Preisdeckel auch in der Schweiz? «Dann denken die Leute, Strom sei unbegrenzt vorhanden»

Von Monique Misteli

20.9.2022

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01.09.2022

In Spanien und Portugal gibt es ihn, die EU-Kommission will darüber beraten: einen Strom-Preisdeckel. Wäre ein solcher auch in der Schweiz denkbar? Ein Experte klärt auf.

Von Monique Misteli

Dass die Strompreise teilweise um fast das Zehnfache gestiegen sind, ist bekannt. Deshalb verkündete die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vergangene Woche an, die EU wolle nebst einer Sondersteuer auf die Gewinne von Energiekonzernen auch einen Preisdeckel für Strom prüfen.

Was würde dies für die Schweiz bedeuten, die stark in den europäischen Strommarkt eingebunden ist? Ist ein Preisdeckel für Strom auch hierzulande denkbar?

Für Energieökonom Adhurim Haxhimusa ist eine Strompreisdeckelung keine gute Idee. Dafür nennt er drei Gründe:

Erstens: Energie ist knapp.
Die hohen Preise sind ein Indikator für den Mangel. Ein gedeckelter Preis würde diese Knappheit verzerren und falsche Anreize signalisieren: «Wenn der Strompreis künstlich tief gehalten wird, denken die Leute, Strom sei unbegrenzt vorhanden.» Stromsparen sei dann nicht prioritär, so Haxhimusa.

Zweitens: Geld fehlt für Investitionen in nachhaltige Stromproduktion. 
Gegen ein knappes Angebot gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder die Nachfrage reduzieren oder das Angebot erweitern. Die Preisdifferenz vom limitierten zum marktüblichen Preis müsste kompensiert werden. Dieses Geld fehlt dann bei Investitionen in nachhaltige Stromproduktion.

Drittens: Gaskraftwerke können Kosten nicht mehr decken.
Wird eine Obergrenze festgelegt, sind viele Gaskraftwerke nicht mehr in der Lage, ihre Kosten zu decken.

Mögliche Lösung: Zufallsgewinne besteuern

Wie die Schweiz von einem möglichen EU-Strompreisdeckel betroffen ist, sei aktuell schwer abzuschätzen, sagt Haxhimusa. Anstelle eines Preisoberdeckels sieht er die Besteuerung von sogenannten Windfall-Profiten als langfristige Lösung für die Schweiz.

Solche Zufallsgewinne entstehen, wenn ein unvorhergesehener, nicht eingeplanter Gewinn durch die Veränderung der Marktlage erzielt werden. Dadurch verbuchen die Unternehmen, in diesem Falle die Energiekonzerne, einen plötzlichen Vermögenszuwachs.

Steigende Strompreise: Ist eine Obergrenze auch in der Schweiz denkbar?
Steigende Strompreise: Ist eine Obergrenze auch in der Schweiz denkbar?
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Der Strompreis wird derzeit vom hohen Gaspreis getrieben und auch Produzenten von billigerem Strom – etwa aus Sonne, Wind, Atomkraft oder Kohle – können diesen zu den hohen Preisen verkaufen. Firmen, die Elektrizität nicht aus Gas herstellen, sollen einen Teil dieser Gewinne abgeben. Aus diesem Geld sollten Entlastungsmassnahmen finanziert werden und in erneuerbare Energieproduktion investiert werden.

Strom wird langfristig teuerer

«Schlussendlich müssen wir damit rechnen, langfristig höhere Strompreise bezahlen zu müssen», meint der Dozent der Fachhochschule Graubünden, der zu nachhaltiger Entwicklung und Energieökonomie lehrt und forscht. Wie man Haushalte mit geringerem Einkommen unterstützt, da sei nun die Politik gefordert, sagt der Professor.