Bundesrats-Rennen von SVP und SP «In den Hearings schlägt die Stunde der Hinterbänkler»

Von Gil Bieler

19.11.2022

Einer von ihnen soll in den Bundesrat nachrücken: Albert Rösti (l.) und Hans-Ueli Vogt.
Einer von ihnen soll in den Bundesrat nachrücken: Albert Rösti (l.) und Hans-Ueli Vogt.
Bild: Keystone

Die SVP hat ihr Kandidaten-Duo erkoren, die SP einen Grundsatzentscheid für ein Frauen-Ticket gefällt. Wie es für die beiden Polparteien und ihre Kandidat*innen jetzt weitergeht, erklärt Politologe Lukas Golder.

Von Gil Bieler

Herr Golder, bei der SVP haben Albert Rösti und Ueli Vogt den Segen der Partei erhalten. Was sagen Sie zu dieser Auswahl?

Damit hat die SVP-Fraktion eine erwartbare Auswahl getroffen, weil aus meiner Sicht nichts gegen die Nominierung von Albert Rösti spricht. Beim zweiten Ticket-Platz stellte sich durchaus die Frage: Werner Salzmann oder Hans-Ueli Vogt. Das ist bemerkenswert, weil Vogts Kandidatur eher überraschend kam, die wenigsten hatten ihn auf dem Zettel. Doch er hat eine souveräne Kandidatur gezeigt und auch ein wohlwollendes Echo erhalten. Diesen Platz auf dem Ticket hat er sich sicherlich verdient. Am Ende hat die Fraktion damit eine ausgewogene Entscheidung getroffen.

Als Nächstes müssen die beiden die anderen Parteien von sich überzeugen. Welche Bedeutung spielen diese Hearings bei den Fraktionen?

Zur Person
Lukas Golder gfs.bern
zvg

Lukas Golder ist Politik- und Medienwissenschaftler sowie Co-Leiter des Forschungsinstituts gfs.Bern. 

Die Hearings werden unterschätzt. Weil die Qualität einer Kandidatur hängt in grossem Mass vom persönlichen Eindruck ab, den ein Kandidat oder eine Kandidatin in diesem Moment hinterlässt. Werden die offiziellen Tickets der Parteien akzeptiert – was wir zunehmend sehen –, dann versuchen die anderen Parteien, innerhalb dieser Auswahl sehr genau hinzuschauen.

Dann ist der Topfavorit also nicht automatisch gesetzt?

Beim Hearing steht man unter Druck und muss sich kritischen Fragen stellen. Und es kommt darauf an, was jemand dann sagt. Darum heisst es auch: In den Hearings schlägt die Stunde der Hinterbänkler. Nicht jeder Parlamentarier, nicht jede Parlamentarierin hat direkten Kontakt zu Albert Rösti, viele kennen ihn nur vom Hörensagen. In dieser Situation muss man überzeugen.

Muss Rösti damit nochmals zittern?

Die Hearings begünstigen eher die Aussenseiter, sei es ein Hans-Ueli Vogt bei der SVP oder eine Evi Allemann oder Elisabeth Baume-Schneider bei der SP. Dort gilt ja Eva Herzog als die grosse Favoritin. Auch von den amtierenden Bundesratsmitgliedern Guy Parmelin und Viola Amherd wird gesagt, sie hätten sich in den Hearings sehr gut geschlagen – obwohl beide nicht als haushohe Favoriten gehandelt wurden.

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Die SP-Fraktion hat einen Grundsatzentscheid gefällt: Sie hält am Frauen-Ticket fest, Daniel Jositsch hat dies vor laufenden Kameras akzeptiert. Wie kam der Auftritt bei Ihnen an?

Die SP konnte sich nun überzeugend aus dieser ganzen Geschichte retten. Die Parteispitze stand unter grossem Zeitdruck, weil der Rücktritt von Simonetta Sommaruga sehr überraschend kam – so kam der rasche Vorstoss für ein Frauen-Ticket zustande. Doch sollte so ein Entscheid nicht vom Präsidium, sondern von der Fraktion getroffen werden, was nun auch geschehen ist. Und zwar eindeutig. Daniel Jositsch konnte die SP eine Brücke bauen, dass auch er gut dasteht. Man spürt das Bedürfnis, die Reihen zu schliessen und die Diskussion von der Geschlechterfrage zu lösen.

Daniel Jositsch meinte, man müsse später noch diskutieren, wie Wechsel zwischen Männern und Frauen über die Landesgegenden hinweg möglich werden könnte. Das tönt, als schiele er auf den Sitz von Alain Berset.

Ich glaube, bei seinem Auftritt war zu spüren, dass er nicht noch einmal antreten will. Und der Entscheid vom Freitag war auch ein Entscheid zugunsten der Männer in der Romandie. Sie haben viel zu gewinnen bei einem Rücktritt von Alain Berset.

Eva Herzog gilt gemeinhin als klare Favoritin bei der SP. Sind Sie einverstanden?

Es wäre fast schon ein Affront ihr gegenüber, wenn es anders käme. Nach all den bisherigen Diskussionen kann man sie – ähnlich wie Albert Rösti bei der SVP – fast nicht mehr vom Ticket nehmen. Das wäre unfair ihr gegenüber.

Wen sehen Sie sonst noch auf dem Weg zum zweiten Ticket-Platz?

Ich bin sehr gespannt, wie die Ausmarchung verlaufen wird. Wenn man Eva Herzog fix aufs Ticket setzt – was ihr Profil, ihr Auftritt und die überfällige Berücksichtigung des Kantons Basel rechtfertigen würden – dann geht es bei den beiden anderen Kandidatinnen nicht nur ums Profil, sondern auch um die regionale Herkunft. Und da haben beide ein Handicap.

Können Sie das erklären?

Sollte Albert Rösti für die SVP gewählt werden, wäre die Wahl von Evi Allemann infrage gestellt – denn auch sie kommt ja aus Bern, der Kanton wäre damit übervertreten. Und Elisabeth Baume-Schneider würde als Jurassierin zu einer überproportionalen Vertretung der Romandie führen, die dann auf drei Sitze käme. Es ist also eine spezielle Diskussion, die da in den Hearings ansteht. Ich halte bei allen drei Frauen positive Überraschungen in diesen Anhörungen für möglich.

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