Schlussbilanz Der Gipfel ist vorbei, aber diese fünf Dinge bleiben

Von Gil Bieler, Genf

17.6.2021

Vom Handshake zum Handfesten: Das Genfer Gipfeltreffen zwischen Joe Biden und Wladimir Putin gab so viel zu reden, als hätte es eine ganze Woche gedauert. Was davon in Erinnerung bleibt.

Von Gil Bieler, Genf

Am Ende ging es schneller als gedacht: Statt vier oder fünf Stunden zu diskutieren, hatten sich Joe Biden und Wladimir Putin in Genf nach etwas mehr als drei Stunden alles gesagt. Drei Stunden und 21 Minuten stoppte die amerikanische Delegation, um präzis zu sein.

Noch am Mittwochabend gingen beide Männer wieder ihrer Wege: Die Präsidentenmaschine von Putin hob um kurz vor 20 Uhr Richtung Moskau ab, die Air Force One gut 40 Minuten später nach Washington. Mit einem Mal war der Spuk vorbei. War alles nur Schall und Rauch, oder bleibt tatsächlich etwas hängen? Der Genfer Gipfel bot von beidem etwas.

Der Handschlag

Das Händeschütteln ist zurück! Während für die normalsterblichen Schweizer*innen nach wie vor gilt, dass darauf verzichtet werden sollte, sind die Reichen und Mächtigen offenbar ausgenommen. Bundespräsident Guy Parmelin höchstselbst drückte Joe Biden nach dessen Landung am Dienstag herzlich die Hand, und auch Biden und Putin begrüssten sich vor ihrer Gesprächsrunde auf die althergebrachte Art. Seit Beginn der Corona-Pandemie ein selten gewordener Anblick.

Ein Bild, das um die Welt geht: Joe Biden (rechts) und Wladimir Putin reichen sich in Genf die Hände. 
Ein Bild, das um die Welt geht: Joe Biden (rechts) und Wladimir Putin reichen sich in Genf die Hände. 
Bild: AP Photo/Patrick Semansky

Das Handfeste

Zwar wurden munter Hände geschüttelt, Handfestes kam in Genf aber kaum heraus. Das Konkreteste ist noch, dass sich Biden und Putin darauf einigten, wieder Botschafter in ihre gegenseitigen Länder zu entsenden. Immerhin eine kleine Annäherung, die da erzielt wurde. Auch will man Gespräche über diverse Themen aufnehmen, etwa zur Rüstungskontrolle sowie Cybersicherheit respektive Cyberkriminalität. Letzteres dürfte vor allem Biden am Herzen gelegen haben, gab es jüngst doch immer wieder Fälle von mutmasslichen russischen Hackerattacken auf US-Institutionen. Ansonsten aber überwog klar der Symbolcharakter. 

Der Ton

Kein gemeinsames Essen, keine gemeinsame Medienkonferenz – eine Männerfreundschaft kann so natürlich nicht gedeihen. Dennoch sprachen beide Staatenlenker nach ihrer Unterhaltung in der Villa La Grange von einer sachlichen, konstruktiven Atmosphäre. «Wir kennen einander gut, aber wir sind keine alten Freunde», fasste Biden zusammen. Putin seinerseits meinte, man müsse sich ja nicht innig lieben, sondern über nationale Interessen verhandeln.

Dass diese in vielen Themenbereichen grundverschieden aussehen, ist bekannt. Etwa beim Schicksal des erst vergifteten, dann verhafteten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny. Es fielen daher auch warnende Töne, damit ja nicht vergessen geht: Da bleiben noch einige Differenzen zu klären. Ein sachlicher Ton ist mit Blick auf die Vergangenheit – Biden hatte Putin schon mal einen «Killer» genannt – immerhin schon mal etwas. 

Der böse Blick

Beide Präsidenten reisten mit eindrücklichen Fahrzeugkonvois in den Parc la Grange. Sogar für jemanden, der sich nicht viel aus PS und Motorenlärm macht, ist das ein faszinierender Anblick. Was besonders beeindruckt: der finstere Blick, den die Männer der russischen Spezialeinheit den Zaungästen zuwerfen. Da gefriert einem sogar bei über 30 Grad das Blut in den Adern. Ein Foto zu schiessen, trauten sich die beiden «blue News»-Reporter erst gar nicht.

Die Präsidentenkonvois: Welcher ist wohl länger?

Die Präsidentenkonvois: Welcher ist wohl länger?

16.06.2021

Die grosse Bühne

Es war nicht nur die Hitze – auch ein spürbares Knistern lag in der Luft. Ständig kreisten Helikopter am Himmel, ganze Strassenzüge wurden gesperrt, weil die hohen Gäste freie Fahrt geniessen sollten – Genf konnte sich endlich wieder einmal in seinem Ruf als internationale Stadt sonnen. Nach einem Corona-Jahr ohne grosse Möglichkeiten für die grosse Bühne kam das mehr als gelegen.

Bundespräsident Guy Parmelin begrüsste die beiden Staatsmänner in «der Stadt des Friedens». Und Aussenminister Ignazio Cassis betonte, der Gipfel sei gut für die Glaubwürdigkeit der Schweiz und ihre Diplomatie gewesen. Nicht zuletzt sei die Schweiz so wieder einmal sichtbar geworden. Das stimmt: Medien aus allen Ländern schickten Korrespondent*innen und Fotografen, auf allen Kanälen wurde über das Treffen berichtet. 

Dass sich Wladimir Putin bei der Schweiz zum Abschied für «die exzellente Plattform» in Genf bedankte, ging da wohl runter wie Öl. 

Russische und amerikanische Flaggen wehen an der Mont-Blanc-Brücke in Genf. 
Russische und amerikanische Flaggen wehen an der Mont-Blanc-Brücke in Genf. 
Bild: Keystone/Peter Klaunzer