Urteil erwartet Die Affäre Maudet steuert auf ihren vorläufigen Höhepunkt zu

Von Tobias Bühlmann

19.2.2021

Staatsrat Pierre Maudet steht vor Gericht, weil er 2015 auf Kosten Abu Dhabis eine Reise in das Emirat unternommen hat.
Staatsrat Pierre Maudet steht vor Gericht, weil er 2015 auf Kosten Abu Dhabis eine Reise in das Emirat unternommen hat.
Bild: Keystone/Martial Trezzini

Pierre Maudet war der glanzvolle Überflieger der FDP. Mit 21 gewinnt er seine erste Wahl, mit 39 wäre er beinahe Bundesrat geworden. Doch dann bringt ihn eine Luxusreise zu Fall – nun wird in Genf das Urteil gegen ihn erwartet.

Pierre Maudet war ein politischer Gipfelstürmer: 1999 wurde er kurz nach seinem 21. Geburtstag für die FDP ins Genfer Stadtparlament gewählt. Acht Jahre später schaffte er den Sprung in die Stadtregierung, da war er erst 29 Jahre alt. Nach weiteren vier Jahren der nächste Karrieresprung. Maudet wird 2012 in einer Ersatzwahl in die Genfer Kantonsregierung gewählt, in den Staatsrat. 2013 schafft er die Wiederwahl mit dem besten Resultat aller Genfer Regierungsmitglieder.

2017 schliesslich kandidierte der damals 39-Jährige für die Nachfolge von Bundesrat Didier Burkhalter – doch dieses Mal unterliegt er: Am Ende machte der Tessiner Ignazio Cassis das Rennen. Und auch sonst wendet sich für den erfolgsverwöhnten Pierre Maudet das Blatt.

Der Anlass für seinen späteren tiefen Fall liegt da allerdings schon zwei Jahre zurück: im November 2015 reist Maudet gemeinsam mit seiner Familie und politischen Weggefährten in die Ferien nach Abu Dhabi. Dort schaut er sich den Formel-1-Grand-Prix an, zudem trifft er sich mit Kronprinz Mohammed bin Zayed bin Sultan Al-Nahyan.

Untersuchung wegen Vorteilsannahme

Ein Journalist spielt der Kriminalpolizei Informationen über die Reise zu, die Behörde verfasst im August 2017 einen Bericht dazu. Gestützt auf diesen Bericht leitet die Genfer Staatsanwaltschaft im Frühling 2018 – kurz nach Maudets erneuter glanzvoller Wiederwahl als Staatsrat – ein Verfahren gegen Unbekannt ein.

Maudet (zweiter von links) sitzt seit Anfang Woche in Genf vor Gericht.
Maudet (zweiter von links) sitzt seit Anfang Woche in Genf vor Gericht.
Bild: Keystone/Frederic Bott

Der Vorwurf lautet auf Vorteilsannahme. Denn die Kosten für diese Luxus-Reise – die Staatsanwaltschaft beziffert sie mit 50'000 Franken – bezahlt Maudet nicht aus der eigenen Tasche. Später zeigt sich, dass die Behörden von Abu Dhabi dafür aufgekommen sind. Als er von Medienleuten gefragt wird, wer seine Ferien bezahlt hat, bleibt er vage.

Die Reise habe er als Privatmann unternommen, das Zusammentreffen mit dem Kronprinzen sei rein zufällig gewesen, so Maudet. Ein Freund habe sich um die Organisation gekümmert. Und als er seinen Anteil bezahlen wollte, habe es geheissen, dieser sei schon bezahlt. Von wem, sei unklar geblieben. Später führt er die «orientalische Tradition» als Grund an, dass er nicht selbst in die Tasche gegriffen hatte.

Staatsanwaltschaft glaubt nicht an Zufall

Ab da ging es für den damaligen Genfer Regierungspräsidenten bergab. Im Sommer 2018 scheint sich der Verdacht gegen ihn zu erhärten, denn nun will die Genfer Staatsanwaltschaft den Staatsrat persönlich befragen. Sie hat erhebliche Zweifel an Maudets Beteuerungen, dass die Reise rein privater Natur und das Treffen mit dem Kronprinzen Zufall gewesen sei. Die Strafverfolger erachten es als erwiesen, dass die Einladung vom Kronprinzen persönlich an Staatsrat Maudet erfolgte, und nicht an den Privatmann.

Doch es kommt noch schlimmer: Die Staatsanwaltschaft schreibt am 30. August 2018 in einem Communiqué zum Fall, dass sich die Beteiligten erst 2018 zur Behauptung entschieden hätten, dass ein Bekannter Maudets für die Kosten der Reise aufgekommen sei. Man habe also nachträglich versucht zu vertuschen, woher das Geld für den Trip tatsächlich stammte.

Zwei Wochen nach der Bekanntgabe der Staatsanwaltschaft wird der Druck auf Maudet so gross, dass er auf sein Amt als Regierungspräsident verzichtet. Zugleich entzieht ihm der Staatsrat einen Grossteil seiner Dossiers.

Maudet sucht neue Bestätigung

Was als Genfer Angelegenheit angefangen hat, wächst zu einer Geschichte mit schweizweiter Bedeutung. Im November 2018 macht FDP-Präsidentin Petra Gössi klar, dass sie einen Rücktritt Pierre Maudets für angebracht hielte. Kurz darauf fordert auch der Vorstand der FDP Schweiz ihren Staatsrat zum Rücktritt auf. Die ganze Zeit über sieht sich der Beschuldigte aber zu Unrecht verdächtig und weist die Forderung zurück.

Im Sommer 2020 schliesst die Partei Maudet, der von einem Rücktritt weiterhin nichts wissen will, aus. Und im Oktober entziehen ihm seine Regierungskolleg*innen mit der Wirtschaftsförderung auch noch sein letztes verbleibendes Dossier. Da wird der Druck dann auch für Maudet zu gross: Am 29. Oktober kündigt Staatsrat Maudet seinen Rücktritt an. Und stellt zugleich in Aussicht, wieder für einen Sitz in der Regierung kandidieren zu wollen. Der entsprechende Urnengang wird in gut zwei Wochen, am 7. März stattfinden.

Und nun also, mitten im Wahlkampf, steht Maudet in Genf wegen des Vorwurfs der Vorteilsannahme vor Gericht. Am Montagabend wird das Urteil gegen ihn erwartet. Ein Schuldspruch, wenn auch erst in erster Instanz, dürfte die Polit-Karriere des einstigen Überfliegers besiegeln.

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