«Monsterklage» Credit Suisse geht gegen Finanz-Newsportal vor

Von Andreas Fischer

21.12.2022

Lukas Hässig, hat die CS noch eine Chance?

Lukas Hässig, hat die CS noch eine Chance?

Wie es mit der Grossbank Credit Suisse weiter geht – diesen Blick in die Zukunft wagt Journalist und Branchenkenner Lukas Hässig.

09.12.2022

Die streitbaren Beiträge des kritischen Finanzblogs «Inside Paradeplatz» haben die CS alarmiert. Die Grossbank geht sehr entschlossen gegen Herausgeber Lukas Hässig vor. Der zeigt sich zerknirscht und besorgt.

Von Andreas Fischer

Es tönt ein wenig wie ein Kampf David gegen Goliath: Ein kleines Online-Portal wird von der Credit Suisse vor Gericht gezogen. Die Bank ist mit der Berichterstattung nicht einverstanden. 265 Seiten umfasst die Anklageschrift, dazu kommen unzählige Beilagen, wie Lukas Hässig, der Gründer und Herausgeber des Finanzblogs «Inside Paradeplatz», berichtet.  Zudem verlangen die Anwälte der CS, dass Hässig sämtliche Gewinne seit dem 27. Juli herausgibt, zuzüglich 5 Prozent Zinsen. Streitwert: 300'000 Franken.

«Ich war überrascht von der Klage und ihrem Umfang. Das habe ich so noch nie erlebt», räumt Lukas Hässig im Gespräch mit blue News ein. Dabei sind Klagen gegen ihn und seinen Blog nichts Neues. Nur nicht in dieser Dimension: «Das aber ist jetzt arg gross.» Eine «Monsterklage» nennt er sie.

Die CS will erreichen, dass sämtliche Artikel über die Grossbank, die zwischen 27. Juli und 28. Oktober auf dem Finanzblog erschienen sind, ganz oder in Teilen gelöscht werden. Auch die dazugehörigen Kommentare sollen verschwinden.

«Es soll so teuer werden, dass es schmerzt»

«Credit Suisse hat sich entschieden, die Rechtmässigkeit von Leserkommentaren und Texten rechtlich überprüfen zu lassen», zitiert «Watson» die Begründung der Bank für ihre Klage. «Dies geschieht zum Schutz unserer Mitarbeitenden, die auf dem Blog regelmässig beschimpft und verunglimpft werden.» Mehr wolle man nicht sagen.

Hässig kann sich nicht erklären, warum die CS derart schweres Geschütz gegen ihn und seinen Blog auffährt. «Ich glaube, es geht ihnen darum, mich mit meinem Medium wirtschaftlich in die Ecke zu drängen. Es soll wohl so teuer werden, dass es schmerzt», vermutet er.

«Inside Paradeplatz» wird von Lukas Hässig quasi im Alleinbetrieb unterhalten. Der Wirtschaftsjournalist verfasst fast alle Beiträge und kümmert sich auch um die Kommentare. Schiesst die CS also mit Kanonen auf Spatzen? «Die CS mag sich über vieles aufregen, was aus ihrer Sicht vielleicht auch gerechtfertigt ist: Aber man kann es ja auch eine Spur kleiner machen», findet Hässig.

Dabei sind Klagen gegen «Inside Paradeplatz» nichts Neues für Lukas Hässig. Darauf ist er vorbereitet, wie er vor Kurzem bei «Schawinski» verriet: Er habe eine «Kriegskasse», um für derartige juristische Auseinandersetzungen gewappnet zu sein. Reicht sie auch für die anstehende juristische Auseinandersetzung mit der CS? «Keine Ahnung», sagt Hässig dazu lediglich.

Lukas Hässig hat unter anderem als Erster über die Beschattungsaffäre des Bankers Iqbal Khan bei der Credit Suisse berichtet.
Lukas Hässig hat unter anderem als Erster über die Beschattungsaffäre des Bankers Iqbal Khan bei der Credit Suisse berichtet.
KEYSTONE

Hässig wird nicht nur bewundert

Wie bedrohlich die Lage wirtschaftlich für «Inside Paradeplatz» ist, hänge davon ab, wie das Gericht entscheidet. «Wenn ich gewinne, bekomme ich Geld. Wenn ich verliere, muss ich viel zahlen. Die Chancen kann ich nicht beurteilen. Aber Sorgen mache ich mir immer.»

Lukas Hässig ist in der Branche bekannt, weil er kein Blatt vor den Mund nimmt und keine Angst vor den Mächtigen hat. Über den im Frühjahr unter anderem wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung verurteilten ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz hatte er als Erster kritisch berichtet. Auch die Beschattungsaffäre bei der Credit Suisse brachte Hässig mit seinen Recherchen ins Rollen.

Dabei kommt Hässigs forscher und meinungsstarker Stil nicht immer und überall gut an, auch bei Kollegen nicht. Die «Neue Zürcher Zeitung» beschreibt ihn als «eine Mischung aus Held und Hallodri», der bewundert werde «für seinen Mut und seine Scoops», aber auch kritisiert für «Schnellurteile, Tiraden und Reinfälle».

Obwohl die CS «dezidiert für die freie Presse» sei und «die Medien als vierte Gewalt im Staat» anerkenne, habe «Inside Paradeplatz» keinen Schutz verdient. «Die Führungsequipe und damit die Klägerinnen werden der Lächerlichkeit preisgegeben, mit Beleidigungen überzogen und blossgestellt, und die Bankengruppe wird verächtlich gemacht, ja schlichtweg totgeschrieben (…).»

«Angriff auf die Pressefreiheit»

Hässig sieht in der Anklageschrift der CS mehr als einen Angriff auf «Inside Paradeplatz»: «Ich empfinde die Klage als Angriff auf die Pressefreiheit, unabhängig davon, was man von mir als Person hält.»

Muss er in Zukunft nun zurückhaltender werden bei seiner Arbeit? «Hoffentlich kann ich gleich kritisch bleiben», sagt Hässig, räumt aber auch ein, dass in der Causa CS «nicht alle Artikel nötig waren. Es war sicher eine erhöhte Kadenz – aber es ist ja auch viel passiert bei der Credit Suisse in den letzten Wochen und Monaten.»

Die Kommentarfunktion, die eine grosse Rolle in der Anklageschrift spielt, soll aber erhalten bleiben. «Die will ich nicht abschalten, dafür kämpfe ich», sagt Hässig, «obwohl ich mir damit keinen Gefallen tue. Es ist schwieriger geworden mit den Kommentaren, die Moderation nimmt viel Zeit in Anspruch. Da sind in der Vergangenheit sicher auch Grenzfälle auf meiner Seite passiert.»

Schawinski –  mit Lukas Hässig

Schawinski – mit Lukas Hässig

Der Wirtschaftsjournalist und fünffache Familienvater betreibt zusammen mit Gastautoren das Onlineportal «Inside Paradeplatz». Roger Schawinski diskutiert mit Lukas Hässig über die Schweizer Firmen, die sich 2022 die grössten Flops geleistet haben.

09.12.2022