Energiekrise Bundesrat verkündet freiwilliges Gas-Sparziel von 15 Prozent

sda/tgab

24.8.2022 - 20:07

Bundesrätin Simonetta Sommaruga (r.) diskutiert mit Bundesrat Guy Parmelin, am Ende einer Medienkonferenz über die Beschlüsse des Bundesrates zur drohenden Gasknappheit, am Mittwoch, 24. August 2022, in Bern.
Bundesrätin Simonetta Sommaruga (r.) diskutiert mit Bundesrat Guy Parmelin, am Ende einer Medienkonferenz über die Beschlüsse des Bundesrates zur drohenden Gasknappheit, am Mittwoch, 24. August 2022, in Bern.
Peter Klaunzer/KEYSTONE

Bund, Wirtschaft und Private sollen auf freiwilliger Basis im kommenden Winterhalbjahr 15 Prozent weniger Gas verbrauchen, um einer Mangellage vorzubeugen. Dieses Ziel hat der Bundesrat am Mittwoch beschlossen. Falls das Gas trotzdem knapp würde, wären Verbrauchsverbote denkbar.

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Die Energiekrise sei ein Signal, jetzt vorwärts zu machen und mehr Energie in der Schweiz selber zu produzieren, sagte Energieministerin Simonetta Sommaruga am Mittwoch vor den Medien in Bern. Es gehe aber auch darum, Energie einzusparen. «Wir müssen aufhören, Energie zu verschwenden, auch das hilft, den Engpass zu vermeiden.»

Aus Sicht von Wirtschaftsminister Guy Parmelin geht es jetzt nicht darum aufzuzeigen, wie eine allfällige Gasknappheit bewältigt wird, sondern darum, eine solche überhaupt erst zu verhindern. «Und dafür gibt es einen Weg», sagte Parmelin vor den Medien: «Selbstdisziplin und Genügsamkeit.»

Massnahmen in vier Stufen

Hier setzt das vom Bundesrat erarbeitete Kaskadensystem an. Dessen erste Stufe ist ein freiwilliges Sparziel von 15 Prozent beim Gas. Von Anfang Oktober 2022 bis Ende März 2023 sollen die Behörden, die Wirtschaft und die privaten Haushalte sparsamer mit Gas umgehen. Das freiwillige Sparziel von 15 Prozent im Vergleich zum Durchschnittsverbrauch der vergangenen fünf Jahre entspricht jenem der EU.

Gemäss Mitteilung des Bundesrats ist die Schweiz beim Gas vollständig von Importen aus dem Ausland abhängig. Eine europäische Mangellage würde sich daher direkt auf die Schweiz auswirken und den Abruf der von der Schweiz im Ausland eingekauften Gaslieferungen erschweren. Da andere Länder Gas brauchen, um Strom zu produzieren, könne mit Einsparungen beim Gas die Versorgungssituation generell verbessert werden, schreibt die Landesregierung.

Ein Grad weniger heizen spart bis zu sechs Prozent Energie

Im Fokus von freiwilligen Einsparungen steht die Industrie. Mit einer freiwilligen Umschaltung von Zweistoffanlagen von Gas auf Öl könnten beträchtliche Gasmengen eingespart werden, schreibt der Bundesrat. Laut Parmelin liegt hier das Sparpotenzial bei 25 Prozent. «Es wäre fahrlässig, auf diese Absicherung zu verzichten», ergänzte ihn Sommaruga.

Das grösste Einsparpotenzial gibt es jedoch bei der Raumwärme. 40 Prozent des importierten Gases werden zum Heizen verwendet. Ein Grad weniger heizen, spart bis zu sechs Prozent Energie. Ein wesentlicher Teil der Einsparungen soll laut dem Bundesrat deshalb durch freiwillige Einsparungen bei Haushalten, Industrie, Dienstleistungen und in der öffentlichen Verwaltung erreicht werden.

Der Bund habe diesbezüglich eine Vorbildfunktion, betonte Sommaruga. «Der Bund muss vorangehen, wenn er dies auch von den anderen erwartet.» Auch Städte und Kantone seien eingeladen, ihrerseits freiwillige Einsparungen zu prüfen.

Zudem bereitet der Bundesrat ein Sparprogramm für die Bundesverwaltung vor. Vorstellen will er es laut Sommaruga am nächsten Mittwoch. Apparate und Computer, die nicht zwingend in Betrieb sein müssen, sollen abgeschaltet werden. Abgeklärt wird auch, wie bei einer Mangellage Standorte der Bundesverwaltung zusammengelegt werden könnten, damit weniger Räume geheizt werden müssten. Auch Homeoffice ist ein Thema.

Keine Abschaltung bei Haushalten

Falls das Gas in der Schweiz im Winter trotz aller freiwilligen Bemühungen knapp werden würde, könnte der Bundesrat Verbrauchsverbote erteilen. Denkbar wären gemäss dem Grundsatzentscheid beispielsweise das Untersagen von Terrassen-Heizstrahlern oder die Schliessung von Sport- und Wellnessbereichen.

Nächste Woche sollen die entsprechenden Verordnungsentwürfe vom Bundesrat zur Kenntnis genommen werden und danach in die Konsultation gehen. Erst danach werden die definitiven Massnahmen beschlossen. Deshalb liess sich Parmelin trotz mehrerer Nachfragen von Journalisten auch nicht auf eine maximale Raumtemperatur für Privatwohnungen im Zwangsfall festnageln.

Die Verordnungen sollen laut der Regierung erst im Falle einer Mangellage in Kraft treten und je nach aktueller Lage angepasst werden. Beispielsweise könnten verschiedene Regionen unterschiedlich stark von Gasmangel betroffen sein.

Momentan kein Engpass

Die Versorgungssicherheit der Schweiz ist laut dem Bundesrat derzeit gegeben. Aufgrund des Ukraine-Kriegs und der damit verbundenen Gaslieferunterbrechungen in Europa sowie der Situation bei den Kernkraftwerken in Frankreich kann gemäss Einschätzung der Elektrizitätskommission (Elcom) die Stromversorgung im kommenden Winter 2022/2023 aber angespannt werden.

Wirtschaftsminister Parmelin formulierte es so: Jeder Entscheid hänge von mehreren Faktoren ab: vom Verlauf des Kriegs, vom Stand der Gasreserven, von der Effizienz der Ersatzhandlungen und von den Entscheidungen der europäischen Partner.

sda/tgab