Corona-Pandemie Die ersten Fallzahlen 2021 zeigen keine Trendwende – wie weiter?

uri/SDA

4.1.2021

Ärzte und Pflegende kümmern sich Ende Dezember um Covid-Patienten in einer Intensivstation im Universitätsspital Basel. 
Ärzte und Pflegende kümmern sich Ende Dezember um Covid-Patienten in einer Intensivstation im Universitätsspital Basel. 
Bild: Keystone

Am Mittwoch entscheidet der Bundesrat über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie. Fest steht: Die Fallzahlen bleiben hoch – und Experten warnen bereits vor Untätigkeit.

Das BAG hat die ersten Fallzahlen für das Jahr 2021 bekannt gegeben – und die zeigen keine entscheidende Kehrtwende. Expert*innen aus Wissenschaft und Politik haben für diesen Fall bereits einschneidende Massnahmen gefordert.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) meldet heute für die Schweiz und Liechtenstein 9665 neue Coronavirus-Ansteckungen. Zugleich registrierte das Amt 189 neue Todesfälle und 367 Spitaleinweisungen. Zum Vergleich: Vor einer Woche waren 10'087 neue Coronavirus-Ansteckungen, 244 neue Todesfälle und 482 Spitaleinweisungen gemeldet worden, ebenfalls für vier Tage.

Auch aktualisierte das BAG heute die Reproduktionszahl, die immer erst mit ein paar Tagen Verzögerung berechnet werden kann. Diese lag am 25. Dezember bei 0,89 – für den 24. Dezember war ein R-Wert von 0,95 gemeldet worden. Schweizweit war der R-Wert gemäss BAG bereits am 5. Dezember unter 1 gesunken. Das zeigt: Auch hier hat sich zuletzt also nicht viel zum Guten geändert, und auch vom angestrebten Wert von 0,78 blieb man weiterhin einiges entfernt.

Grossbritannien als Schreckensszenario

Der Bundesrat will am Mittwoch entscheiden, ob zur Bekämpfung der Corona-Pandemie weitere Massnahmen nötig sind. In einem Interview mit dem «SonntagsBlick» beteuerte Bundespräsident Guy Parmelin, dass der Bundesrat die warnenden Stimmen aus der Wissenschaft vernommen habe: «Diese Analysen gehören zu den Aufgaben der Wissenschaftler und der Spezialisten. Und es ist die Rolle der Politik zu entscheiden», führte Parmelin weiter aus.

In den letzten Tagen haben sich tatsächlich die Stimmen gemehrt, wonach es nun ein entschiedenes Handeln brauche. Mit den neuen, aus Grossbritannien und Südafrika in die Schweiz eingeschleppten und ansteckenderen Virusvarianten und wegen der Festtage warnen Expert*innen vor einem möglichen Anstieg der Fallzahlen – und rufen zu einer deutlichen Verschärfung der Massnahmen auf.

Isabella Eckerle, Leitende Infektiologin an den Universitätskliniken in Genf, schrieb auf Twitter: «Die Gefahr durch neue Virusvariante wird nicht ernst genommen, es wird wieder abgewartet, bis es zu spät ist, und wieder die Stimme der Wissenschaft ignoriert. Ein Blick nach UK sollte genügen, um zu sehen, worauf wir zuschlittern.»

Mit Blick auf Aussagen von Politikern – darunter auch Parmelin –, wonach die Entwicklung der Fallzahlen alle überrascht habe, hält die Virologin fest: «Es gibt keine Ausrede in ein paar Wochen/Monaten, dass die Ausbreitung der neuen Variante #b117 überraschend oder nicht vorhersehbar war, und nicht zu verhindern.» Die Informationen dazu und die Schritte, die ergriffen werden müssten, lägen auf der Hand.

Emma Hodcroft vom Biozentrum der Universität Basel schreibt dazu heute: «Leider muss ich an vergangene Zeiten erinnern, als wir die Fallzahlen in anderen Ländern steigen sahen und uns einbildeten, wir wären sicher – es könnte hier so niemals passieren. Es scheint, als würden wir es bevorzugen, abzuwarten und zuzuschauen, anstatt uns vorzubereiten.»

Beschränkungen zu Einreisen aus Grossbritannien hätten den europäischen Ländern zwar Zeit erkauft, so Hodcroft, doch es seien weitere Massnahmen nötig, wie sie an anderer Stelle twittert. So müssten die Tests und auch die Sequenzierungen hochgefahren und die Fallzahlen unbedingt gesenkt werden. Ausserdem habe man die Reisebestimmungen neu zu bewerten und müsse sich auch dem Thema Schule annehmen.

Schulschliessungen möglich

Der Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) zeigte sich in der SRF-«Tagesschau» vom Sonntagabend wenig optimistisch. Die Zahlen der vergangenen Tage «lassen einen schon vorsichtig bleiben», sagte Lukas Engelberger. Sollten die Zahlen wieder steigen, könnten stärkere Massnahmen unvermeidbar sein. Im äussersten Fall könnten dann auch Schulschliessungen wieder zum Thema werden.

Der GDK-Präsident begründete mögliche Massnahmen an Schulen damit, dass diese «Taktgeberin im Alltag» seien. Wenn die Schule mit Fernunterricht funktioniere und die Schülerinnen und Schüler sich nicht bewegten, würden Kontakte reduziert – auch, weil dadurch auch die Eltern verstärkt zu Hause bleiben würden. Es handle sich dabei aber um die «Ultima Ratio», also das letztmögliche Mittel.

Gezielte Suche nach neuen Varianten

Bereits Ende Dezember warnte die Swiss National Covid-19 Science Task Force in einer Stellungnahme vor den sich schnell ausbreitenden SARS-CoV-2-Varianten, die «in der aktuellen Situation ein grosses zusätzliches Risiko» darstellen würden.

Die Ausbreitung dieser Varianten in der Schweiz könne nur durch eine Kombination von allgemeinen Massnahmen und gezielten Interventionen verzögert oder verhindert werden, meinen die Wissenschaftler. Dafür müssten «flächendeckende, wirkungsvolle Massnahmen» ergriffen werden, «um die Ansteckungen mit den aktuell dominierenden Virenstämmen alle zwei Wochen zu halbieren», denn diese Massnahmen würden auch die Ansteckungen mit den neuen Varianten reduzieren.

Zusätzlich dazu müsse gezielt nach den neuen Varianten in der Schweiz gesucht werden, um die Ansteckungsketten zu unterbrechen. Das erfordere ein «gross angelegtes Testen, intensive Kontaktverfolgung in Fällen, wo eine Infektion mit den neuen Varianten vermutet wird, und genetische Charakterisierung».

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