Skeptiker demonstrieren «Verantwortliche der Pandemie müsste man vors Kriegsgericht bringen»

Philipp Dahm

16.10.2021

«Liberté, Liberté»-Rufe in Rapperswil: Nicht nur in St. Gallen, sondern auch in Baden protestieren Skeptiker gegen die Corona-Politik. In Bern läuft eine Gegen-Demo.

Philipp Dahm

In mehreren Schweizer Städten haben am Samstag erneut ein paar Tausend Menschen gegen die Corona-Massnahmen protestiert. In der Hauptstadt wiederum hat das «Solidarisches Bündnis Bern» zu einer Gegendemonstration aufgerufen.

In Rapperswil-Jona SG kamen nach Schätzungen der St. Gakker Kantonspolizei rund 3000 Gegnerinnen und Gegner der Corona-Massnahmen zusammen. Dort läuft die Aktion – im wahrsten Sinne des Wortes – seit 13 Uhr: Die Menge zieht von den Sportanlagen Grünfeld via Oberseestrasse zum Eishockey-Stadion. Die Gruppe ist bunt gemischt: Unter ihnen sind Studenten, die sich über das Zertifikat beklagen, das ihnen das Lernen verwehre. Männer, die kaum noch Haare auf dem Kopf haben, schieben ihre Velos nebenher.

Eine Frau schiebt einen Hochbetagten mit dem Zug mit. Ein Mann mit Hut bläst inbrünstig in ein Horn – und überall ertönt entweder Musik oder das Glockengeläut der Freiheitstrychler. Die Bewegung «Massvoll» hat zum Protest aufgerufen: Ihr Logo ist fast so häufig zu sehen wie das Schweizerkreuz. Die Polizei ist vor Ort, die Lage jedoch friedlich.

Update: Am Eishockey-Stadion ist eine Bühne aufgebaut. David Beeler, Kantonsrat SVP-SZ, spricht über «unsere Polizisten. Sie schiessen auf Demonstranten. Sie prügeln Frauen und alte Leute. Eine Schande, was die Polizisten sich leisten.»

«Kämpfet, kämpfet»: Redner auf der Bühne in Rapperswil.
«Kämpfet, kämpfet»: Redner auf der Bühne in Rapperswil.
Screenshot: Twitter

Und: «Unser Bundesrat hat das Land verraten.» Er «scheisse» auf die Verfassung. Ein Raunen geht durchs Publikum. Beeler erzählt von einem «Genozid der Worte», von den «Tyrannen in Bern» und «Tausenden, die an der Impfung gestorben» seien.

«Die Verantwortlichen der Pandemie müsste man vors Kriegsgericht bringen. Früher oder später muss der Bundesrat zurücktreten», sagt der Mann unter dem Jubel der Zuschauer. 

Zu Ende gehen soll die Kundgebung erst am Abend. Probleme habe es soweit nicht gegeben, sagte ein Polizeisprecher.

Hunderte in Baden und Bern

In Baden haben sich die Skeptiker eine Stunde später getroffen: Seit 14 Uhr wird hier demonstriert, nachdem eine Sängerin namens Linda Kratky die Demonstration angemeldet hat. Während in Rapperswil um die 3000 Menschen unterwegs sind, sind es in Baden etwa 1.500 laut der Aargauer Kantonspolizei. Gleich zu Beginn gab es zwar Rempeleien zwischen den Kundgebungsteilnehmern und einer Handvoll Gegendemonstranten, der weitere Verlauf blieb jedoch friedlich.

Die Hitzköpfe auf beiden Seiten konnten von Polizei und Zuschauern beruhigt werden. An der Kundgebung dabei waren auch die sogenannten «Freiheitstrychler». Die Mehrheit der Teilnehmenden der Kundgebung trug keine Maske. Ein 28-jähriger Teilnehmer wurde laut Polizei angehalten, überprüft und weggewiesen.

Bewilligte Kundgebung in Lausanne

In Lausanne begann am Nachmittag ebenfalls eine bewilligte Kundgebung. Diese richtete sich gegen den seit dem 13. September vorgeschriebenen Einsatz des Covid-Zertifikats etwa in Restaurants, Bars und Sportstätten. Zwischen 800 und 1000 Personen zogen. in Lausanne gegen die Massnahmen durch die Strassen. Sie skandierten «Berset, Deine Pässe wollen wir nicht» und «Liberté». Das Covid-Zertifikat sei ein nazimässiger Pass. Verschiedentlich wurde der Rücktritt von Gesundheitsminister Alain Berset gefordert. Die bewilligte Kundgebung verlief friedlich.

In Lugano folgten rund 400 Personen einem Aufruf der «Freunde der Verfassung» zu einem Protestzug entlang der Seepromenade.

Bern: mehrere hundert Menschen für Solidarität

In Bern dagegen demonstrierten mehrere hundert Menschen für Solidarität und kritisierten die Massnahmen-Gegner scharf. Zur Demonstration aufgerufen hatte das neugegründete «Solidarische Bündnis Bern», das in den nächsten Wochen aktiv bleiben will.

Das linke Bündnis wollte ein Zeichen setzen gegen die aus seiner Sicht rechtsextrem geprägten Demonstrationen und Aktivitäten der letzten Monate. Die Linke müsse eine eigene Antwort finden auf die aktuellen Massnahmen, die sowohl der pandemischen Lage Rechnung trügen als auch staats- und gesellschaftskritisch sein könnten.

Kundgebung des Solidarischen Bündnisses Bern am 16. Oktober 2021.
Kundgebung des Solidarischen Bündnisses Bern am 16. Oktober 2021.
KEYSTONE

In einer früheren Version wurde Beeler zugeschrieben, er habe gesagt, man müsste auf den Bundesrat schiessen. Er sagte vielmehr, der Bundesrat scheisse auf die Verfassung. Der Fehler wurde korrigiert. (phi)