Büroarbeit mit Corona «Den Arbeitgeber trifft eine Verantwortung bei Ansteckung» 

Von Tobias Bühlmann

5.6.2020

Ein Geschäft in Lausanne wirbt mit einer Tafel dafür, dass hier Schutzmasken gegen das Coronavirus erhältlich sind. (Archiv)
Ein Geschäft in Lausanne wirbt mit einer Tafel dafür, dass hier Schutzmasken gegen das Coronavirus erhältlich sind. (Archiv)
Bild: Keystone

Nach und nach kehren die Menschen an ihre Arbeitsplätze zurück. Wie stehen nun die Arbeitgeber in der Pflicht, wenn es um den Schutz der Angestellten steht? Und muss der Arbeitgeber zahlen, wenn ich mich im Büro anstecken sollte?

Der Lockdown ist schon eine Weile vorbei, nun kehren die Arbeitnehmenden nach und nach aus dem Homeoffice ins Büro zurück. Doch diese Rückkehr ist anspruchsvoll, da die Ansteckungen mit dem Coronavirus zwar zurückgehen, aber die Gefahr noch keineswegs aus der Welt ist.

Es droht nach wie vor die Gefahr, an Covid-19 zu erkranken – und der Arbeitgeber hat gegenüber seinen Angestellten eine gesetzliche Fürsorgepflicht, muss sich also um ihren Gesundheitsschutz kümmern.

Doch was, wenn sich Abstandsregeln beispielsweise im Grossraumbüro nicht immer einhalten lassen? «Die Abstandsregeln sind nur ein Aspekt. Wo die sich nicht einhalten lassen, wäre beispielsweise eine Maskenpflicht für den Arbeitnehmer denkbar», sagt Arbeitsrechtsexpertin Gabriela Riemer-Kafka zu «Bluewin». Die emeritierte Professorin für Sozialversicherungs- und Arbeitsrecht lehrt an der Universität Luzern Arbeitsrecht.

Heikle Maskenpflicht

Doch gerade die Frage nach einer Maskenpflicht sei rechtlich und auch politisch heikel, so Riemer-Kafka, weil sie in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmenden eingreife. Denn würden die Regeln als zu streng empfunden, könnten die Angestellten allenfalls die Arbeit verweigern oder sich möglicherweise nach einer neuen Stelle umsehen.



Wie immer bei Rechten sieht das Gesetz auch Pflichten vor. «Der Arbeitnehmer muss aufgrund seiner Treue- und Mitwirkungspflicht für die Einhaltung des nötigen Gesundheitsschutzes sorgen, sich also möglichst gut vor einer Ansteckung am Arbeitsplatz schützen.» Und letztlich sei Selbstschutz besser als gar kein Schutz.

Schadenersatzpflicht bei Ansteckung

Und was geschieht, wenn sich jemand trotz Vorsichtsmassnahmen bei der Arbeit im Büro ansteckt: Muss der Arbeitgeber dann Schadenersatz leisten? Das sei eine berechtigte Frage, meint die Expertin: «Grundsätzlich trifft den Arbeitgeber tatsächlich eine Verantwortung bei einer Ansteckung. Aber die Beweispflicht dafür liegt beim Arbeitnehmer. Dieser müsste einen klaren Kausalzusammenhang nachweisen, dass er sich bei der Arbeit angesteckt hat.» Und dies zweifelsfrei zu beweisen, sei in den allermeisten Fällen beinahe unmöglich.

Auch wenn es gar nicht zu einer Ansteckung kommt, können Angestellte ihren Arbeitgeber darauf behaften, die Massnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus konsequent umzusetzen, wie Riemer-Kafka sagt. «Der Arbeitnehmer kann seinen Arbeitgeber abmahnen. Das heisst, dass er den Mangel benennt und eine Frist zur Behebung setzt.» Geht der Arbeitnehmer darauf nicht ein, kann man der Arbeit fernbleiben – bei vollem Lohn.

Schwacher Kündigungsschutz

Weist der Arbeitgeber seine Angestellten an, weiterhin von zu Hause aus zu arbeiten, hat er trotzdem Fürsorgepflichten. Er muss beispielsweise dafür sorgen, dass seine Angestellten ihre Arbeit ergonomisch und gesundheitskonform erledigen können, ihnen also geeignetes Mobiliar zur Verfügung stellen. «Es besteht kein Unterschied zwischen der Arbeit im Büro oder im Homeoffice», stellt Riemer-Kafka klar.



Der Arbeitgeber müsse auch allfällige Zusatzkosten tragen, die im Homeoffice anfallen. Dazu gehörten beispielsweise ein teurer Internetanschluss oder Zusatzkosten für Telefongespräche von zu Hause aus.

Die Arbeitnehmenden haben nebst ihren Pflichten also klare Rechte, was den Schutz der Gesundheit angeht. Sie durchzusetzen ist allerdings schwierig, weil das Schweizer Recht in solchen Fällen keinen absoluten Kündigungsschutz kennt: «Die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust ist ein Damoklesschwert», sagt Riemer-Kafka – denn eine solcherart missbräuchliche Kündigung gibt nur Anspruch auf eine Entschädigung in begrenzter Höhe. Da werde vielleicht manch ein Arbeitnehmer lieber eine Gefährdung in Kauf nehmen, um seine Stelle zu behalten. «Es ist zu hoffen, dass diese  Unsicherheit vom Arbeitgeber nicht ausgenutzt wird.»

Bilder des Tages

Zurück zur Startseite