Städtebau in der Pandemie «Der Wunsch, aufs Land zu ziehen, nimmt wegen Corona zu»

Von Alex Rudolf

12.8.2021

Folgt nun der Run auf die Bergdörfer? Hier im Bild ist Corippo im Verzascatal. Bis zu einer Fusion mit mehreren Nachbargemeinden 2018 war es das kleinste Dorf der Schweiz.
Folgt nun der Run auf die Bergdörfer? Hier im Bild ist Corippo im Verzascatal. Bis zu einer Fusion mit mehreren Nachbargemeinden 2018 war es das kleinste Dorf der Schweiz.
KEYSTONE/ Gabriele Putzu

Wie verändert Corona unser Zusammenleben? In einer dreiteiligen Serie geht «blue News» dieser Frage auf den Grund. Im letzten Teil sagt der Geschäftsleiter der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, warum ihn ein Blick ins Wallis besorgt.

Von Alex Rudolf

Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf die Schweizer Landschaft und die Nutzung des Bodens aus? Für den Geschäftsleiter der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, Raimund Rodewald, steht fest, dass die Leute nun lieber nicht mehr verdichtet wohnen wollen. «Plötzlich bedeutet mehr Wohnraum wieder mehr Lebensqualität», sagt er auf Anfrage von «blue News».

Dieser Wunsch steht jedoch im Gegensatz zum Raumplanungsgesetz, in dem seit 2014 festgelegt wird, dass verdichtet gebaut und somit haushälterisch mit dem Boden umgegangen werden soll. «Das wird nun zunehmend hinterfragt», sagt er.

«Durch Corona ist etwas in Bewegung gekommen.»

Es sei weltweit zu beobachten, dass Stadtbewohner*innen aufs Land ziehen – egal, ob in Japan, Paris, London oder Zürich. Die oberste Zürcher Stadtplanerin Anna Schindler sagte im Gespräch mit «blue News», dass man aktuell nicht von einem Rückgang des Einwohnerwachstums ausgehe. Rodewald relativiert. So seien es nicht Zehntausende, die den Städten den Rücken kehren, sondern nur Tausende. «Gleichwohl: Durch Corona ist etwas in Bewegung gekommen.»

Raimund Rodewald
Raimund Rodewald, Geschaeftsleitung Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, bei der Einreichung der Unterschriften der Doppelinitiative
KEYSTONE

Raimund Rodewald ist Geschäftsleiter der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz. Diese setzt sich für die Erhaltung, Pflege und Aufwertung der schützenswerten Landschaft in der Schweiz ein. Die Stiftung wurde 1970 von der Pro Natura, dem Schweizer Heimatschutz, der Schweizerischen Vereinigung für Landesplanung, dem Schweizer Alpen-Club (SAC) und dem Schweizer Tourismus-Verband gegründet.

Rodewald untermauert seine These damit, dass in der Schweiz ein veritabler Einfamilienhaus-Bauboom eingesetzt hat. «Corona verstärkt die Sehnsucht nach dem eigenen Haus mit Abstand zum Nachbarn», sagt er. Als Beispiel dient dabei Naters im Kanton Wallis, wo überdurchschnittlich viele Baugesuche für Einfamilienhäuser am Hang eingereicht wurden. Das ist eine schlechte Nachricht für Rodewald und seine Stiftung. «Denn so wird in Zonen gebaut, die ich am liebsten rückzonen würde.»



Boom für Berggemeinden?

Einen anderen Trend, der dem Landschaftsschutz aber in die Hände spielt, ist jener der Selbstverwirklichung. Mit dem Wunsch, etwas Sinnvolles zu tun, würden sich zahlreiche digitale Nomaden dazu entschliessen, nebenher nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben. Da einige Bergdörfer ohnehin verlassen seien, gebe es viele günstige und ortsbildprägende Häuser zu erwerben. «Das kann für Bergdörfer eine Chance auf ein zweites Leben sein», sagt Rodewald.

«Das kann für Bergdörfer eine Chance auf ein zweites Leben sein.»

Im Gegensatz dazu würden sich für Schweizer Städte grundsätzliche Fragen stellen. Etwa, ob es noch zeitgemäss sei, Milliarden in den Ausbau des ÖV zu stecken. Oder sollten leer stehende Bürokomplexe vermehrt in Wohnungen umgenutzt werden? Ist es sinnvoll, wenn die Angestellten ins Büro zurückkehren?