfung die Daten von Flugpassagieren nutzen können. Als wichtiger Knotenpunkt des Flugverkehrs brauche sie das. In über 60 Staaten hat sich das als wirksames Instrument erwiesen. Der Bundesrat hat das neue Flugpassagierdatengesetz bis am 31. Juli in die Vernehmlassung geschickt. Die Fluggesellschaften sollen demnach auch den Schweizer Behörden ihren von den Reisenden erhobenen Datensatz überweisen müssen.
EU-Sanktionen
Die Schweiz übernimmt neue EU-Sanktionen gegen Russland und Belarus. Dies hat der Bundesrat am Mittwoch entschieden. Das fünfte Sanktionspaket, das die EU am 8. April verabschiedet hatte, umfasst Massnahmen in den Bereichen Güter und Finanzen und Transport. Dazu zählt auch ein Importverbot für Kohle und weitere für Russland wichtige Einkommensquellen wie Holz, Zement, Meeresfrüchte oder Wodka.
Die Transportverbote will die Schweiz nicht übernehmen. Zudem hat das Wirtschaftsdepartement die Sanktionierung von über 200 weiteren Personen und Organisationen beschlossen. Betroffen sind auch zwei Töchter von Präsident Wladimir Putin. Diese Anpassungen treten am 13. April 2022 um 18.00 Uhr in Kraft. Mehr dazu hier.
Sexualstrafrecht
Der Bundesrat will den Tatbestand der Vergewaltigung im Strafgesetz ausweiten. Neu soll sich auch strafbar machen, wer gegen den Willen des Opfers handelt. Es soll «Nein heisst Nein» gelten. Eine Nötigung durch Gewalt oder Drohung muss demnach nicht mehr vorliegen. Damit schliesst sich die Landesregierung der Rechtskommission des Ständerats an.
Digitalisierung
Um die digitale Transformation in der Bundesverwaltung zu verbessern, schlägt die Bundeskanzlei in einem Zwischenbericht Massnahmen in drei Bereichen vor: Der Bundesrat soll weniger Geschäfte behandeln, die auch auf einer tieferen Stufe erledigt werden können. Ferner sollen Synergien zwischen den Einheiten besser genutzt werden. Und drittens sollen die Kompetenzen klarer geregelt werden. Der Bundesrat ist am Mittwoch über den Bericht orientiert worden. Insgesamt hält die Bundeskanzlei darin fest, dass die digitale Transformation zweckmässig sei und funktioniere.
Gewässerschutz
Überschreiten ein Pestizid oder dessen Abbauprodukte wiederholt und verbreitet die Grenzwerte in den Gewässern, muss die Zulassung überprüft werden. So hat es das Parlament vor rund einem Jahr beschlossen. Der Bundesrat hat am Mittwoch die entsprechenden Änderungen der Gewässerschutzverordnung bis zum 10. August in eine Vernehmlassung gegeben.
In der Verordnung werden die Kriterien definiert für die Veranlassung einer solchen Überprüfung. Von der Regelung betroffen sind Pflanzenschutzmittel und auch Biozide. Zudem müssen die Kantone innerhalb von zehn Jahren Trinkwasserschutzzonen festlegen an Orten, wo diese noch fehlen.
Finanzhilfe für Kulturbranche
Kulturunternehmen, Kulturschaffende und Laien-Kulturvereine erhalten wegen der Covid-19-Pandemie auf Gesuch hin bis Ende Juni 2022 Ausfallentschädigungen und Finanzhilfen, also zwei Monate länger als bisher vorgesehen. Das hat der Bundesrat mit Blick auf die Nachwirkungen der Pandemie am Mittwoch entschieden und die entsprechende Verordnung angepasst.
Auch wenn seit Ende März keine einschränkenden Schutzmassnahmen mehr in Kraft seien, ende die schwierige Zeit für den Kultursektor nicht sofort, schrieb der Bundesrat. Weiterhin müsse damit gerechnet werden, dass das Publikum nur zögerlich zurückkehre. Hinzu kämen Unsicherheiten, etwa in Bezug auf internationale Tourneen und länderübergreifende Auftritte.
IT-Sicherheit
Im Jahr 2021 hat das Bundesamt für Informatik (BIT) 434 Sicherheitsvorfälle bearbeitet. Im Vorjahr waren es 834 gewesen. Dies geht aus dem Bericht «Informatiksicherheit Bund 2021» hervor, den der Bundesrat publiziert hat.
Auch die Zahl der erfolgreichen Phishing-Angriffe auf Mitarbeitende ging zurück: von 34 auf 11. Nur einmal verseuchte eine Malware ein Bundesgerät, 2020 hatte der Bund 15 solcher Fälle registriert. Insgesamt stellt das Nationale Zentrum für Cybersicherheit fest, dass der aktuelle Sicherheitsstand der Informatik in der Bundesverwaltung der aktuellen Bedrohungslage entspreche und bei Vorkommnissen sofort die notwendigen Schritte eingeleitet würden. Auf den Homeoffice-Betrieb seien bisher keine Sicherheitsvorfälle zurückzuführen.
Bundesfinanzen
Die Coronavirus-Pandemie hat wie erwartet auch im vergangenen Jahr ein Milliarden-Loch in die konsolidierte Rechnung des Bundes gerissen. Der Bundesrat hat diese am Mittwoch mit einem Defizit von 5,4 Milliarden Franken genehmigt. Das Ergebnis ist fast 9 Milliarden Franken besser als im ersten Corona-Jahr. Die konsolidierte Rechnung schafft eine Gesamtsicht über die Finanz-, Vermögens- und Ertragslage des Bundes als Konzern. Während sich die Bundesrechnung auf die zentrale Bundesverwaltung beschränkt, berücksichtigt die konsolidierte Rechnung zusätzlich die Resultate der bundesnahen Unternehmen sowie der Sozialversicherungen.
Forschung
Die Schweiz soll sechs europäischen Forschungsinfrastrukturen beitreten. Der Bundesrat hat die Botschaft zum Beitritt verabschiedet, die er nun ans Parlament überweist. Bisher hat die Schweiz Beobachterstatus in acht Netzwerken. Mit diesem Status sei es nicht möglich, das volle Potenzial der internationalen Zusammenarbeit auszuschöpfen, schreibt der Bundesrat. Die Netzwerke tragen ihm zufolge dazu bei, die Zusammenarbeit der Forschenden in gesellschaftlich wichtigen Bereichen wie Umweltwissenschaften oder Life Sciences zu vereinfachen.
Bahnnetz
Der Bundesrat hat 22 Millionen Franken für die Modernisierung des Schweizer Bahnnetzes freigegeben. Es geht um Mittel aus dem Eisenbahnausbauprogramm ZEB. Umgesetzt werden sollen damit beispielsweise Massnahmen, damit die SBB die Züge auf der Nord-Süd-Achse schneller nacheinander fahren lassen kann. Zudem geht es um Geld für die Personenunterführung Nord in Winterthur ZH, die bereits eröffnet wurde. Inklusive der vorliegenden Vereinbarungen sind inzwischen über 95 Prozent der für die Umsetzung des ZEB-Programms notwendigen Mittel freigegeben, wie die Regierung mitteilte.
Extremismus
Jüdische und muslimische Einrichtungen sollen besser geschützt werden. Der Bundesrat hat am Mittwoch den Bundesbeitrag an die Sicherheit dieser Einrichtungen von 500'000 Franken pro Jahr auf 2,5 Millionen Franken erhöht; dies gilt für die Jahre 2023 bis 2027. Ab 2028 soll der Bundesbeitrag dann bei 2 Millionen Franken liegen. Es habe sich gezeigt, dass die bisherigen Beiträge nicht ausreichten, schrieb der Bundesrat. Gemäss Nachrichtendienst des Bundes (NDB) sind seit einigen Jahren jüdische und muslimische Einrichtungen einer erhöhten Bedrohung durch Terrorismus und gewalttätigen Extremismus ausgesetzt.
Coronavirus
Trotz Aufhebung der Bewilligungspflicht sollen Grossveranstaltungen bis Ende 2022 den Corona-Schutzschirm für Publikumsanlässe in Anspruch nehmen können. Der Bundesrat hat am Mittwoch zu diesem Zweck die entsprechende Covid-19-Verordnung angepasst. Aufgrund der damals herrschenden epidemiologischen Lage hatte das eidgenössische Parlament in der Wintersession 2021 den Zeitrahmen des Schutzschirms für öffentliche Veranstaltungen von Ende April bis Ende Dezember 2022 verlängert. Diese Verlängerung erforderte insbesondere eine Anpassung der Fristen und Geltungsdauer in der Covid-19-Verordnung Publikumsanlässe. Gesuche sollen demnach bis zum 31. Oktober 2022 eingereicht werden können.
Mobilfunk
Der Bundesrat will kein einheitliches Mobilfunknetz anstelle der bisherigen Lösung mit drei Anbietern. Dies hält er im Bericht «Nachhaltiges Mobilfunknetz» fest, den er verabschiedet hat. Ein Einheitsnetz erfordere zwar weniger Antennenstandorte, die Strahlungsexposition der Bevölkerung würde aber kaum gesenkt. Zudem würde der funktionierende Wettbewerb infrage gestellt. Der Bundesrat setzt dafür auf einen schnellen Ausbau der 5G-Netze. Diese hätten bezüglich Leistung und Strahlung klare Vorteile gegenüber den bisherigen Technologien. In Kombination mit 5G sollen die Glasfasernetze weiter ausgebaut werden.
Schifffahrt
Für Schiffe und Boote auf dem Bodensee gelten bald neue Bestimmungen für die Beleuchtung und strengere Umweltvorschriften. Der Bundesrat hat am Mittwoch die aktualisierte Bodensee-Schifffahrtsordnung (BSO) genehmigt. Die Neuerungen werden am 1. Mai in Kraft treten. Die BSO gründet auf einem Staatsvertrag zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz und regelt die Schifffahrt auf dem Bodensee sowie auf dem Rhein zwischen Konstanz (D) und Schaffhausen. Seit der letzten Revision im Jahr 2013 habe es in den drei Bodensee-Ländern rechtliche Anpassungen gegeben, und die Technik habe sich verändert, schrieb der Bundesrat.
Künstliche Intelligenz
Die Schweiz will zu einer massvollen Regulierung von künstlicher Intelligenz beitragen. Der Bundesrat hat am Mittwoch unter anderem beschlossen, den Austausch mit Expertinnen und Experten zu Recht und Technik zu verstärken. Ferner soll der Austausch mit internationalen Normierungsorganisationen in Genf gefördert werden. Die Grundlage dafür bildet der Bericht «Künstliche Intelligenz und internationales Regelwerk», den der Bundesrat zur Kenntnis genommen hat. Künstliche Intelligenz habe ein enormes Potenzial, führe aber auch zu grundlegenden Wertefragen, schreibt die Regierung. Namentlich im Verhältnis Mensch-Maschine. Daraus folgten auch Fragestellungen zu Diskriminierung, Überwachung und Manipulation.
Die Schweiz unterstützt die Globale Agrarforschungspartnerschaft für eine Zukunft ohne Hunger (CGIAR) von 2022 bis 2024 mit 54 Millionen Franken. Das hat der Bundesrat am Mittwoch beschlossen. Die CGIAR ist eine der 15 prioritären Organisation der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit und ist in über 80 Ländern tätig. Zusammen mit lokalen Forschenden und Kleinbauernbetrieben entwickle sie jedes Jahr Hunderte von Innovationen zur Verbesserung der Lebenssituation armer und benachteiligter Menschen, schrieb der Bundesrat. Projekte werden auch in Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Institutionen in der Schweiz durchgeführt.
Radium
Wegen früherer Tätigkeiten der Uhrenindustrie sind manche Gebäude und Gärten mit Radium verseucht. Der Bundesrat hat beschlossen, mehr Zeit für die Untersuchungen und Sanierungen zur Verfügung zu stellen, weil während der Pandemie der Zeitplan des Aktionsplans nicht wunschgemäss umgesetzt werden konnte. Statt bis Ende 2022 sollen bis Ende 2023 alle Arbeiten abgeschlossen sein, wie die Regierung mitteilte. Mehrkosten entstehen dadurch nicht. Der Bundesrat wird für 2023 1,5 Millionen Franken bereitstellen. Dieser Betrag entspricht den für den Aktionsplan gesprochenen Mitteln, die aber aufgrund der Covid-19-bedingten Einschränkungen zwischen 2020 und 2021 nicht eingesetzt werden konnten.
Atomkraftwerke
Weil das Atomkraftwerk Mühleberg BE Ende 2019 abgeschaltet worden ist, sollen die Einwohnerinnen und Einwohner im Umkreis von 50 Kilometern um die Anlage keine Jodtabletten mehr vorsorglich zugeschickt erhalten. Die Tabletten sollen stattdessen beim Kanton gelagert werden. Der Bundesrat hat am Mittwoch die Vernehmlassung zur Anpassung der Jodtabletten-Verordnung eröffnet. Die Tabletten dienen der Schilddrüsen-Prophylaxe nach einem schweren Unfall in einem Atomkraftwerk. Sie wurden 2014 zum letzten Mal verteilt und sind zehn Jahre lang haltbar. Bei der nächsten Verteilrunde 2024 soll Mühleberg BE nicht mehr berücksichtigt werden.
Radioaktivität
Das veraltete System zur Messung der Radioaktivität in der Höhenluft der Forschungsstation auf dem Jungfraujoch wird modernisiert. Das hat der Bundesra entschieden. Die künftige Anlage wird demnach hundertfach empfindlicher sein als die bisherige. Verzichten will die Regierung dagegen ab 2025 auf Einsätze von Kampfflugzeugen der Schweizer Armee, die Luftanalysen in höheren Schichten vornehmen. Die Umrüstungskosten in Höhe von 10 Millionen Franken von den F-5-Tiger auf die F/A-18 seien nicht verhältnismässig, schreibt der Bundesrat. Für wissenschaftliche Untersuchungen, bei denen Messungen mit Flugzeugen in grosser Höhe wertvoll sind, solle eine internationale Zusammenarbeit geprüft werden.
Geflüchtete
Die Kantone erhalten künftig 3000 Franken pro geflüchtete Person aus der Ukraine. Dies hat der Bundesrat beschlossen. Damit soll insbesondere der Spracherwerb gefördert werden. Dieser sei wichtig, damit die Geflüchteten schnell einer Arbeit nachgehen und am sozialen Leben teilnehmen könnten. In der Konsultation habe eine Mehrheit der Kantone angegeben, dass der Beitrag von 3000 Franken mittelfristig zu tief sei, schreibt der Bundesrat. Er will jedoch wegen der «unsicheren Prognose und des rückkehrorientierten Status» daran festhalten.
Karin Keller-Sutter über Flüchtende: «Wir haben keine Obergrenze festgesetzt»
Justizministerin Karin Keller-Sutter äussert sich zu den Vorbereitungen für Flüchtende aus der Ukraine und den Umgang mit dem Begriff «Kriegsverbrechen».